Das österreichische Militärstraf- und Heeresdisziplinarrecht
im Lichte von Art. 5 und 6 EMRK

G Bewertung des österreichischen Militärstraf– und Heeresdisziplinarrechts im Lichte von Artikel 5 EMRK

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”... unter dem Vorbehalt,
daß die Bestimmungen des Artikels 5 der Konvention mit der Maßgabe angewendet werden,
daß die in den Verwaltungsverfahrensgesetzen, BGBl. Nr. 172/1950,
vorgesehenen Maßnahmen des Freiheitsentzuges unter der in der
österreichischen Bundesverfassung vorgesehenen nachprüfenden Kontrolle durch den
Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof unberührt bleiben ...”
[408]


1 Allgemeines


Art. 5 EMRK ist in Österreich in Zusammenhang mit Art. 63 S. 1 des Staatsvertrages von St. Germain, dem GRBG und vor allem dem PersFrG zu sehen, welches über die Regelungen des Art. 5 EMRK insoweit hinausgeht, als es in Art. 1 Abs. 3 das Verhältnismäßigkeitsprinzip als Maß für den gerechtfertigten Freiheitsentzug vorschreibt.[409]


2 Der österreichische Vorbehalt zu Art. 5 EMRK


Art. II Abs. 6 Z. 3 EGVG bestimmt, daß „bei der Verfolgung und Bestrafung der Verletzung von Standespflichten durch Organe, die ausschließlich oder doch zum Teil aus Angehörigen des in Betracht kommenden Berufsstandes gebildet sind (Disziplinarverfahren)” die Verwaltungsverfahrensgesetze keine Anwendung finden.[410]

Eine ausdrücklich anderslautende Bestimmung, die gemäß Art. II Abs. 6 S. 1 EGVG zu berücksichtigen ist, existiert zwar in § 23 HDG, der die Anwendung von Bestimmungen des AVG für Kommandanten– und Kommissionsverfahren regelt.[411] Die entsprechenden Verweise sind jedoch nicht auf das jeweilige Ausmaß der Strafen zu beziehen, sondern nur auf die Verfahrensgrundsätze.[412] Sie beziehen sich außerdem nicht auf die vorbehaltenen Verwaltungsverfahrensgesetze, sondern nur auf einzelne Normen des AVG, wodurch Eigenständigkeit und Substanz des Disziplinarverfahrensrechts nicht verlorengehen.

Wie Herzog zutreffend feststellt, werden die im HDG vorgesehenen freiheitsentziehenden Maßnahmen „weder im Rahmen eines nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen ablaufenden Verfahrens gesetzt, noch sind die Vorschriften des HDG auf Grund der Besonderheiten des militärischen Lebens mit den Regelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze deckungsgleich, was nach Meinung des VfGH ausreichend wäre, um dem Vorbehalt zu genügen.”[413] Das HDG ist somit nicht als Verwaltungsverfahrensgesetz im Sinne des österreichischen Vorbehaltes anzusehen.[414] Daher ist Art. 5 EMRK direkt, das heißt ohne die Einschränkung durch den österreichischen Vorbehalt, anzuwenden.[415]


3 Der Begriff der Freiheit und Sicherheit


Das von Art. 5 EMRK geschützte Rechtsgut ist die Freiheit eines Rechtssubjektes, eine durch eigenen Willen bestimmte physische Bewegung von einem Ort zu einem anderen durchzuführen.[416] Eine (rechtmäßige) Einschränkung dieser Freiheit ist möglich,[417] ihr rechtmäßiger Entzug jedoch ist an die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 lit. a–f gebunden.[418] Art. 5 EMRK schützt somit vor der willkürlichen Entziehung der physischen Bewegungsfreiheit.[419]

Nach übereinstimmender Meinung wird unter dem Begriff „Sicherheit” jene Gewißheit verstanden, daß Eingriffe in die persönliche Freiheit nur auf der Basis nationaler Normen (auf vorgeschriebene Weise)[420] im Gleichklang mit der EMRK vorgenommen werden und daß sie ständiger richterlicher Kontrolle unterliegen.[421] Für den jeweiligen Staat bedeutet dies die Verpflichtung, durch Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen, das heißt durch entsprechende Gesetze, die bestimmt und klar sein müssen,[422] jedermann[423] diese Gewißheit zu geben.[424]


4 Freiheitsentzug und Freiheitsbeschränkung im Wehrdienst


Im Fall Engel u.a. hat der EGMR einerseits die Anwendbarkeit der Konventionsnormen auch für den militärischen Bereich, andererseits aber auch die Tatsache festgestellt, daß der Wehrdienst an sich keinen konventionswidrigen Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt.[425]


4.1 Freiheitsentzug


Der Entzug der persönlichen Freiheit wird hier bei einer Festnahme oder erst dann angenommen, wenn das entsprechende Disziplinarerkenntnis ein Strafausmaß enthält, das den disziplinären Bereich verläßt und bereits als strafrechtliche Sanktion anzusehen ist.[426] Qualitativ erforderlich ist hierfür sowohl eine bestimmte Mindestdauer des Freiheitsentzuges als auch eine strenge Art der Verwahrung: „Die Schwelle zum Freiheitsentzug wird erst dort überschritten, wo sich hinter dem disziplinierten Soldaten eine Tür schließt, ein Schlüssel im Schloß dreht und er am allgemeinen Dienst nicht mehr teilnimmt.”[427]


4.2 Freiheitsbeschränkung


Während der Freiheitsentzug normalerweise nur wenige Soldaten betrifft, werden Freiheitsbeschränkungen im Rahmen des besonderen Gewaltverhältnisses des militärischen Dienstes für alle Soldaten spürbar. Vor allem in den Medien wird häufig die Meinung geäußert, daß die einschränkenden Maßnahmen übertrieben seien. Kritisiert wird vor allem die Kasernierung der Soldaten, die nicht nur freiheitsbeschränkend wirkt, sondern auch die Ausübung anderer Grundrechte — wie etwa das Recht auf ein ordentliches Ehe– und Familienleben oder das Recht auf Vereins– und Versammlungsfreiheit — stark behindert. Dabei wird aber in der Regel übersehen, daß diese Beschränkungen einerseits durch die EMRK selbst weitgehend legitimiert werden,[428] andererseits durchaus als verhältnismäßig angesehen werden können. Zweck des Bundesheeres ist, die innere und äußere Sicherheit Österreichs jederzeit[429] zu gewährleisten. Diese Aufgabenstellung verlangt jederzeitige Einsatzbereitschaft; daraus ergibt sich, daß der Wehrpflichtige für die gesamte Dauer seiner Angehörigkeit zum Bundesheer bis zu seiner Entlassung andauernd in Dienst gestellt ist.[430] Aus Natur und Zweck des Dienstes ergeben sich Notwendigkeit, Legitimation und selbstverständlich auch Grenzen der Kasernierung und anderer Grundrechtsbeschränkungen.[431]


5 Die vorläufige Festnahme gemäß § 43 HDG


Die einzige freiheitsentziehende Sicherungsmaßnahme,[432] die das HDG vorsieht, ist die vorläufige Festnahme. Ihr Zweck ist — in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 1 lit. c EMRK — die Vorführung eines Soldaten, der bei einer Pflichtverletzung auf frischer Tat betreten wird, vor die zuständige Disziplinarbehörde zu ermöglichen.[433]

In Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgebotes des PersFrG ist die vorläufige Festnahme zusätzlich an die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Z. 1, 2 oder 3 HDG gebunden. So kann ein Soldat nur dann festgenommen werden, wenn er dem anhaltenden Organ unbekannt ist und seine Identität nicht nachweisen kann oder will;[434] wenn begründeter Verdacht der Fluchtgefahr besteht oder der Betreffende nach entsprechender Abmahnung durch den Festnahmeberechtigten oder einen anderen Vorgesetzten „in der Fortsetzung der Pflichtverletzung verharrt oder sie zu wiederholen sucht.”[435]

Die von Art. 5 Abs. 1 lit. c EMRK geforderte zuständige Gerichtsbehörde ist im Sinne von Art. 5 Abs. 3 S. 1 EMRK zu verstehen.[436] Demnach entspricht die Regelung des § 43 Abs. 1 S. 2 HDG, daß die zuständige Gerichtsbehörde „die für den Festgenommenen im Kommandantenverfahren zuständige Disziplinarbehörde erster Instanz” ist, den Anforderungen der EMRK.[437]

Da die möglichst umgehende Ahndung von Pflichtverletzungen einen wesentlichen Bestandteil des militärischen Disziplinarrechtes bildet, ist ein Konflikt des HDG mit Art. 5 Abs. 3 HS. 2 EMRK bereits aus Gründen der praktischen Zielsetzung so gut wie ausgeschlossen.[438] § 43 HDG sieht in Abs. 4 eine umgehende Meldepflicht der Festnahme an den für den Festgenommenen zuständigen Einheitskommandanten sowie an den Disziplinarvorgesetzten und in Abs. 5 die umgehende Verwahrung des Festgenommenen im Haftraum als Übergabe an die zuständige Disziplinarbehörde vor. In Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Art. 4 PersFrG darf die Anhaltung maximal 24 Stunden lang dauern;[439] fällt der Festnahmegrund während dieser Frist weg,[440] ist der Festgenommene in jedem Falle unverzüglich freizulassen.[441]

§ 43 Abs. 7 S. 1 HDG entspricht den Erfordernissen von Art. 5 Abs. 2 EMRK vollinhaltlich. Er ist im Zusammenhang mit § 43 Abs. 1 S. 1 HDG zu lesen: Die Begehung auf frischer Tat beseitigt nicht die Verpflichtung des Festnehmenden, den Festgenommenen so rasch wie möglich über die Gründe der Festnahme sowie über die ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe zu unterrichten.[442]

Aufgrund der Kürze der Anhaltezeit ist ein Eingehen auf Art. 5 Abs. 4 EMRK nicht notwendig; jede Einleitung eines Prüfungsverfahrens über die Rechtmäßigkeit der Haft würde mehr Zeit in Anspruch nehmen als die Anhaltung selbst, die ja auf die Dauer von 24 Stunden begrenzt ist.[443]

§ 43 Abs. 7 S. 2 Z. 1 und 2 HDG bekräftigen das Recht des Festgenommenen, einen Rechtsbeistand und eine Person seiner Wahl von seiner Festnahme verständigen zu lassen,[444] § 43 Abs. 8 HDG jenes auf Achtung seines Ehrgefühls und seiner Menschenwürde.[445]


6 Der Disziplinararrest gemäß § 81 Abs. 4 und 5 HDG[446]


Im Gegensatz zum Strafenkatalog für reguläre Dienstzeiten ist jener für den Einsatzfall auf alle Soldaten — unabhängig von ihrer Rechtsstellung und von ihrem Dienstgrad — gleichermaßen anzuwenden.[447]

Aus militärischer Sicht sind freiheitsentziehende Maßnahmen für besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen [448] während eines Einsatzes[449] zur Aufrechterhaltung von Disziplin und Ordnung unverzichtbar.[450] Meist werden militärstrafrechtlich relevante Pflichtverletzungen zu einem Disziplinararrest führen.[451]

Die vorgesehene Dauer des Disziplinararrestes von mindestens 24 und höchstens 504 Stunden scheint den militärischen Notwendigkeiten [452] gerecht zu werden.

Im Fall Engel u.a. hat der EGMR festgestellt, daß die militärische Disziplinarstrafe generell nicht eine Zwangsmaßnahme mit dem Ziel ist, den Soldaten zur Erfüllung seiner Pflicht anzuhalten; vielmehr ist sie Sanktion für schuldhaftes Fehlverhalten, eine Folge des Tadels,[453] der in der Verurteilung zum Ausdruck kommt.[454] Art. 5 Abs. 1 lit. b EMRK ist daher auf den Disziplinararrest nicht anwendbar.[455] Freiheitsentziehende Disziplinarmaßnahmen fallen vielmehr in den Bereich des Art. 5 Abs. 1 lit. a EMRK.

Unter der Annahme, daß Verurteilung[456] und Haft auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise[457] ausgesprochen werden, scheinen auf den ersten Blick insbesondere durch die Verfassungsbestimmung des § 82 Abs. 1 HDG, der den Einheitskommandanten in erster und den Disziplinarvorgesetzten in zweiter Instanz für alle Disziplinarverfahren während eines Einsatzes zuständig macht, die Forderungen des Art. 5 Abs. 1 lit. a EMRK erfüllt zu sein.[458] Problematisch ist jedoch die Qualifikation der zuständigen Disziplinarbehörden als Tribunal im Sinne der Konvention, da der österreichische Vorbehalt zu Art. 5 EMRK, wie bereits ausgeführt,[459] auf das Heeresdisziplinarrecht nicht anwendbar ist. Einerseits entscheiden im Disziplinarverfahren während eines Einsatzes nicht Kollegialbehörden, sondern Einzelpersonen,[460] andererseits sieht die Verfassungsbestimmung des § 15 Abs. 5 die selbständige und ungebundene Ausübung der Disziplinargewalt[461] nur für Mitglieder der Disziplinarkommissionen vor, für die Disziplinarbehörden im Einheitskommandantenverfahren fehlt eine entsprechende Regelung. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, daß sich vor allem während eines Kampfeinsatzes eine weitreichende Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit der zur Entscheidung berufenen Instanz aus praktischen Gründen — insbesondere wegen der erforderlichen Raschheit und Einfachheit des Verfahrens[462] — ergibt, wird das HDG den Anforderungen des Art 6 Abs. 1 EMRK damit keinesfalls gerecht. Insofern muß daher die Konventionswidrigkeit des § 81 Abs. 5 im Zusammenhang mit § 82 Abs. 1 HDG festgestellt werden.[463]

Da einerseits sowohl Kommissions– als auch gerichtliche Strafverfahren aufgrund der erforderlichen Straffheit und Kürze der Verfahrensdauer während eines Einsatzes praktisch undurchführbar sind, andererseits aber die disziplinäre Verfolgung gegenüber der strafrechtlichen Verurteilung trotz des geringeren Ausmaßes gewährleisteter Garantien unbestrittene Vorteile für den Betroffenen aufweist,[464] ihn außerdem durch einen überproportionalen Kontrollmechanismus disziplinärer Maßnahmen auch negative Auswirkungen treffen können,[465] erscheint es als einzige zufriedenstellende Lösung geboten, zumindest mittels einer weiteren Verfahrensbestimmung zu § 81 HDG auch den Einheitskommandanten und Disziplinarvorgesetzten während eines Einsatzes in Ausübung ihrer Disziplinargewalt Unabhängigkeit zu garantieren, um wenigstens eine weitgehende Angleichung des Einsatzdisziplinarrechtes an die Erfordernisse des Art. 6 Abs. 1 EMRK zu erreichen.[466]



[408] Österreichischer Vorbehalt zu Art 5 EMRK; vgl Neuhold/Hummer/Schreuer Handbuch2 2 244. Zur Entstehung des Vorbehaltes vgl Miehsler in Golsong ua Kommentar2 (Art 6 EMRK) 261 f. Als Beispiel für zahlreiche kritische Stimmen zum österreichischen Vorbehalt vgl Trechsel Menschenrechtskonvention 106 mwN. Zur jüngsten Rechtsprechung des EGMR zum österreichischen Vorbehalt zu Art 5 EMRK vgl EKMR App 13308/87: Otmar Chorherr v. Austria — Judgment (veröffentlicht in Publications Série A 266–B).

[409] Vgl Ermacora Grundriß 110–112, insb RZ 420 f. Das PersFrG steht im Verfassungsrang, die Bestimmungen der EMRK bleiben jedoch von ihm unberührt; vgl Art 8 Abs 3 PersFrG.

[410] Ebenso sind die Verwaltungsverfahrensgesetze gem Art 2 Abs 6 Z 7 EGVG auf Akte der militärischen Befehlsgewalt nicht anwendbar.

[411] Dies wiederum nur dann, wenn im HDG nichts anderes bestimmt ist; vgl § 23 S 1 HDG.

[412] Die Strafbestimmungen des HDG haben gegenüber jenen des AVG den Vorrang: lex specialis derogat legi generali. Das DVG (als spezielle Norm zum AVG) normiert dies in § 1 Abs 3.

[413] Herzog in EuGRZ 1978 540 lSp. Zu beachten ist, daß das damals in Geltung stehende HDG noch einen wesentlich umfangreicheren Strafkatalog gekannt hat; umso mehr muß diese Aussage für die derzeitige Rechtslage gelten.

[414] Vgl Herzog in EuGRZ 1978 540 lSp; Kopetzki in EuGRZ 1983 lSp; Miehsler in Golsong ua Kommentar2 (Art 6 EMRK) 276 RZ 710 sowie 711 iVm FN 6; Weissel Dissertation 91: „Die disziplinäre Verfolgung von Soldaten kann nicht Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens sein. Das HDG wird infolgedessen nicht durch den Vorbehalt zu Art 5 MRK erfaßt.” Vgl dazu auch §§ 142 und 151 BDG iVm § 1 Abs 3 DVG.

[415] Eine ausführliche Darstellung verschiedener österreichischer Argumentationen findet sich bei Weissel Dissertation 90–95.

[416] Vgl Trechsel in EuGRZ 1980 515 rSp: „la liberté d'aller et de venir”; Ermacora Grundriß 91 RZ 352.

[417] Art 5 Abs 1 EMRK spricht nur vom Entzug, nicht aber von der Beschränkung der Freiheit. Zur Beschränkung der Freizügigkeit vgl Art 2 4. ZProtEMRK. Freiheit ist ein relativer Begriff; dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, daß die Durchsetzung absoluter Freiheit an der absoluten Freiheit eines Dritten scheitern müßte. Für die Rechtmäßigkeit der Freiheitsbeschränkung ist ihre Verhältnismäßigkeit zum Eingriffszweck entscheidend.

[418] Selbstverständlich darf eine Einschränkung der persönlichen Freiheit nicht so weit gehen, daß sie einem Entzug gleichkommt. Die Aufzählung des Art 5 Abs 1 lit a–f EMRK ist taxativ; vgl Ermacora Grundriß 92 RZ 355 sowie Trechsel in EuGRZ 1980 FN 60a mwN.

[419] Vgl Weissel Dissertation 96 mwN; vgl Neuhold/Hummer/Schreuer Handbuch2 1 RZ 1317.

[420] Ein sklavisches Festhalten an diesem Ausdruck ist nicht zielführend; Art 5 Abs 1 EMRK wird wohl auch dann Genüge getan, wenn ein nicht zur Freiheitsentziehung Berechtigter eine rechtmäßige Festnahme ermöglicht. Vgl etwa Janowsky in JBl 1959 145 rSp mwN sowie § 86 Abs 2 StPO.

[421] Vgl Weissel Dissertation 97 mwN; Ermacora Grundriß 91 RZ 352; Trechsel in EuGRZ 1980 518 lSp. Vgl dazu auch die Bestimmungen des GRBG.

[422] Vgl Weissel Dissertation 97.

[423] Unbestritten ist, daß sich Art 5 und 6 EMRK nicht nur auf Staatsbürger, sondern auch auf Staatenlose, Ausländer und inländische wie ausländische juristische Personen (nicht aber bei einem Verfahren vor internationalen Organisationen) bezieht; vgl dazu etwa Berchtold in EuGRZ 1982 247 rSp sowie Peukert in EuGRZ 1980 251 lSp.

[424] Vgl Ermacora in JBl 1959 405 lSp. Vgl zu diesem Themenbereich auch Trechsel Menschenrechtskonvention 175–180 sowie ausführlich Isensee Grundrecht auf Sicherheit.

[425] Vgl hierzu die Ausführungen zum Engel–Urteil mwN oben B.7 sowie Trechsel in EuGRZ 1980 516 f. Zur Definition von Freiheitsentzug vgl etwa Trechsel Menschenrechtskonvention 180–186.

[426] Darüberhinaus ist auch die jeweilige nationale Rechtstechnik zu berücksichtigen; vgl Publications Série A vol 22 35 (EuGRZ 1976 232) Pkt 82 Abs 2.

[427] Herzog in EuGRZ 1978 538 lSp mwN; vgl Trechsel in EuGRZ 1980 515 rSp. Der EGMR verneint das Vorliegen von Freiheitsentzug im Sinne des Art 5 EMRK bei der Verhängung von „leichtem Arrest” für kurze Dauer (vgl Publications Série A vol 22 25 f [EuGRZ 1976 225] Pkt 61: „Aucune privation de liberté n'a découlé des trois et quatre jours d'arrêts simples ... ils restent, à peu de chose près, dans le cadre ordinaire de leur existence à l'armée”) sowie von „verschärftem Arrest” für etwa zwei Wochen (vgl Publications Série A vol 22 26 [EuGRZ 1976 225] Pkt 62: ”... mais ils ne sont pas incarcérés”); lediglich für den „strengen Arrest”, bei dem der Verurteilte eingesperrt und am Ableisten seines Dienstes gehindert wird („étaient écartés de l'accomplissement de leur service normal. ... Ils avaient donc un caractère privatif de liberté.”), sieht er als den von den Garantien der Konvention betroffenen Freiheitsentzug und nicht nur als Freiheitsbeschränkung an. Vgl dazu auch Kopetzki in EuGRZ 1983 177 FN 51 mwN.

[428] Vgl etwa Art 4 Abs 3 lit b (in Einzelfällen auch lit c), Art 8 Abs 2, Art 10 Abs 2 sowie Art 11 Abs 2 letzter HS EMRK.

[429] Vgl § 3 Abs 1 ADV: „Der Soldat hat auf Grund seiner Verantwortung für eine erfolgreiche Landesverteidigung jederzeit bereit zu sein, mit allen seinen Kräften den Dienst zu erfüllen.” Vgl auch BMLV Menschenrechte 7.

[430] Vgl § 38 Abs 1 WG: „Die Dienstzeit der zur Leistung des Präsenzdienstes im Bundesheer Einberufenen beginnt mit dem Tag, für den sie einberufen sind.” Unter Dienst sind gem § 2 Z 1 ADV „alle Verrichtungen, die der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Bundesheeres dienen, einschließlich der Maßnahmen, welche die notwendigen Voraussetzungen für diese Aufgabenerfüllung bilden”, zu verstehen. Auch Schlafzeiten sind daher Bereitschafts–, dh Dienstzeiten.

[431] Dies ist keinesfalls eine Eigentümlichkeit des Militärdienstes. Auch im Arbeitsrecht ergibt sich gem § 905 ABGB der Erfüllungsort entweder aus dem Standort des Betriebes (Werkstatt, Büro — Kaserne) oder aus Natur und Zweck des Dienstes (Montagefahrte, Dienstreisen — Ausrücken bei Übungen oder im Einsatz); vgl Floretta/Spielbüchler/Strasser Arbeitsrecht3 I 130 f; Mayerhofer Arbeitsrecht 14 f. Auch Arbeitszeitüberschreitungen in teilweise großem Ausmaß sind unter besonderen Umständen gerechtfertigt; vgl Floretta/Spielbüchler/Strasser Arbeitsrecht3 I 336–345. Gleiches gilt etwa für die arbeitsrechtlichen Treuepflichten (vgl Floretta/Spielbüchler/Strasser Arbeitsrecht3 I 144–156) und das Weisungsrecht des Arbeitgebers (vgl Floretta/Spielbüchler/Strasser Arbeitsrecht3 I 141–144), die durchaus Grundrechte wie etwa die Meinungsäußerungsfreiheit und die persönliche Freiheit einschränken. So kann etwa die Angestellte eines Nachtclubs nicht verlangen, tagsüber und ohne Belästigung durch Zigarettenrauch arbeiten, ihren Arbeitsplatz ohne triftigen Grund verlassen oder vor Gästen über die moralische Verwerflichkeit des Nachtlebens schimpfen zu dürfen.
Für das Bundesheer muß ein anderer Maßstab angesetzt werden: Der Arbeitnehmer trägt gegenüber dem Arbeitgeber eine geringere Verantwortung als der Soldat gegenüber der Republik Österreich (vgl dazu oben A.3.2 mwN); daher ist auch der notwendige Grundrechtseingriff ausschließlich im Verhältnis zu dieser jeweiligen Verantwortung und unter Bedachtnahme auf das legitime Ziel der Maßnahme zu rechtfertigen; vgl auch BMLV Menschenrechte 11–13.
Auch das Argument, daß Arbeitsplätze gewechselt, der Dienst im Bundesheer aber nicht vermieden werden kann, ist nicht stichhaltig. Sieht man von der allgemein in Europa zunehmend angespannten Arbeitsmarktlage ab, muß doch festgestellt werden, daß es nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht des Staates gegenüber seinen Staatsbürgern ist, für eine adäquate Vorbereitung der Bevölkerung für Krisenfälle aller Art Sorge zu tragen; vgl dazu Art 79 B–VG. Die Bestimmungen des § 2 WG sind nicht alleiniger Ausfluß dieser Bemühungen; neben der militärischen Komponente ist auch die Erhaltung ziviler, wirtschaftlicher und geistiger Strukturen im Sinne der ULV, wie sie in Österreich vorgesehen ist, dazuzuzählen. Zur ULV vgl ua Roniger Heer und Demokratie 31 sowie Art 9a B–VG.

[432] Über einen Soldaten, der dem Bundesheer aufgrund eines Dienstverhältnisses angehört, ist unter der Voraussetzung, daß entweder über ihn die Untersuchungshaft verhängt worden ist oder wegen der Schwere der ihm zur Last gelegten Pflichtverletzung sein Verbleiben im Dienst negative Folgen für Disziplin, Ansehen seines Amtes oder die Interessen des Dienstes nach sich ziehen kann, als nicht freiheitsentziehende Sicherungsmaßnahme die vorläufige Dienstenthebung gem § 39 Abs 1 Z 1 u 2 HDG zu verfügen.
Zur begrifflichen Unterscheidung zwischen Festnahme und Haft vgl Trechsel Menschenrechtskonvention 186–188.

[433] Art 5 Abs 1 lit c EMRK selbst verlangt lediglich einen „hinreichenden Verdacht” („reasonable suspicion”, „des raisons plausibles de soupçonner ...); die strengere Regelung des § 43 Abs 1 S 1 HDG wird der Tatsache gerecht, daß es sich bei der Mehrzahl der Disziplinarvergehen nicht um strafbare Handlungen iSd StGB oder MilStG handelt und daher die Schwelle für die Anwendung der vorläufigen Festnahme höher anzusetzen ist. Vgl Art 2 Abs 1 Z 3 PersFrG.

[434] § 43 Abs 1 Z 1 HDG; häufigster Anwendungsfall dieser Regelung ist die Festnahme insb alkoholisierter GWD nach unerlaubter Überschreitung der Ausgangs– oder Urlaubszeit.

[435]Vgl § 43 Abs 1 Z 2 u 3 HDG mit Art 5 Abs 1 lit c letzter Satz EMRK: „oder [wenn] begründeter Anlaß zu der annahme besteht, daß es notwendig ist, den Betreffenden an der Begehung einer strafbaren Handlung oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern” („when it is reasonably considered necessary to prevent his committing an offence or fleeing after having done so”; „ou qu'il y a des motifs raisonnables de croire à la nécessité de l'empêcher de commetre une infraction ou de s'enfuir après l'accomplissement de celle–ci”).
Anzumerken ist an dieser Stelle, daß die EMRK nicht von criminal offences bzw actes criminaux, also von Straftatbeständen spricht, sondern nur von offence und infraction, also von Vergehen, wie sie auch nach dem HDG geahndet werden.
Als Festnahmegrund gem § 43 Abs 1 Z 2 HDG reicht bereits die ernsthafte Ankündigung eines Fluchtversuches aus; dies va deshalb, weil der Festnehmende (insb die Wache) zum Waffengebrauch verpflichtet ist, sobald ein Fluchtversuch seiner Ansicht nach Aussicht auf Erfolg hat. Vgl dazu Art 2 Abs 2 lit b EMRK; vgl dazu die ergänzenden Bestimmungen zum Waffengebrauch im Anhang zur ADV iVm §§ 22–28 ADV sowie Müller Zulässigkeit 135; im nicht– militärischen Bereich spricht das Gesetz nur von der Berechtigung zum Waffengebrauch — vgl etwa § 2 Z 3 WaffGebrG. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgend, ist der kurzzeitige Entzug der persönlichen Freiheit dem weniger schwerwiegenden Waffengebrauch sicherlich der Vorzug zu geben.

[436] „Jede nach der Vorschrift des Abs. 1 c dieses Artikels festgenommene ... Person ...”.

[437] Art 5 Abs 3 HS 2 EMRK: „... einem Richter oder einem anderen, gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen ermächtigten Beamten vorgeführt werden” („shall be brought ... before a judge or other officer authorised by law to exercise judicial power”; „doit être ... traduite devant un juge ou un autre magistrat habilité par la loi à exercer de fonctions judiciaires”); vgl dazu Trechsel in EuGRZ 1980 525 rSp.

[438] Vielmehr besteht im militärischen Alltag zuweilen die Gefahr allzu schneller und daher oberflächlicher und verfehlter disziplinärer Verfahren, die zu den unter A.3.2.2 beschriebenen negativen Folgen führen können.

[439] § 43 Abs 6 S 2 HDG.

[440] Etwa durch Feststellung seiner Identität (§ 43 Abs 1 Z 1 HDG), durch ernsthafte und glaubwürdige Zusicherung, sich der disziplinären Verfolgung nicht entziehen zu wollen (§ 43 Abs 1 Z 2 HDG) oder durch Einstellung der Pflichtverletzung (etwa durch Aufgabe der Befehlsverweigerung; § 43 Abs 1 Z 3 HDG).

[441] Neben der Erfüllung der Konventionsauflagen ist der Sinn dieser Bestimmung darin zu sehen, den zu disziplinierenden Soldaten möglichst rasch wieder seinem Dienst zuzuführen.

[442] Vgl Art 4 Abs 6 PersFrG. Lediglich durch den Beschuldigten herbeigeführte Umstände — wie zB starke Alkoholisierung — rechtfertigen Verzögerungen, keinesfalls aber die Unterlassung der Information.

[443] Die zit EMRK–Bestimmung bezieht sich nur auf ein Prüfungsrecht während der Haft, da sonst im Falle ihrer Widerrechtlichkeit die Entlassung des Betroffenen nicht mehr angeordnet werden kann.
Vgl dazu auch die Fristen der §§ 179 Abs 5 u 6 sowie 180 Abs 4 StPO. Im HDG ist eine Haftprüfungsverhandlung nicht vorgesehen. Für den Fall der nachträglichen Beschwerde nach dem GRBG ist die vorläufige Festnahme gem § 43 Abs 3 HDG dem Bundesminister für Landesverteidigung zuzurechnen.

[444] Vgl Art 4 Abs 7 PersFrG.

[445] Vgl Art 1 Abs 4 PersFrG; beachte auch § 44 Abs 2 HDG. Aufgrund des Verfassungsranges des PersFrG ist es nicht zulässig, die Bestimmung des § 43 Abs 8 S 2 HDG („Er [der Festgenommene; Anm] hat alles zu unterlassen, was die Sicherheit und Ordnung während der Dauer der vorläufigen Festnahme gefährden könnte”) dahingehend auszulegen, ein diese Norm nicht beachtendes Verhalten des Festgenommenen rechtfertige das Außerachtlassen von Art 1 Abs 4 PersFrG; vielmehr sind die im Sinne dieser Bestimmung angemessenen, dh verhältnismäßigen Maßnahmen zu ergreifen. In diesem Sinne ist auch § 44 Abs 1 HDG als Präventivmaßnahme zu sehen.

[446] Auf die — ebenfalls in § 81 Abs 3 HDG geregelte — Disziplinarhaft soll hier nicht näher eingegangen werden, da sie nur eine Freiheitsbeschränkung, nicht aber einen Freiheitsentzug darstellt; vgl oben G.4.1.
Das Einsatzdisziplinarrecht wird in der Literatur nur selten behandelt. Dies verwundert umso mehr, als das Österreichische Bundesheer seit Herbst 1990 ununterbrochen Grenzsicherungseinsätze durchführt; vgl dazu Roniger Heer und Demokratie 116 f.

[447] Dies va deswegen, weil während eines Einsatzes jede gröbere Pflichtverletzung, von wem auch immer sie begangen wird, weitreichende negative Auswirkungen auf Gesundheit und Leben anderer Soldaten nach sich ziehen kann.

[448] Und nur für solche Pflichtverletzungen! Vgl § 81 Abs 5 Z 1 u 2 HDG.

[449] Zum anzuwendenden Einsatzbegriff vgl § 80 Abs 2 HDG, der über § 2 Abs 1 Z 1 u 2 WG hinausgeht.

[450] Vgl HDG–Erl zum 1. Hauptstück des Schlußteils des HDG 2. Eine nicht zu bevorzugende Alternative im Kriegsfall wäre die Aufstellung von Arbeitslagern und Strafbataillonen, wie sie im Zweiten Weltkrieg ua bei der Deutschen Wehrmacht eingerichtet gewesen sind. Eine derartige Strafe ist idR einem Todesurteil gleichgekommen. Vgl Seidler Militärgerichtsbarkeit 67–96 sowie 135–170.

[451] Ein umgehender Strafprozeß wird aus organisatorischen Gründen während eines Einsatzes idR nicht möglich sein, wohl aber kann er nach dem Einsatz nachgeholt werden. Dann erst sind auch nötigenfalls zu verhängende längere Haftstrafen sinnvoll; andernfalls wäre den Soldaten die Möglichkeit gegeben, die Gefahren des Einsatzes durch Pflichtverletzungen zu umgehen.
Zum Problem strafrechtlich relevanter Tatbestände und ihrer Beurteilung (ausschließlich) in einem Disziplinarverfahren beachte aber Herzog in EuGRZ 1978 541 lSp sowie die Ausführungen des EGMR im Fall Engel ua Pkt 81 Abs 3 („La Convention permet sans nul doute aux Etats, dans l'accomplissement de leur rôle de gardiens de l'intérêt public, de maintenir ou établir une distiction entre droit pénal et droit disciplinaire ainsi que d'en fixe le tracé, mais seulement sous certaines conditions. ...”) und Abs 4 („Si les Etats contractants pouvaient à leur guise qualifier une infraction de disciplinaire plutôt que de pénale, ou poursuivre l'auteur d'une infraction «mixte» sur le plan disciplinarie de préférence à la voie pénale, le jeu des clauses fondamentales des articles 6 et 7 se trouverait subordonné à leur volonté souveraine. Une latitude aussi étendue risquerait de conduire à des résultats incompatibles avec le but et l'objet de la Convention. La Cour a donc compétence pour s'assurer, sur le terrain de l'article 6 et en dehors même des articles 17 et 18, que le disciplinaire n'empiète pas indûment sur le pénal.”; vgl Publications Série A vol 22 34.
Beachte hierzu auch Pkt 82 Abs 3 („Si un militaire se voit reprocher une action ou omission qui aurait transgressé une norme juridique régissant le fonctionnement des forces armées, l'Etat peut en principe utiliser contre lui le droit disciplinaire plutôt que le droit pénal.”), aber auch Abs 4 („Là ne s'arrête pourtant pas le contrôle de la Cour. Il se réléverait en général illusoire s'il prenait pas également en considération le degré de sévérité de la sanction que risque de subir l'intéressé.”); vgl Publications Série A vol 22 35.

[452] 21 Tage à 24 Stunden; vgl § 81 Abs 4 S 2 HDG. Sinn dees Disziplinararrestes im Einsatzfall ist va die Separierung des pflichtverletzenden von anderen Soldaten, um einer Ausbreitung von Disziplinlosigkeit zu begegnen. Ein länger andauernder Arrest wäre nicht zielführend, da einerseits der Soldat so rasch wie möglich wieder am normalen Dienst teilnehmen soll, andererseits aber die Gefahr bestünde, daß Soldaten versuchen, dem Einsatzdienst und den damit verbundenen Risiken durch Begehung von Pflichtverletzungen und Hinnahme der damit verbundenen freiheitsbeschränkenden oder — entziehenden Maßnahmen zu entgehen; vgl dazu auch kritisch Waldner Diplomarbeit 73.
Der EGMR hat sich mit dem österreichischen HDG noch nicht beschäftigen müssen; seine Argumentation im Fall Engel ua legt jedoch den Schluß nahe, daß der Disziplinararrest in seinem Höchstmaß von 504 Stunden zumindest als Strafersatz für eine während eines Einsatzes eventuell unmöglich strafgerichtliche Sanktion gedacht ist.
21 Tage Arrest im Sinne einer Bedenkzeit für einen pflichtverletzenden Soldaten zur Wiedereingliederung in die Disziplin und Ordnung (dies sollte der Zweck eines Disziplinarverfahrens va während eines Einsatzes sein!) erscheinen trotz der zu berücksichtigenden militärischen Notwendigkeiten übertrieben. Um den Verdacht eines strafrechtlichen Charakters dieser Sanktion zu vermeiden, erscheint es angebracht, die höchstzulässige Dauer des Disziplinararrestes auf 14 Tage, also auf maximal 336 Stunden herabzusetzen.

[453] Vgl Trechsel in EuGRZ 1980 523 rSp.

[454] Publications Série A vol 22 28 (EuGRZ 1976 227) Pkt 69 Abs 3: „La Cour estime que les mots «garantir l'exécution d'une obligation prescrite par la loi» concernent seulement les cas où la loi autorise à détenir quelqu'un pour le forcer à exécuter une obligation spécifique et concrète qu'il a négligé jusqu'ici de remplir. Une interprétation extensive entraînerait des résultats incompatibles avec l'idée de prééminence du droit dont s'inspire la Convention tout entière ...”

[455] Vgl auch Trechsel in EuGRZ 1980 524 lSp.

[456] Zu diesem Begriff vgl Trechsel in EuGRZ 1980 523 rSp.

[457] „Lawful” bzw „régulièrement”; vgl dazu Janowsky in JBl 1959 146 lSp. Die Rechtmäßigkeit einer Verurteilung kann nur im Einzelfall geprüft werden.

[458] So der Grundtenor in HDG–Erl zum 1. Hauptstück des Schlußteils des HDG 3.

[459] Vgl oben G.2.

[460] Zu den österreichischen Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag, die nach Art 133 Z 4 B–VG eingerichtet sind und sowohl vom VfGH als auch vom EGMR als „Gericht” iSd Art 6 Abs 1 EMRK akzeptiert werden, vgl ua Walter/Mayer Grundriß7 RZ 699. Während die Organisation der Disziplinarkommissionen des HDG sowie die Stellung ihrer Mitglieder durchaus diesen Erfordernissen entspricht, kann von einer (einigermaßen) richterlichen Ausbildung zumindest eines rechtskundigen Kommissionsmitgliedes in der Praxis generell nicht gesprochen werden; in jedem Fall ist eine intensivere, dh auch theoretische Ausbildung der zur Disziplinarentscheidung berufenen Personen unbedingt zu fordern.

[461] Vgl HDG–Erl zum 1. Hauptstück des Schlußteils des HDG 4.

[462] Vgl dazu Herzog in EuGRZ 1978 540 f.

[463] Vgl dazu Kopetzki in EuGRZ 1983 177 mwN. Dieser Mangel der Unabhängigkeit wird auch durch Art 3 Abs 3 PersFrG nicht beseitigt, welcher der Anfechtung einer Disziplinarverfügung, die von einer nicht unabhängigen Behörde ausgesprochen wird, aufschiebende Wirkung zuerkennt; der in zweiter Instanz zur Entscheidung berufene Disziplinarvorgesetzte ist in Zusammenhang mit der EMRK ebenfalls nicht als unabhängig zu bezeichnen.
Zum Tribunalbegriff der EMRK vgl ausführlicher Walter/Mayer Grundriß7 RZ 1480–1487/1 sowie Vogler in Golsong ua Kommentar2 (Art 6 EMRK) 88–102 bis RZ 308 mwN.

[464] Vgl dazu die Ausführungen des EGMR im Fall Engel ua in Publications Série A vol 22 33 (EuGRZ 1976 231) Pkt 80 Abs 1: „Tous les Etats contractants distinguent de longue date, encore que sous des formes et à des degrés divers, entre poursuites disciplinaires et poursuites pénales. Pour les individus qu'elles visent, les premières offrent d'habitude sur les secondes des avantages substantiels, par example quant aux condamnations infligées: en général moins lourdes, celles–ci ne figurent pas au casier judiciaire et entraînent des conséquences plus limitées. ...”

[465] Vgl dazu Publications Série A vol 22 33 (EuGRZ 1976 231) Pkt 80 Abs 1 letzter Satz („Il peut cependant en aller autrement; ...”) sowie Trechsel in EuGRZ 1980 524 rSp.

[466] Selbstverständlich setzt dies die bereits angesprochene adäquate Ausbildung der zur Disziplinarentscheidung berufenen Personen voraus.






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