Das österreichische Militärstraf- und Heeresdisziplinarrecht
im Lichte von Art. 5 und 6 EMRK

A Disziplin — Sinn und Unsinn

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„Autorität von oben und Gehorsam von unten,
mit einem Wort, Disziplin ist die Seele der Armee.”
[10]


1 Allgemeines


Disziplin ist ein vielbenutztes Wort, das mit einer gewissen Selbstverständlichkeit gebraucht wird. Kaum jemand denkt über die Tatsache weiter nach, daß ein Orchester ohne Disziplin aus dem Takt kommen, eine Schülergemeinschaft ohne Disziplin nichts lernen und eine Armee ohne Disziplin unfähig sein würde, ihren Auftrag zu erfüllen.

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff oft mit „blindem” oder „absolutem Gehorsam” gleichgesetzt, was aber heute nicht mehr zutreffend ist. Verschiedene Bestimmungen des Wehrrechtes machen deutlich, daß vom österreichischen Soldaten sehr wohl ein Mitdenken bei der Ausführung von Befehlen erwartet wird.[11] Daher ist Löffler zuzustimmen, wenn er Disziplin und Gehorsam begrifflich und inhaltlich voneinander trennt.[12]

Zunehmend wird auch der Inhalt des Begriffes Disziplin von einer Einzeltugend auf ein Gemeinschaftserfordernis verlagert; auch diese Interpretation kann, wie zu zeigen sein wird, seiner wahren Bedeutung nicht gerecht werden.

Bevor daher das Verhältnis des österreichischen Militärstraf- und Heeresdisziplinarrechts zu einzelnen Bestimmungen der EMRK untersucht wird, erscheint es notwendig, nach einer zeitgemäßen Definition der Disziplin zu suchen.[13]


2 Definitionen


2.1 Disziplin im Wandel der Zeit

Das Wort Disziplin kommt alleinstehend in den ADV nur dreimal[14], im HDG an vier Stellen[15] vor. Eine Legaldefinition dieses Begriffes ist dem österreichischen Recht fremd, obwohl es hier um eines der wichtigsten Themen nicht nur eines Heeres, sondern auch des gesellschaftlichen Zusammenlebens überhaupt geht. Die meisten juristisch geprägten Interpretationen sind ungenau, verfehlen den Kern oder sind zu eng gefaßt.[16]

Ein Blick in Lexika aus vergangener[17] und heutiger Zeit[18] lohnt sich. Ein Vergleich solcher Begriffsbestimmungen verdeutlicht, wie sehr sich das Verständnis von Disziplin in nur etwas mehr als einem Jahrhundert verändert hat.

Der Wertewandel, der sich nicht nur in der Knappheit moderner Definitionen, sondern auch inhaltlich durch den Wegfall der Begriffe „Subordination”, „unbedingter Gehorsam” sowie der Feststellung einer obrigkeitlichen Bindung[19] äußert, ist einerseits auf das Erlebnis des Mißbrauchs der Disziplin (in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts), andererseits auf die Demokratisierung großer Teile Europas seit 1945 zurückzuführen.

Die Liberalisierungen der sechziger und siebziger Jahre haben die Loslösung des Begriffes aus seinem gesellschaftlichen Konnex bewirkt und mit den Forderungen nach hochgradiger Beseitigung von Werten wie Autorität und Disziplin weit über das Ziel hinausgeschossen. Anstelle einer Verbesserung des Systems von Rechten und Pflichten innerhalb des Staates wurde der Versuch unternommen, den Pflichtteil zu minimieren, ohne zu bedenken, daß dies in letzter Konsequenz zu einer entwürdigenden Entmündigung und Entrechtung des einzelnen Staatsbürgers führt.

Erst den konservativeren Strömungen der achtziger Jahre[20] gelang es einigermaßen, den Menschen der westlichen Welt wieder ins Bewußtsein zu rufen, daß es in einer funktionierenden, an demokratischen Grundprinzipien orientierten Gesellschaft gewisser Werte wie Recht, Freiheit, Disziplin und Ordnung bedarf, daß es für den Einzelbürger keine Rechte ohne ein jeweils gleiches Maß an Pflichten geben kann und daß die oben angesprochenen Liberalisierungen, die oft nur aus simplen ideologisch–taktischen Überlegungen vorangetrieben worden sind, durch Übertreibung und Maßlosigkeit in letzter Konsequenz zu Chaos und Anarchie führen.[21]


2.2 Disziplin heute

Der gesellschaftliche Zusammenschluß von Menschen zu einem Staat[22] mit einer demokratischen Regierungsform erfordert freiwillige Unterwerfung[23] unter eine gemeinsame Ordnung und Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen im Handeln. Erst das allgemeine Akzeptieren einer gewachsenen Ordnung als vorbildlich und verbindlich ermöglicht die Entstehung von „Recht”, ein aus Gewohnheit und Moral entstandener Normenkomplex, der die beiden genannten Komponenten gesellschaftlichen Lebens ergänzt und das äußere Verhalten seiner Angehörigen untereinander regelt.[24] Dieser Zusammenschluß hat neben der Weiterentwicklung von Staat und Gesellschaft vor allem die Verbesserung des Wohls seiner Mitglieder — seiner Basis — zum Ziel; diese beiden Komponenten — die Entwicklung der gesellschaftlichen Situation im Staat einerseits sowie die Förderung der Einzelpersönlichkeit andererseits — bedingen einander ebenso, wie dies Rechte und Pflichten der Menschen untereinander sowie im Verhältnis zum Staat tun.

Ohne die allgemeine, von der überwältigenden Mehrheit der Angehörigen eines gesellschaftlichen Verbandes getragenen persönlichen[25] Überzeugung von der Notwendigkeit freiwilliger Unterwerfung unter die zur Regelung der erwähnten Interdependenzen aufgestellten Normen im weiteren Sinne[26] ist dieser Verband nicht in der Lage, eine auf Sitte und Moral basierende Ordnung zu entwickeln und damit Rechtssicherheit zu erzeugen mit dem Ziel, das Gesellschafts– und Rechtsempfinden seiner Mitglieder zu fördern, so die Weiterverfolgung des gesellschaftlichen Zieles sicherzustellen und dem Abgleiten in Chaos und Anarchie wirksam vorzubeugen.


2.3 Der Charakter der Disziplin

Hier wird deutlich, warum Disziplin nichts mit „blindem Gehorsam” zu tun haben kann: Sie ist nämlich eine Unterwerfung unter eine Autorität aus eigenem Antrieb,[27] selbst dann, wenn diese aufgrund gesetzlicher Ermächtigung erzwungen werden könnte. Es ist zu unterscheiden die Disziplin — als Unterwerfung dem Sinn einer Anordnung, dem Dienstzweck gegenüber — vom Gehorsam — als Ausfluß der Disziplin — dem Vorgesetzten gegenüber, von dem bekannt ist, daß er sich ebenfalls in vorbildlicher Art dem Dienstzweck zu unterwerfen hat.[28]

Disziplin — oder ihr Fehlen! — sowie die entsprechenden Folgen treten vorwiegend dann augenfällig in Erscheinung, wenn die unmittelbare Durchsetzung der Disziplin (vorübergehend) nicht möglich ist. So wird es aus praktischen Gründen unmöglich sein, einen Chirurgen während einer Operation für Disziplinlosigkeit zur Verantwortung zu ziehen; gleiches gilt für einen Soldaten während eines Kampfeinsatzes. Deutlich gemacht werden kann diese Aussage auch in Bezug auf den Straßenverkehr: Gerade dort, wo Autofahrer wissen, daß ihre Geschwindigkeit nicht überprüft wird, zeigt sich deren Disziplin, wenn sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschreiten. Der zeitweilige Mangel an ihrer sofortigen Durchsetzbarkeit indiziert die Freiwilligkeit der Unterwerfung unter den Sinn der Norm — im letzten Fall wäre dies die Unfallverhütung — als Wesensmerkmal der Disziplin. Disziplinäre Strafgewalt wird danach nur jene treffen können und dürfen, die sich undiszipliniert verhalten haben.[29]

Es ist daher Scheitlin zuzustimmen, wenn er über die militärische Ausbildung und die Verantwortung des Vorgesetzten schreibt: „... Es handelt sich gar nicht um Erziehung zum Gehorsam, sondern um Erziehung zur Pflichterfüllung. ... Wenn der Unbeaufsichtigte in Arbeit und Gehaben schlampig wird, besitzt er keine Disziplin, denn Disziplin ist Pflichterfüllung aus eigener Einsicht und nicht blindes Gehorchen.”[30] Und weiter unten: „Disziplin hat ethischen, sittlichen, moralischen Charakter. ... Dabei müßte es sich also darum handeln, den Menschen zu lehren, seinen Hang zur Neigung zu zügeln und dafür seinen Geist, seinen Gemeinschaftswillen, seine Selbstzucht, seine Kraft zur Pflichterfüllung zu fördern und ins Werk zu setzen.”[31]


2.4 Versuch einer allgemeinen Begriffsbestimmung

Aus dem oben Gesagten folgt, daß Disziplin Ausfluß ist eines gesellschaftlichen Gewissens, einer Auslegungshilfe für die relativ starren — in der Regel gesatzten — Rechtsnormen. Ziel der Disziplin ist die Stabilität einer Gesellschaft oder Organisation; Disziplin enthält daher ein großes Maß an Konservativismus in Hinblick auf ihr Ziel, schafft aber andererseits innerhalb des Normensystems auch Freiraum für jene Dynamik, die ein gesellschaftlicher Verband zu seiner Entwicklung benötigt.[32]


3 Das richtige Maß


3.1 Allgemeines

Bereits die Frage nach einem „richtigen Maß” zeigt an, daß Disziplin keine feste, sondern eine relative Größe ist. Das bedeutet, daß der Grad an Disziplin, der vom Mitglied der Gesellschaft — einem Bürger — erwartet werden kann, variiert und von seiner jeweils persönlichen Situation abhängt.

Ein einfaches Beispiel, nämlich die Trinkdisziplin bei Alkoholgenuß, möge dies veranschaulichen:

Der Gast einer Party sollte — simplen Benimmregeln entsprechend — darauf achten, sich nicht zu betrinken.[33] Fährt er aber danach noch mit einem Kraftfahrzeut, wird von der Rechtsordnung erwartet, daß er die 0,8–Promillegrenze zumindest nicht überschreitet.[34] Handelt es sich jedoch beim Betreffenden beispielsweise um einen Chirurgen, der weiß, daß er nach der Erfüllung seiner gesellschaftlichen Verpflichtungen noch eine Operation durchzuführen hat, so wird von ihm allgemein erwartet, daß er — im Interesse seines Patienten — vor dieser Operation überhaupt keinen Alkohol zu sich nimmt.[35]

Der Grad der notwendigen Disziplin ist somit direkt proportional zu dem Maß an Verantwortung, das der einzelne, eine Gruppe oder Organisation den Mitmenschen beziehungsweise der Gesellschaft gegenüber übernommen hat. Ohne Belang ist dabei, ob die Verantwortungsübernahme aufgrund gesellschaftlicher Konventionen, verwaltungsrechtlicher Weisungen oder sonstiger gesetzlicher Verpflichtungen geschehen ist; das Ziel der Disziplin stellt nicht darauf ab.


3.2 Die Bedeutung der Disziplin für ein Heer

Entsprechend der enormen Verantwortung,[36] die ein Heer für die Sicherheit eines demokratisch orientierten Staatsgefüges hat, sind auch die Anforderungen an die Disziplin innerhalb des Heeres von besonderer, nämlich zweierlei Art.


3.2.1 Äußere militärische Disziplin

Nach außen wahrnehmbare militärische Disziplin tritt nur in den von Art. 79 B–VG genannten Einsatzfällen[37] zutage. Sie hat die Aufgabe, die bürgerliche Disziplin zu stärken und — da diese in der extremen Krise regelmäßig Zerfallserscheinungen ausgesetzt ist beziehungsweise durch die Auswirkungen der Krise unmöglich werden kann — nötigenfalls zu ersetzen.[38] Sie ist ein Ergebnis der inneren militärischen Disziplin.


3.2.2 Innere militärische Disziplin

Sie dient dazu, die Soldaten auf den Einsatzfall vorzubereiten, das heißt höchste Einsatzbereitschaft zu gewährleisten.

Da dies umso schwieriger ist, je seltener die Dienste des Heeres in Anspruch genommen werden, erfordert der Umgang mit Disziplin und disziplinären Maßnahmen ein besonderes Feingefühl aller Vorgesetzten, insbesondere aber der Ausbildner.

Das äußerste Maß an innerer militärischer Disziplin bestimmt sich nach dem Zweck, der durch die Disziplin erreicht werden soll; ein Zuviel an disziplinären Anforderungen stellt diese im Lauf der Zeit vor den Zweck, was eine Aushöhlung und Verselbständigung der Truppendisziplin und in weiterer Folge ihren Zusammenbruch (besonders in Zeiten der Krise) nach sich zieht, wie dies die Armeen diktatorisch regierter Staaten oft bewiesen haben.

Ein zu geringes Maß an Disziplin jedoch führt schon von Anfang an zur Zweckverfehlung.[39] Sie resultiert in mangelnder Vorbereitung, die geforderte Einsatzbereitschaft kann nicht gewährleistet werden.


3.2.3 Der Weg zu richtigen Maß

In einer demokratischen Gesellschaft spielen Begründungen eine wichtige Rolle. So muß beispielsweise jedes Urteil eines ordentlichen Gerichtes seine adäquate Begründung enthalten.[40] Sie erleichtern auch dem Laien das Verständnis, verhindern seine Degradierung zum bloßen Befehlsempfänger, ermöglichen ein gewisses Maß an Transparenz und fördern so jene Freiwilligkeit, auf der die Disziplin beruht.

Da aber ausführliche Begründungen der notwendigen Straffheit der Organisation im militärischen Bereich in manchen Situationen hinderlich wäre, können sie durch nach Möglichkeit ausreichende[41] Informationen (in knapper Form) ersetzt werden.[42]

Grundlegend von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die generelle Norm des § 5 ADV, der ebenfalls in diesem Sinne zu verstehen ist. Je besser nämlich der Soldat nicht nur über den Zweck eines Befehls, sondern über das zu seiner Erreichung notwendige Ausmaß der von ihm verlangten Disziplin informiert ist, desto leichter ist er zu motivieren, desto effizienter wird dieser Zweck erreicht. Ein Mangel an Information, Machtgehabe von Vorgesetzten, mehr oder minder gezielte Fehlinformationen verhindern die Zweckerreichung durch Demotivation.[43]


3.2.4 Graduelle Abstufen von Disziplin innerhalb des Heeres

Im Gegensatz zur Befehlsgewalt und der damit verbundenen Notwendigkeit des Gehorsams kann es bei der Disziplin innerhalb der jeweiligen Truppe wie auch außerhalb des Heeres insgesamt keine Abstufungen geben. Die „Allgemeinen Pflichten des Soldaten”[44] treffen jeden Vorgesetzten und jeden Untergebenen gleichermaßen. Unterschieden werden kann jedoch die Art und Weise, wie sich die Disziplin im Einzelfall zu äußern hat. Die ADV macht hierzu sehr klare Aussagen.[45]


4 Conclusio

Militärische Disziplin ist somit die Realisierung des gesellschaftlichen Gewissens,[46] die den einzelnen Soldaten dazu befähigt, durch freiwillige Unterwerfung in mündigem Gehorsam[47] seinen Verpflichtungen gegenüber seinen Kameraden, aber auch der Gesellschaft, dem Staat gegenüber nachzukommen, indem er zur Effizienzsteigerung durch nötigenfalls höchste Einsatzbereitschaft beiträgt.[48]

Die Ausbildung soll dem Soldaten Selbstvertrauen vermitteln; Disziplin ist „das natürliche Gegengift gegen die Furcht”[49] — das Mittel, um jene Furcht, jene Angst, die von ihm auf Grund seiner Aufgabe, die oft genug mit Lebensgefahr verbunden ist, normal erweise empfunden wird,[50] ihn aber bei seiner Pflichterfüllung nicht beeinflussen darf,[51] überwinden zu können.

Ihr Ziel ist es somit, dem Soldaten im Einsatzfall das Überleben zu erleichtern, der demokratischen Gesellschaftsordnung jedoch das Überleben zu garantieren.



[10] von Moltke Reden 69; Rede vor dem Deutschen Reichstag „Über Arreststrafen” am 7. Juni 1872.

[11] Vgl zB § 7 ADV.

[12] Vgl Löffler ADV 21.

[13] AA zB Weber Das militärische Disziplinarstrafrecht 67, FN 28; wer sich jedoch mit den Grundbegriffen seiner Arbeit nicht selbst beschäftigt, erschwert mE nicht nur sich selbst, sondern auch dem Leser die Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Thema erheblich.

[14] § 3 Abs 2 ADV; § 6 Abs 3 Z 2 ADV; § 19 Abs 7 ADV.

[15] § 5 Abs 4 HDG; § 7 Abs 4 HDG; § 39 Abs 1 Z 2 HDG; § 82 Abs 2 Z 2 HDG.

[16] Vgl hierzu Löffler ADV Ager Die Rechte und Pflichten von Soldaten 21; Wolf Delikte gegen Vorgesetzte im MilStG 1. Eine umfassende Legaldefinition findet sich hingegen in Pkt 205 des Schweizer DR, wo ua zu lesen ist: „Disziplin heisst bewusste Einordnung in das Ganze und Pflichterfüllung nach bestem Wissen und Gewissen, mit ganzer Kraft, ohne Rücksicht auf persönliche Wünsche und Ansichten.”

[17] Vgl zB Meyers Konversations–Lexikon3 1874, Bd V 510: „Disciplin (lat. disciplina), im allgemeinen ein System von Maßregeln, durch welche das Verhalten einer Mehrheit von Personen an gewissen gemeinsame Ordnungen und Schranken gebunden wird; ... Im Militärwesen ist D. s.v.w. Kriegs– und Mannszucht (vgl Meyers Konversations–Lexikon3 1874, Bd XI 185: „Mannszucht, militärisch s.v.w. Disziplin, begreift nicht allein den unbedingten Gehorsam gegen die Vorgesetzten, sondern auch die zur Gewohnheit gewordene Befolgung aller für das gute Verhalten in und außer Dienst gegebenen Vorschriften.”) die Grundlage der Subordination und die erste Anforderung an ein tüchtiges, brauchbares Heer. ...”

[18] Meyers Großes Taschenlexikon3 1990, Bd V 268: „Disziplin, ...[innere] Zucht, Beherrschtheit, Selbstzucht, die jemanden zu bes. Leistungen befähigt.”

[19] Arg „gebunden wird”.

[20] So beispielsweise in den USA, in Großbritannien und in Deutschland.

[21] Zur Aufhebung der Disziplin und zum Übergang in anarchische Zustände bzw zur Herbeiführung derselben durch die Aufhebung der Disziplin in Zeiten des Umsturzes vgl ua Sperber Sieben Fragen zur Gewalt 9 ff.

[22] Vgl Jellinek Allgemeine Staatslehre3 180: „Der Staat ist die mit ursprünglicher Herrschermacht ausgerüstete Verbandseinheit seßhafter Menschen.” Zit nach Verosta in ÖZöR 24/1973 245.

[23] Vgl zur Bedeutung der Freiheit auch Auer OSB 8: „Freiheit wird also vorausgesetzt und ist nicht die Folge der Eingliederung in den Staat, sie hängt vor allem nicht von positiven Setzungen des Staates ab; der Mensch ist frei im Staat, nicht durch den Staat; und will der Staat sich selber schützen, dann muß er vor allem sorgen, daß er nicht durch Schmälerung der Freiheit die personale Würde auflöse, die ja die Quelle des Staatslebens ist.”
Betreffend die Freiheit im staatsbürgerlichen Sinn vgl zur verfassungsmäßig garantierten Freizügigkeit Art 4 StGG; dazu Ermacora Handbuch 118; aA zB Merkl Verlust 626 ff, 631 ff sowie Thienel Österreichische Staatsbürgerschaft Bd 2 53–56; zur Möglichkeit des Verzichtes auf die österreichische Staatsbürgerschaft nach Erwerb einer anderen Staatsbürgerschaft vgl Thienel Österreichische Staatsbürgerschaft Bd 2 327–332 zu den §§ 37 u 38 StbG.

[24] Vgl dazu auch Verosta in ÖZöR 24/1973 245 f.

[25] Vgl dazu Däniker in Schweizer Journal 7/1942 (Sonderdruck) 1–7.

[26] Gesetze, Verordnungen, Weisungen, Befehle etc.

[27] Vgl Grimm Allgemeine Wehrpflicht und Menschenwürde 106 unter Berufung auf Jaspers mwN: „Autorität braucht Freiheit — nämlich die Freiheit derer, die sie aus freien Stücken anerkennen —, da sie sonst dem Verderb anheimfällt, zur Zwangsordnung und Gewaltherrschaft entartet. Freiheit aber braucht Autorität, nämlich die Autorität all derjenigen Einrichtungen und Kräfte, welche Freiheit gewährleisten. Fallen diese Autoritäten dahin, so ist auch die Freiheit selber jeden Augenblick in Gefahr, in Anarchie, Bürgerkrieg, Gassenterror und Tyrannei umzuschlagen.” Scheitlin in ASMZ 7/1954 485 spricht sogar von einem „feu sacré”.

[28] § 4 ADV. Gegen „blinden Kadavergehorsam” bereits 1939 Däniker in Schweizerische Monatshefte 12/1939 (Sonderdruck) 1: „Am Ausgangspunkt der Disziplin steht das Gehorchen, ein Gehorchen, das aber keineswegs rein passiv sein darf. Eine Disziplin, die sich in passivem Gehorsam erschöpft, genügt vielleicht zur Not für die Mannschaft, sie genügt niemals für die militärischen Führer. Für diese gibt es keine stumpfe Befehlsausführung, kein gedankenloses Gehorchen, das letzten Endes immer einem Handeln ohne Verantwortungsgefühl gleichkommt.”

[29] Vgl die Aufzählung des § 2 HDG.

[30] Scheitlin in ASMZ 7/1954 484.

[31] Scheitlin in ASMZ 7/1954 487.

[32] Vgl dazu auch Wolf Diplomarbeit 3: „Vertritt man aber die Auffassung, daß der Soldat heutzutage nicht mehr als unverantwortliche Befehlsautomat oder als ein blindlings gehorchendes Herdentier anzusehen ist, sondern als ein mündiger Staatsbürger in Uniform, so bedeutet für ihn die Schaffung eines größeren vorschriftsfreien Raumes (Anm: der durch die Disziplin ausgefüllt wird) die Möglichkeit zum aktiven Mitgestalten und Anreiz zur Verantwortung.” Zum „Staatsbürger in Uniform” vgl Triffterer/Binner in EuGRZ 1977 137 lSp sowie FN 4. Vgl dazu auch Triffterer/Binner in EuGRZ 1977 137 lSp: „Im obersten Ziel der Streitkräfte, in ihrer Funktionsfähigkeit zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages, müssen diese beiden Konzeptionen (gemeint ist hier das Spannungsverhältnis zwischen Pflichten und den Prinzipien der inneren Führung, Anm) zusammenfließen und sich wechselseitig durchdringen, damit die Soldaten ihre Pflicht aus bewußter Verantwortung und nicht in blindem Gehorsam roboterhaft erfüllen.” Vgl Triffterer/Binner in EuGRZ 1977 138 lSp: „Wenn das Gebot der Disziplin auf ein Verständnis von 'Kadavergehorsam' und die Kameradschaft auf das Schlagwort 'Einer für alle, alle für einen' verkürzt würden, wäre zur Aufrechterhaltung dieser Art Disziplin und Kameradschaft möglicherweise auch die Verhängung der schwersten freiheitsentziehenden Maßnahmen durch den Disziplinarvorgesetzten erforderlich und, soweit verhältnismäßig, auch gerechtfertigt. Da jedoch eine freiheitliche, demokratische Ordnung alle gesellschaftlichen Bereiche erfassen muß und den Bereich des Militärs nicht als Exklave behandeln darf, sind auch die militärischen Ziele im Lichte dieser demokratischen Grundordnung und der sie konstituierenden Werte zu sehen. Der Umfang des Disziplinarrechts des militärischen Vorgesetzten hat sich deshalb an den so verstandenen Zielwerten zu orientieren.” So auch Grimm Allgemeine Wehrpflicht und Menschenwürde 104: „Eine unbeschränkte Befehlsgewalt würde im Endeffekt zu einer faktischen Gleichsetzung von Machtbefugnis und Rechtmäßigkeit führen, unbedingte Gehorsamspflicht hätte die Degradierung des Untergebenen zu einem gedanken– und willenlosen Werkzeug zur Folge.

[33] Dies ist ein Erfordernis des Taktgefühls. Vgl dazu ua Schäfer–Elmayer Der Elmayer 10 ff.

[34] Vgl § 5 Abs 1 StVO

[35] Vgl § 95 Abs 1 Z 2 sowie Abs 2 ÄrzteG iVm § 81 Z 1 u 2 sowie § 88 Abs 3 StGB; dazu ausführlicher Krismer Dissertation 36 f.

[36] Auf sie wird ua deutlich in § 3 ADV hingewiesen. Vgl dazu Radke Staatsnotstand 65–68.

[37] Vgl dazu auch § 2 WG.

[38] Vgl Art 78 Abs 5 B–VG sowie § 2 Abs 4 WG.

[39] Überträgt man von Moltkes Ausführungen vor dem Deutschen Rechstag auf die Zielsetzungen des modernen österreichischen Bundesheeres, haben sie zumindest teilweise noch Gültigkeit: „Die Disziplin macht die Armee erst zu dem, was sie sein soll, und eine Armee ohne Disziplin ist auf alle Fälle eine kostspielige, für den Krieg nicht ausreichende und im Frieden eine gefahrvolle Institution.” Von Moltke Reden 69. Dabei sollte man aber nicht vergessen, daß — bei allen zugegebenen Änderungsmöglichkeiten — die heutigen demokratisch orientierten Verfassungen in Mitteleuropa generell ein weit größeres Maß an Disziplin (auch im militärischen Bereich) verlangen müssen als von Moltke, der sich auf „Autorität von oben” berufen konnte: Demokratie ohne freiwillige Unterwerfung des Einzelnen unter den Willen des Volkes ist nicht möglich.

[40] Vgl zB § 414 Abs 1 S 2 ZPO sowie § 270 Abs 2 Z 5 StPO.

[41] Vgl § 44 Abs 2 ADV.

[42] Militärische Ausbildner weisen in diesem Zusammenhang immer wieder auf die praktische Unmöglichkeit hin, den GWD permanent detaillierte Anweisungen, geschweige denn Begründungen zu geben. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß es — gerade während der AGA — ausreichend Gelegenheit gibt, den GWD von vornherein (etwa im Rahmen von Schulungen und Belehrungen) jene Begründungen zu geben, die es ihnen ermöglichen, späteren Verhaltensanforderungen — zB während einer Übung oder im Einsatzfall — gerecht werden zu können. Je vorausschauender also in dieser Hinsicht ausgebildet wird, desto weniger Information wird für den Soldaten im Übungs– oder Einsatzfall notwendig sein, damit er sich in die Lage versetzt sieht, seine Aufgabe überhaupt erfüllen zu können.
Darüberhinaus ist auch eine entsprechende Information der Öffentlichkeit über Heeresbelange unbedingt notwendig; vgl hierzu etwa Ermacora Konzeptive Grundlagen 1983 16, Pkt 15. Es kann nicht erwartet werden, daß die Bevölkerung eine dem demokratischen Ver ständnis entsprechende Einstellung gegenüber ihren Streitkräften entwickelt, wenn sie über relevante wichtige Entscheidungen nicht (rechtzeitig) aufgeklärt wird. Die bedenklich zunehmende Distanz zwischen österreichischem Staatsvolk und Bundesheer, hervor gerufen durch die beschriebenen Versäumnisse und Mängel seitens der Politik, wird deutlich an der stärker werdenden Ablehnung der allgemeinen Wehrpflicht und der damit verbundenen aktuellen Diskussion über die Einführung eines Berufsheeres.

[43] Die Notwendigkeit der Information und Motivation und damit der Disziplin besteht bereits im Kindesalter. Ein Versagen elterlicher Erziehung und staatlicher Bildungspolitik — in Österreich va durch Beharren auf veralteten Lehrstrukturen und durch unreflektierte Übernahme moderner „Erziehungs”methoden einerseits und durch mangelnde Anpassung an moderne Erfordernisse andererseits — hat bei Österreichs Jugendlichen zu einem enormen Desinteresse an der staatlichen Gemeinschaft, aber auch zu erschreckend ü bersteigertem Nationalismus, Militarismus und Gewalt (im physischen Sinne) geführt (vgl hierzu zB Völker Die Schultragödie Korneuburg ... „Es fehlen Begriffe wie Ordnung, Disziplin” in: Der Standard v 08.10.1993; Scheitlin in AMSZ 7/1954 489: „So falsch es war, das Kind in früherer Zeit gleichsam in einem Schraubstock abzuwürgen, so falsch ist es heute, das Kind nicht nur wachsen, sondern wuchern zu lassen.”).
Für das österreichische Bundesheer bedeutet das, daß viele GWD mit dem Begriff Disziplin heute nur mehr wenig anfangen können; gelingt es nicht, ihnen diesen Begriff durch Erläuterung seines Zweckes nicht nur in Hinblick auf die militärische Landesverteidigung, sondern auch in Bezug auf die demokratische Grundordnung Österreichs nahezubringen, wird dadurch nicht nur der Zweck des Heeres, sondern auch die Erreichung und Verwirklichung des in der Verfassung festgelegten Staatszieles gefährdet (vgl Scheitlin in ASMZ 7/1954 495).

[44] Vgl § 3 ADV, insbesondere § 3 Abs 2.

[45] Vgl §§ 4 (insb Abs 1) bis 6 bzw 7 ff ADV. Vgl dazu auch VfSlg 11561/87 (G 161, 162, 201/87–8) 565 f: Zur Aufhebung des § 29 Abs 1 letzter Satz HDG (1985), der im Kommandantenverfahren die Beiziehung eines Rechtsanwaltes ausgeschlossen hat, wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes argumentiert der VerfGH gegen die teilweise grotesk anmutende Stellungnahme der Bundesregierung, die „Aussage, daß der Disziplin im Bundesheer ein wesentlich höherer Stellenwert als in anderen Verwaltungsbereichen zukomme, muß für das Heer allgemein, nicht etwa bloß für bestimmte — nämlich dem Kommandantenverfahren unterworfene — Heeresangehörige gelten”; er stellt fest, daß die österreichische Rechtsordnung vom umfassenden Soldatenbegriff ausgeht. Vgl dazu § 1 Abs 3 S 3 und 4 WG: „Diese Personen sind Soldaten. Sie werden in die Gruppen Offiziere, Unteroffiziere, Chargen und Soldaten ohne Dienstgrad gegliedert.”

[46] Siehe dazu oben B.2.4. Kriterium für die disziplinäre Beurteilung einer Handlung ist daher die Frage, ob es zum Wohle für die jeweilige Gemeinschaft — hier für die militärische Einheit — wäre, wenn die überwiegende Mehrzahl ihrer Mitglieder eine derartige Handlung setzte.

[47] Zur Gefährlichkeit des „unbedingten Gehorsams” Scheitlin in ASMZ 7/1954 484; vgl § 7 Abs 1 S 2 ADV.

[48] Vgl dazu auch § 48 Abs 2 S 2 WG: „Die Soldaten sind anzuleiten, das persönliche Interesse dem Wohle des Ganzen unterzuordnen, über den Rechten des Einzelnen die Pflichten gegenüber der Gesamtheit nicht zu vergessen und alles Trennende zwischen den Staatsbürgern zurückzustellen.”

[49] So Frick in ASMZ 7/1954 90 mwN; zu Furcht, Befehl und Disziplin vgl Canetti Masse und Macht 335–371.

[50] Frick in ASMZ 7/1954 89 f.

[51] § 4 MilStG: „Furcht vor persönlicher Gefahr entschuldigt eine Tat nicht, wenn es die soldatische Pflicht verlangt, die Gefahr zu bestehen.” Wie schon beim Begriff der Disziplin fehlt dem österreichischen Recht eine genaue Begriffsdefinition zu „soldatischer Pflicht”; eine Auslegungshilfe bieten etwa § 47 Abs 1–3 und § 48 Abs 2 WG.






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