„Es hindert die gerichtliche Ahndung einer Tat nicht,
Neben dem allgemeinen materiellen Strafrecht sind für den Soldaten das MilStG[384] sowie die strafrechtlichen Bestimmungen der §§ 57 und 58 Abs. 1 WG[385] von besonderer Bedeutung. Die Notwendigkeit militärstrafrechtlicher Sondernormen ergibt sich sowohl aus dem berechtigten öffentlichen Interesse an einer funktionierenden militärischen Landesverteidigung,[386] die durch die Einhaltung besonderer Ordnungsvorschriften[387] und durch abschreckende Ahndung aller Taten, die geeignet oder dazu bestimmt sind, die Landesverteidigung zu behindern oder zu vereiteln, gewährleistet werden soll, sowie aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Soldaten vor Straftaten ihrer Kameraden[388] sowie vor Willkür ihrer Vorgesetzten.[389]
Gemäß Art 84 B–VG ist die Militärgerichtsbarkeit im Frieden aufgehoben.[390] Dem entspricht die Regelung des § 500 StPO, der einerseits alle Soldaten im Frieden der Strafgerichtsbarkeit bürgerlicher Gerichte[391] und — mit Ausnahme der Sonderregelungen der §§ 501 bis 506 StPO[392] — den allgemeinen Vorschriften für das Strafverfahren[393] unterstellt.
Prinzipiell ist die Durchführung eines militärischen Disziplinarverfahrens kein Hindernis für die gerichtliche Ahndung einer Straftat. Diese generelle Aussage des § 501 Abs. 1 StPO wird jedoch durch § 501 Abs 2 StPO sowie durch § 5 HDG[394] mit dem Ziel, eine Doppelbestrafung minder strafwürdiger Taten möglichst zu vermeiden, eingeschränkt.[395] Die Disziplinarbehörde ist an die in einem rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteil ausgesprochenen positiven wie negativen Tatsachenfeststellungen gebunden.[396]
Bei Gefahr in Verzug[397] sind, soweit die Voraussetzungen des § 502 Abs. 1 Z. 1 und 2 erfüllt sind, militärische Kommandanten, Orts– und Unterkunftskommandanten, deren beauftragte Gehilfen sowie militärischen Wachen ermächtigt, eine vorläufige Verwahrung eines einer strafbaren Handlungen Verdächtigen zum Zwecke der Vorführung vor einen Untersuchungsrichter durchzuführen.[398]
Jede Ladung,[399] Ver– oder Enthaftung, Anordnung des Strafvollzuges gegen einen Soldaten ist dessen unmittelbar vorgesetztem Kommando, jede Einleitung eines Strafverfahrens gegen einen Soldaten dessen Disziplinarvorgesetzten bekanntzugeben.[400] |
[382] Da die §§ 504–506 StPO in Hinblick auf Art 5 und 6
EMRK nicht relevant sind, wird auf sie in dieser Arbeit nicht
näher eingegangen.
[383] § 501 Abs 1 StPO. [384] Im Gegensatz zu § 259 StGB (Beteiligung an
militärischen strafbaren Handlungen), der nur Zivilpersonen
betrifft, und § 260 StGB (Wehrmittelsabotage), der auf jedermann
angewendet werden kann, gelten die Bestimmungen des MilStG weitgehend
nur für Soldaten (§ 1 S 1 MilStG). Es behandelt
ausschließlich militärische Straftatbestände.
„Die allgemeinen Strafgesetze finden auf Soldaten insoweit
Anwendung, als dieses Bundesgesetz keine besonderen Bestimmungen
enthält.” (§ 1 S 2 MilStG)
[385] Die übrigen Strafbestimmungen des WG behandeln Verwaltungsübertretungen (vgl §§ 59–63 WG); für die Ahndung ist gem § 64 WG jene Bezirksverwaltungsbehörde, „zu deren örtlichen Wirkungsbereich der Aufenthalt des Beschuldigten gehört, wenn aber dieser Ort zum örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde gehört, diese Behörde zuständig.” [386] Dazu gehört zB die Erfüllung der Wehrpflicht; vgl §§ 7–11 MilStG sowie § 38 Abs 1–4 MilStG. [387] Vgl dazu auch die Ausführungen zur Disziplin oben A. Zu
den Straftaten gegen die militärische Ordnung vgl etwa
§§ 12–23 MilStG. Zum berechtigten öffentlichen
Interesse vgl auch oben B.10.
[388] Vgl dazu §§ 31 Abs 2 u 38 Abs 1 MilStG. [389] Vgl dazu §§ 33–37 MilStG sowie § 38 MilStG. Beachte auch §§ 24 f MilStG. [390] Art 84 B–VG ermöglicht die Militärgerichtsbarkeit
(Militärstrafprozeßordnung und Militärgerichte)
für Kriegszeiten; die Einrichtung einer solchen ist zwar denkbar
(vgl Hirschmugl Diplomarbeit 72–75), jedoch zur Zeit weder
vorgesehen noch in ihrer Organisation geplant; vgl dazu Roniger
Heer und Demokratie 161–163 mwN. Zur Zulässigkeit von
Militärgerichten vgl Miehsler/Vogler in Golsong ua
Kommentar2 (Art 6 EMRK) 91 RZ 291.
[391] § 500 Abs 1 StPO. [392] Beachte aber auch die Bestimmungen der §§ 3 u 5 MilStG sowie § 15 ZustellG. [393] § 500 Abs 2 StPO. [394] § 5 HDG bezieht sich nicht nur auf gerichtlich, sondern auch auf verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen. [395] So ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs 1 Z
1–3 iVm § 5 Abs 1 S 2 HDG von einer disziplinären
Verfolgung ganz abzusehen. Bei einem Vergehen nach dem MilStG, das
mit einer maximalen Freiheitsstrafe von 6 Monaten bedroht ist, hat
eine unverzügliche Ahndung der Tat stattzufinden (§ 5 Abs 4
S 1 HDG), was zur Folge hat, daß ein gerichtliches Verfahren
nicht eingeleitet bzw nicht fortgesetzt werden darf (§ 501 Abs 2
S 1 StPO). Droht dem Beschuldigten nach dem MilStG eine
Freiheitsstrafe zwisschen 6 Monaten und 2 Jahren, ist das
Disziplinarverfahren ebenfalls unverzüglich durchzuführen,
wenn dies zur Aufrechterhaltung von Disziplin und Ordnung notwendig
erscheint (§ 5 Abs 5 S 2 HDG); in diesem Fall kann das
Gericht aus Zweckmäßigkeitsgründen die Einleitung bzw
Fortsetzung des Strafverfahrens verschieben (§ 501 Abs 2 S 2
StPO).
[396] Vgl § 5 Abs 2 HDG. Isoliert betrachtet mag diese Norm eine Verletzung des Gebotes der Unschuldsvermutung darstellen; sie ist jedoch im Zusammenhang mit dem vorangehenden strafgerichtlichen Prozeß zu sehen, der ja gerade die (rechtskräftige) Feststellung einer Pflichtverletzung und der Schuld des Verdächtigen zum Gegenstand hat. Ergeben sich hingegen während des Disziplinarverfahrens (oder auch danach) neue, den Beschuldigten entlastende Beweise, so ist das Strafverfahren wiederaufzunehmen (vgl § 353 f StPO), wodurch ein allfälliges Disziplinarverfahren nichtig wird, da ihm seine materielle Grundlage entzogen worden ist. [397] § 502 Abs 1 StPO weist ausdrücklich auf die Bestimmungen des § 177 StPO hin. Vgl oben C.1.1. [398] Vgl Foregger/Kodek StPO6 653 f. Zum Festnahmerecht der Wachen vgl die Bestimmungen zum Wachdienst im Anhang zu den ADV iVm § 577 Abs 1 u 2 StG, der aufgrund Art 1 Z 8 S 2 MilStG (III. Hauptstück) noch in Geltung ist. [399] Beachte § 503 Abs 1 HS 2 StPO iVm § 4 sowie § 5 Abs 5 HDG. [400] § 503 Abs 1 u 2 StPO; zu den Mitteilungspflichten beachte darüberhinaus auch § 503 Abs 3 u 4 sowie § 504 StPO. |
Ganz nach oben ...
Die Besucherstatistik
Version Nr. 2/2016 vom 14. August 2016
Zum Textbeginn ...
für diese Seiten seit
29. April 2005:
XStat.de
Für den Inhalt verantwortlich: Christoph M. Ledel
© 1994/1998–2016 by Christoph M. Ledel — Wien / Österreich
Alle Rechte vorbehalten! — All Rights Reserved! — Touts droits réservés!