„Burschen und Bomben”

Anhang C: Täterprofile und Szenarien

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Quellenverzeichnis   Anhang   Zur Übersicht


Helmut Qualtinger: Weil ma so fad is ...![427]

's war'n mal Zeiten, wo der g'schupfte Ferdl
War bekannt als bedeutender Kerl,
Aber jetzt wird's um ihn langsam stad (ganz stad),
Und dann später war's wie a Kommando:
Jeder schalnt sich wie Marlon Brando,
Mit der Zeit war des a ziemlich fad (ganz fad).
Und wir ham beinah schon alles probiert,
Daß die Zeit vergeht,
Doch wenn man erwachsener wird,
Is der Ferdl und Brando
Für unseran do scho zu blöd!
Bei der Arbeit sekkiert di der Master
Und die andern verbogenen G'fraster,
Deine Nerven wer'n langsam verdraht;
Und auf d'Nacht, wenn der Mensch wieder frei is
Und die scheußliche Arbeit vorbei is,
Dann fangt's erst an,
Was mach ma dann?
Weil dann is uns fad!

Was kann denn i dafür, daß i a so viel Zeit hab?
I hab nix zan tuan!
Was kann denn i dafür, daß i mit nix a Freud hab?
Da kriagst an Zurn.

Da gehst ins Kino und siachst an Galopp von Indianern
Im Cinemascop,
Weil dir so fad is.
Du gehst vom Kino raus und waßt net, was sollst machen,
Drum gehst ins Café,
Hörst in der Juke–Box jeden Tag dieselben Sachen,
Die tuan dir scho weh.
Und mit der Zeit, da kriagst a Idee,
Und du zerlegst einen Cafetier,
Weil dir so fad is.
Dann nimmst'n Rock–Rock–Rock und verrollst di in
Die Bongo–Bar,
Dort spielst Tarock–rock–rock, nachher rollst die
Kugeln vom Billard,
Dann trinkst an Grog–rog–rog, schnappst an Roller,
Und fahrst ohne Führerschein durch an Bam (Baum).
Und wenn a Schmier erscheint, haust eam z'samm.
Und hast das alles erledigt, is das Resultat:
Fad!
Nächsten Tag steht des groß in der Zeitung,
Und dann spürst du erst deine Bedeutung:
Deine Hand ist am Pulsschlag der Stadt.
Du spielst weiter die harmlosen Stückeln,
Doch nach zwei Dutzend Zeitungsartikeln
Samma durt, wo ma warn: Es is fad!
Und dann wird amal was Neuches probiert,
Daß die Zeit vergeht.
Und dann wer'n die Bücheln studiert,
Weil ma will amal sehn,
Was bei Mickey Spillane
Alles steht.
Und da kann man zum Beispiel vergleichen
Die diskrete Erzeugung von Leichen
Vom MG zum Strychninpräparat.
Dann probierst es einmal in der Praxis
Mit Chauffeuren von einsamen Taxis.
Dann wirst gehetzt,
In Häfen g'setzt,
Und dann is erst fad!

Was kann denn i dafür, daß i jetzt so viel Zeit hab?
Was hab i scho tan?
I hab bewiesen, daß i a a bissel Schneid hab,
Und schauts mi jetzt an!

I bin für längere Zeit petschiert,
Aber was mi dann am meisten geniert,
Is, daß ma fad is.
I denk ans Kino, an die feschen Indianer,
I denk ans Café.
Fallt mir die Juke–Box ein, dann könnt ich ehrlich wana (weinen),
Des war a Gaudee.
Jetzt bin i eing'naht und waß net, wieso,
Und wenn i Sackln pick, bin i scho froh,
Daß ma net fad is ...

Was kann denn i dafür, daß i a so viel Zeit hab?

Was kann denn i dafür, daß i a so viel Zeit hab?

...



Arik Brauer: Schwarz und Weiß[428]

Er schaut ganz kurz nur deine Hand an
und denkt, die Haut ist viel zu braun.
Er will nicht wissen, was du noch kannst,
er schenkt nur hellen Händen Vertraun.

Es könnte sein, daß grade diese Hand
heute abend Geige spielt.
Es könnte sein, daß grade dieser Klang
sein laues Herz aufwühlt.

Er sieht nur schwarz und weiß die ganze Welt,
die Zwischentöne sieht er nicht.
Weil ihm das Schwarz und Weiß viel leichter fällt,
er hat zu wenig Licht.

Er schaut ganz kurz nur dein Gesicht an
und denkt, die Nase ist viel zu krumm.
Er will nicht wissen, was du alles weißt,
er schaut sich nicht einmal nach dir um.

Es könnte sein, daß grade das die Nase
von dem Doktor ist,
der heute Nacht die erste Hilfe bringt,
wenn er unterm Auto liegt.

Er sieht nur schwarz und weiß die ganze Welt,
die Zwischentöne sieht er nicht.
Weil ihm das Schwarz und Weiß viel leichter fällt,
er hat zu wenig Licht.

Er schaut ganz kurz nur deinen Kopf an
und denkt, der Schopf ist viel zu lang.
Er will nicht wissen wer du bist und denkt,
du hast zum Bösen einen Hang.

Es könnte sein, daß grade diesen Schopf
morgen früh die Muse küßt.
Es könnte sein, daß grade das der Kopf
vom Messias ist.

Er sieht nur schwarz und weiß die ganze Welt,
die Zwischentöne sieht er nicht.
Weil ihm das Schwarz und Weiß viel leichter fällt,
er hat zu wenig Licht.



Szenar 1: IRA & Co.


IRA–Mitglied[429] trifft politisch motivierten und tätigen österreichischen „Neo–Nazi” während dessen Irland–„Urlaubes” zwecks Erfahrungsaustausches zum Bombenbasteln.[430] Da in Österreich Bomben–Gewalt — anders als in Irland — keine Tradition hat, genügt dem Neo–Nazi eine kleine Bombenvariante (im Gegensatz etwa zur Autobombe), die „nur” irreparable Verletzungen, nicht aber den Tod zur Folge hat.

Im Gegensatz zum IRA–Terroristen will der österreichische Absender nicht einen (polizeilichen, militärischen) Gegner (Feind) demoralisieren, um ihn aus dem Land zu treiben, sondern (rassisch minderwertige ausländische oder politisch und/oder rassisch minderwertige inländische) eigene Leute erschrecken, damit sie sich nicht mehr für seine Feinde (Ausländer, rassisch Minderwertige) einsetzen. Mangels Unterstützung im Inland und durch entsprechende Berichterstattung im Ausland wird der Zuzug rassisch Minderwertiger nach Österreich gestoppt, die in Österreich lebenden Ausländer werden dazu bewogen, das Land zu verlassen, die Assimilierten zumindest eingeschüchtert. Durch die zunehmende Zustimmung in der Bevölkerung verändert sich auch die Berichterstattung in den österreichischen Medien zu seinen Gunsten, es gelingt ihm, der Gesellschaft „seine Begriffe”, seine Meinung zu oktroyieren.[431]

Der Österreicher will „Politik machen”, nicht „Krieg führen”; er dient nicht einer Armee, sondern einer Bewegung. Seine Bewegung will die Österreicher von Nicht–Österreichischem (= Nicht–Deutschem, Nicht–Arischem) befreien, ihnen so die Möglichkeit zur Selbstbestimmung (Bekenntnis zum Deutschtum) geben.



Szenar 2: Frustration


Ein arbeitslos gewordener Österreicher, in Kärnten, Salzburg, Oberösterreich, Wien; er versucht, neue Arbeit zu bekommen. Auf dem Arbeitsamt bemerkt er, daß „Tschuschen” und „Ausländer” (seine unreflektierten Kriterien: Gesichtsausdruck, Hauttönung, Sprache u.ä.) Arbeit (in anderen Berufen, was ihm aber gleichgültig ist) bekommen, er aber — nicht zuletzt wegen des ihm anhaftenden Mangels an Flexibilität — nicht. Er bekommt (nicht nur auf dem Arbeitsamt) einen „Heiligen Zorn”; nach langem Grübeln über die Situation sieht er ein, daß die Mittel, die andere angewandt haben, um gegen Ausländer zu agieren („Ausländer-Halt”–Volksbegehren, Kandidaturen von Burger und Scrinzi, Verbreitung fremdenfeindlichen Schrifttums) bisher „nichts gebracht” haben und daß nur eine härtere Gangart die unbefriedigende Situation verändern kann.

Der Fernsehfilm „Gambit”[432], den er zufällig sieht, bringt ihn auf die entscheidende Idee, Briefe mit brisantem Inhalt zu verschicken, gleichzeitig macht die Filmhandlung ihn mit dem Grundproblem seiner geplanten Aktionen vertraut: der Tarnung. Nach etwa zwei– bis dreijähriger Vorbereitung hat er sich eingelesen, alle praktischen Fertigkeiten wie Löten,[433] die sichere Herbeiführung brisanter chemischer Reaktionen sowie das Wissen um die effiziente Tarnung[434] erworben, sich unauffällig (sporadisch und zusammenhanglos) die entsprechenden Adressen seiner Opfer und die Teile für seine Briefbomben besorgt und einen Vorrat davon angelegt.

Sein Ziel ist die Vertreibung der Fremden, die ihn um die Früchte seiner lebenslangen, schweren und rechtschaffenen Arbeit gebracht haben, die ihm ungerechtfertigterweise vorgezogen worden sind (im eigenen Land!) und die Wiederherstellung „ordentlicher Verhältnisse”.



Szenar 3: Die Macht des Extremisten: Nationalsozialistische Propaganda


Von Gerd Honsik herausgegebener Aufkleber

Staats– und gesellschaftsfeindlicher Extremist[435]; er gruppiert drei bis vier völlig an seinem Gedankengut Unbeteiligte, die mit den jeweils für terroristische Anschläge notwendigen Spezialkenntnissen ausgestattet sind, unabhängig voneinander um sich und beginnt, jeden einzelnen seiner „Freunde” langsam zu manipulieren, zu indoktrinieren. Er baut ein Abhängigkeitsverhältnis auf, gewinnt an Autorität. Innerhalb eines Jahres bringt er die „Gleichgesinnten” zusammen, das selbe Ziel bewegt alle, in den Untergrund zu gehen, „etwas zu tun”. Durch seine Autorität gelingt es ihm, eventuelle moralische Bedenken[436] der Beteiligten zu beseitigen.[437] Sein Ziel, gegen die Ausländer und anderes minderwertiges Gesindel in Österreich etwas zu unternehmen, erreicht er dadurch, daß sich zwar die Medien und die regierenden Parteien gegen ihn stellen, er aber insgeheim eine breite Zustimmung „seiner” Bevölkerung erwartet und diese zu ausländerfeindlichem, völkisch und rassisch einwandfreiem, wenn auch nicht derart radikalem Verhalten anleitet; jedenfalls senkt er die Hemmschwelle der (vorwiegend noch verbalen, nur in seltenen Fällen handgreiflichen und bei weitem noch nicht terroristischen) Gewaltbereitschaft in weiten Kreisen der österreichischen Bevölkerung, eine Hemmschwelle, die von der regierenden, vertschuschten Minderheit und durch die jüdische[438] Medienpropaganda im Verein mit dem internationalen Freimaurertum in jahre– und jahrzehntelanger Kleinarbeit der (arischen, völkisch, rassisch, national einwandfreien) Mehrheit als öffentliche Meinung[439] oktroyiert worden ist. Zuhilfe kommt ihm dabei, daß in den Medien kolportiertes Fehlverhalten sogenannter Wirtschaftsflüchtlinge sowie die offenkundigen negativen Folgen des in Österreich verbreiteten billigen Massentourismus in Teilen der österreichischen Bevölkerung ein unterschwelliges Gefühl der Antipathie, manchmal sogar der Beklemmung ausgelöst haben.[440] Die Endlösung der Tschuschen–, Juden– und Ausländerfrage wird nicht durch physische Vernichtung, sondern durch öffentlichen Druck, der ein Klima des Unbehagens und in Folge der Angst verbreitet, herbeigeführt: Unerwünschte Minderwertige verlassen Österreich freiwillig, weil sie jederzeit mit der Eskalation, d.h. der physischen Vernichtung, rechnen müssen.[441] Einer reinen und vereinten deutschen Nation steht dann nichts mehr im Wege; die Fehler des früheren, mißverstandenen Nationalsozialismus (Opferung wertvollen deutschen Blutes in einem Kampf gegen den „Rest der Welt”; propagandistischer Kampf gegen rassisch Minderwertige, gegen die Übermacht der verjudeten internationalen öffentlichen Meinung; bolschewistische ideologische Basis mit Tendenz zur Verweichlichung anstelle arischer Tugend, Härte und Überlegenheit[442] etc.) wurden vermieden, man hat aus der Geschichte gelernt.[443] Man hat gelernt und, wie es der Führer einst weise befohlen und selbst angewandt hat, nicht nur ausschließlich das Richtige gelesen, sondern sich auch sonst auf das Wesentliche konzentriert[444] und auf einfache, geniale[445] Art der weiteren Überfremdung und Verwässerung arischen Blutes Einhalt geboten!



Szenar 4: „Katz' und Maus — Nur ein Spiel ...”


A (liest vor): „Ich weiß etwas!”
B (antwortet): „Ich weiß, daß Du etwas weißt.”

A (schreibt und liest vor): „Ich weiß, daß Du weißt, daß ich etwas weiß!”
B (antwortet): „Ich weiß, daß Du weißt, daß ich weiß, daß Du etwas weißt.”

A (schreibt und liest vor): „Ich weiß, daß Du weißt, daß ich weiß, daß Du weißt, daß ich etwas weiß!”
B (antwortet): „Ich weiß, daß Du weißt, daß ich weiß, daß Du weißt, daß ich weiß, daß Du etwas weißt.”

A (schreibt und liest vor): „Ich weiß, daß Du weißt, daß ich weiß, daß Du weißt, daß ich weiß, daß Du weißt, daß ich etwas weiß!”
B: „Jetzt habe ich den Überblick verloren.”[446]


Katz' und Maus: Eine Lösung:[447]

A (liest vor): „Ich weiß etwas!”
B (antwortet): „Ich weiß, daß Du etwas weißt.”

A (schreibt und liest vor): „Ich weiß, daß Du weißt, daß ich etwas weiß!”
B (antwortet): „Ich weiß, daß Du das weißt.”

A (schreibt und liest vor): „Ich weiß, daß Du weißt, daß ich weiß, daß Du weißt, daß ich etwas weiß!”
B (antwortet): „Ich weiß, daß Du das weißt”

A (schreibt und liest vor): „Ich weiß, daß Du weißt, daß ich weiß, daß Du weißt, daß ich weiß, daß Du weißt, daß ich etwas weiß!”
B (antwortet): „Ich weiß, daß Du das weißt.”

A: „Jetzt habe ich den Überblick verloren!”



[427] Vgl. Erbacher Qualtinger S. 62–64; vgl. Qualtinger auf Preisrecords; zur Übersetzung Wiener Dialektausdrücke ins Hochdeutsche vgl. Wehle Wienerisch. Gegen Ende der fünfziger Jahre in Schweden und zu Beginn der sechziger Jahre in Deutschland entstanden Jugendbanden, die harmlose Bürger mit Fahrradketten und Messern tyrannisieren; die Mitglieder dieser Banden waren fast ausschließlich Kinder von wohlsituierten Ärzten, Rechtsanwälten, Richtern ... Als Motiv gaben die Jugendlichen Langeweile an. Es ist denkbar, daß der Absender der Briefbomben sich einen „Spaß” daraus macht, Behörden und Öffentlichkeit zu foppen und sich nur zur Tarnung fremdenfeindlich motiviert gibt. Vgl. dazu auch Middendorff Politische Kriminalität S. 399 m.w.N.: „Im Juli 1969 beschloß die amerikanische Studentenorganisation SDS, sich mit der Extremistengruppe Weathermen zu verbünden, und nachdem man mit Propagandaaktionen in der Öffentlichkeit keinen Widerhall fand, beschloß man, in den Untergrund zu gehen und Terrorakte zu begehen. Die Mehrzahl der Terroristen stammte aus der Mittelschicht, insbesondere der oberen Mittelschicht. [...] Der Reichtum ihrer Familien machte es den rebellierenden Kindern möglich, sich aus der Gesellschaft völlig zurückzuziehen und sich mit den Armen und Unterdrückten zu identifizieren. Oft spielte auch Langeweile eine wichtige Rolle. Die Reaktion vieler Eltern war schwach, weil man ihnen ein Schuldgefühl wegen ihres Reichtumes einredete.”

[428] Vgl. Brauer auf polydor. Vorurteile können nicht nur auf einer „faschistoiden”, nationalsozialistischen oder generell fremdenfeindlichen Einstellung beruhen, sondern auch auf Desinteresse und (daraus resultierend) Mangel an Auseinandersetzung; vgl. dazu etwa Zimmermann Nationalstolz, S. 24 f.: „Wer nicht gereiset ist, wer nichts gelesen hat, wer dem Umgang mit Leuten ausweicht, die mehr wissen als er, ist allzusehr auf das eingeschränkt, was er täglich sieht. Er hat seine Augen nur über die Dinge offen, die ihn umgeben; er vermutet nichts als öde Eilande und wüste dissidentische Ländereien ausserhalb dem spangenlangen Fleck, den er bewohnt; oder er nimmt von sich selbst und von seinen Umständen ab, wie er von allem denken solle, was ausser seinem Gesichtskreise liegt. Er glaubt, wie die in der Reisebeschreibung von Paris nach Saint Cloud abgeschilderten Pariser Maulaffen, die Berge seien unbewohnt, die sich an den äussersten Grenzen seines Gesichtskreises erheben, alles Gemüse und alles Getreide wachse an den Bäumen, weil die wilden Kastanien auf den Spaziergängen von Paris auch an den Bäumen wachsen.” Wird kein Anreiz zu dieser Auseinandersetzung geboten, sondern diese von Politik und Medien vielleicht sogar verhindert (oder werden gar einseitige „Informationen” aufgenötigt), führt dies nicht zum Abbau, sondern zu einer Verstärkung der Vorurteile. Der ideale Ansatz zur Bekämpfung von Vorurteilen besteht vorzugsweise im Bereitstellen von neutral–objektiven Informationen aller Art einerseits sowie andererseits im Kennenlernen anderer Völker und Kulturen durch eigenes Erleben, durch Reisen; vgl. dazu oben Anhang A.6.2 sowie ntv Werbung: „Mit jeder Reise begreifen wir ein bißchen mehr, wieviel uns miteinander verbindet.” sowie Zimmermann Nationalstolz, S. 89 f.: „Wache auf und lies, ist die beste Maxime zur Heilung der Vorurteile wider Nationen, die man nicht kennt. Man wird sich immer weniger verachten, je mehr man mündlich oder durch Schriften miteinander umgeht. Die Wissenschaften pflanzen unter den feindseligsten Völkern einen Geist der Eintracht und der Gegenliebe, vermindern den Nationalhass, der die Seelen verengt, zerstören die Grenzunterscheidungen des Eigennutzes und der Eifersucht, geben der Vernunft eine grössere Ausbreitung, dem Geiste eine ruhigere Erhabenheit, dem Urteil über andere Völker mehr Geziemtheit. Alle Gelehrten sind Bürger eines einzigen Freistaates, in welchem man der gesetzmässigen Ungleichheit ungeachtet keinen Tyrann leidet.”

[429] Briefbomben sind keine „österreichische Spezialität”; Brief– und Buchbomben wurden schon öfters in Irland verschickt: „Das ist eine Buchbombe, die in Zeitungspapier eingewickelt und als Paket mit der Post verschickt wurde.” Die Buchbomben der IRA enthielten etwa 10 dag Plastiksprengstoff, genug, um eine Person zu töten. „Alle Briefbomben sind so gebaut, daß sie explodieren, wenn sie geöffnet werden. Man kann sie nur schwer entschärfen. Gott sei Dank kam dann der Röntgenapparat. Mit ihm konnten wir feststellen, was die Briefe enthielten. Das war eine große Weiterentwicklung. Später gab es sogar transportable Apparate. [...]” Vgl. Gurney Interview. Auch die Namensgebung („Bajuwarische Befreiungsarmee” — „Irish Republican Army”) spricht für eine Beeinflussung durch die irische Terrorszene.

[430] Vgl. zur Internationalität des Terrorismus etwa Middendorff Politische Kriminalität, S. 393: „Der moderne Terrorismus ist an keine Staatsgrenzen gebunden. Die irische IRA unterhielt Verbindungen zu der Palästinenser–Organisation »Schwarzer September« und zu der »Befreiungsfront der Bretagne«. Man half sich gegenseitig mit Waffen und Sprengstoff, lieferte sich falsche Pässe und versteckte Flüchtlinge und Kuriere. In internationaler Zusammenarbeit schossen Angehörige der »Vereinigten Roten Armee« Japans, die aus libyschen Ölgewinnen finanziert wurden, im Auftrag der Palästinenser mit russischen Waffen einen Shell–Tank in Singapur in Brand.”

[431] Vgl. Habsburg Macht S. 195 f. Vgl. auch unten FN 441.

[432] Vgl. dazu Informationsblatt der Bavaria Film GmbH zu Seelig Gambit: „Gambit — Professor Ott, ein angesehener deutscher Atomwissenschaftler, kommt bei einer Vortragsreise in Marokko unter seltsamen Umständen ums Leben. Einige Zeit später erhält die Bundesregierung den ersten einer Reihe von Erpresserbriefen, die bei den deutschen Sicherheitskräften höchste Alarmbereitschaft auslösen: Eine Gruppe, die sich als «O.D.I.N.» bezeichnet, droht darin, durch die Zerstörung eines Atomkraftwerks eine unvorstellbare Katastrophe auszulösen, wenn ihr nicht bis zu einem vorgegebenen Zeitpunkt eine Milliarde DM in Gold übergeben wird. Nach anfänglichen Zweifeln sind die Experten der Sicherheitsbehörden überzeugt, daß die Drohung ernstzunehmen ist; denn von Brief zu Brief beweisen die Erpresser, daß sie durchaus in der Lage sind, Lücken in den Sicherheitsvorkehrungen auszumachen und zu nutzen. Bei ihren fieberhaften Ermittlungen in rechtsradikalen Kreisen stößt die Polizei auf Sibylle «Billie» Seeger, eine junge Reporterin, die offenbar mit einem Aussteiger der rechtsradikalen Terrorszene in Verbindung steht. Billie kennt sich ganz gut aus mit der Polizei, aber derartig drastische Ermittlungsmethoden, wie sie sie jetzt am eigenen Leib erfährt, sind ihr neu. Das läßt für sie nur einen Schluß zu: daß da ein ganz großes Ding läuft. Als besessene Journalistin versucht sie, auf eigene Faust die Sache aufzuklären. Dabei pfeift sie auf warnende Stimmen aus der Sicherungsgruppe Bonn ebenso wie auf Drohungen der Neonazis. Ihre Karten sind nicht schlecht, denn sie weiß mehr als sie der Polizei gesagt hat. Was Billie aber nicht weiß, ist, mit welch hohem Einsatz dieses Spiel wirklich gespielt wird.” Besonders interessant sind die eingehenden Darstellungen der angewandten Vorsichtsmaßnahmen beim Verschicken der Erpresserbriefe; im Gegensatz zu den Briefen der BBA jedoch enthalten sie wesentlich weniger Text, der Rückschlüsse auf die Herkunft und Person des Verfassers ermöglichen könnte.

[433] Die im ORF und von den ermittelnden Behörden dargestellten „Spezialkenntnisse” des Briefbombenabsenders sind in der Mehrzahl als solche letztlich nicht zu werten: Löten können viele HTL– bzw. TU–Absolventen sowie zahlreiche Hobby–Elektroniker, Angestellte von Herstellerfirmen elektronischer Geräte sowie die Verkäufer derselben und ihre Service–Techniker, aber auch Kriminalisten, Mitglieder von Bombenentschärfungs– und Antiterror–Einheiten, Agenten verschiedenster Geheimdienste etc. (für österreichische Beamte des allgemeinen oder militärischen Sicherheitsdienstes — Stapo, HNA, HAA — ergibt sich zusätzlich zur Erfahrung ein erleichterter Informationszugang) — alles in allem zig–tausende Personen in Österreich. Der Aufbau einfacher elektronischer Schaltungen (und die in den Briefen und in den Medien geschilderten Schaltungen sind als solche zu bezeichnen!) kann überdies auch bei fehlenden Vorkenntnissen binnen kurzer Zeit (je nach Fertigkeit innerhalb eines halben Jahres) sowohl theoretisch als auch praktisch erlernt, geübt und perfektioniert werden. Für die vermuteten Computer– und Chemiekenntnisse gilt dasselbe (über Nitroglycerin können Details in jedem Schulbuch nachgelesen werden, vgl. etwa Januschewsky/Jarisch Chemie Bd. 2 S. 64 und S. 108 oder Guby/Richter/Seidl Organische Chemie, S. 77.). Der einzig heikle Punkt scheint das Zusammenfügen der einzelnen elektronischen, physikalischen und chemischen Komponenten zu sein. Vgl. ORF Report Spezial, 21.24 Uhr.

[434] Zur Tarnung vgl. auch oben Anhang A.1.1 dieser Arbeit.

[435] Vgl. dazu Aktuell, S. 214: „Extremismus ist eine Bezeichnung für Bestrebungen, aus einer bestimmten Ideologie heraus und unter Ausschaltung institutionalisierter politischer Verfahrensweisen das Gesellschaftssystem umstürzen. Rechts–E. wird zumeist als eine antidemokratisch–autoritäre und nationalistisch–völkische Einstellung (Faschismus), Links–E. als Streben nach einem formal egalitären Staat (Kommunismus) oder einem herrschaftsfreien Zustand (Anarchismus) definiert.” Beachtenswert: Extremismus „ist”; die Erklärung des „Links–” bzw. „Rechts–”Extremismus fällt wesentlich vorsichtiger aus: „als ... werden definiert”.

[436] Moral sei hier wieder als gesellschaftsbezogenes Gewissen definiert; vgl. oben FN 351.

[437] Vgl. dazu Milgram Experiment, S. 22: „Dies ist vielleicht die fundamentalste Erkenntnis aus unserer Untersuchung: Ganz gewöhnliche Menschen, die nur schlicht ihre Aufgabe erfüllen und keinerlei persönliche Feindseligkeit empfinden, können zu Handlungen in einem grausigen Vernichtungsprozeß veranlaßt werden. Schlimmer noch: selbst wenn ihnen die zerstörerischen Folgen ihres Handelns vor Augen geführt und klar bewußt gemacht werden und wenn man ihnen dann sagt, sie sollen Handlungen ausführen, die in krassem Widerspruch stehen zu ihren moralischen Grundüberzeugungen, so verfügen doch nur vereinzelte Menschen über genügende Standfestigkeit, um der Autorität wirksam Widerstand entgegenzusetzen. Eine Vielzahl von Hemmungen gegenüber dem Ungehorsam gegen Autorität spielt mit und sorgt erfolgreich dafür, daß einer nicht aufmuckt.” Beim Milgram–Experiment befahl ein Wissenschafter (Autorität!) den Testpersonen, einer dritten Person (im Versuch natürlich nur imaginäre) schmerzhafte bis tödliche Stromstöße zu versetzen; die meisten Testpersonen fügten sich völlig unkritisch, aber wider besseres Wissen und Gewissen der vermeintlichen Autorität des Wissenschafters. — Die für den Beginn der Manipulation und Indoktrination nötige Autorität könnte sich der Kopf der Terroristen seinen späteren Komplizen gegenüber durch sein großes technisches, politisches und/oder historisches Wissen erworben haben.

[438] „Jüdisch” ist nur pars pro toto: Gemeint sind hier natürlich alle Nicht–Arier, also Tschuschen, Nigger, Bolschewiken usw.! Und der Kampf gegen die Juden wird als ein heiliger verstanden; vgl. Hitler Mein Kampf, S. 68–70: „In diesem Falle blieb als letzte Rettung noch der Kampf [gegen Marxismus und Judentum, Anm.], der Kampf mit allen Waffen, die menschlicher Geist, Verstand und Wille zu erfassen vermögen, ganz gleich, wem das Schicksal dann seinen Segen in die Waagschale senkt. [...] Indem ich mich in die Lehre des Marxismus vertiefte und so das Wirken des jüdischen Volkes in ruhiger Klarheit einer Betrachtung unterzog, gab mir das Schicksal selber seine Antwort. [...] Siegt der Jude mit Hilfe seines marxistischen Glaubensbekenntnisses über die Völker dieser Welt, dann wird seine Krone der Totentanz der Menschheit sein, dann wird dieser Planet wieder wie einst vor Jahrmillionen menschenleer durch den Äther ziehen. [...] So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn.

[439] Vgl. dazu Hitler Mein Kampf, S. 92.: „Was wir immer mit dem Worte »öffentliche Meinung« bezeichnen, beruht nur zu einem kleinsten Teile auf selbstgewonnenen Erfahrungen oder gar Erkenntnissen der einzelnen, zum größten Teil dagegen auf der Vorstellung, die durch eine oft ganz unendlich eindringliche und beharrliche Art von sogenannter „Aufklärung” hervorgerufen wird.”

[440] Vgl. Hitler Mein Kampf, S. 67: „Ich begann sie allmählich zu hassen.”

[441] Schon 1928 hatte man eine „Patent–Lösung” für die effiziente Lösung der Judenfrage zur Hand; vgl. etwa VB 21./22.10.1928, S. 4: „Eine Ausweisung der Juden ist unnötig! wenn jeder Deutsche jüdische Geschäfte und Warenhäuser meidet, dann gehen sie von selbst.”

[442] Vgl. dazu etwa das Zitat von Hitler in Klose Freiheit, S. 221: „... durch den Mann, dessen Beschreibung heißt: schlank wie ein Windhund, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl.”

[443] Man beachte die Eigendynamik dieser Argumentationskette. Zur Gewalt gegenüber Fremden vgl. ergänzend Rauchfleisch Gewalt, S. 179–234.

[444] Vgl. Hitler Mein Kampf, S. 36 f.: „Es fehlt ihnen die Kunst, im Buche das für sie Wertvolle vom Wertlosen zu sondern, das eine dann im Kopfe zu behalten für immer, das andere, wenn möglich, gar nicht zu sehen, auf jeden Fall aber nicht als zwecklosen Ballast mitzuschleppen. [...] Niemals wird es so einem Kopfe gelingen, aus dem Durcheinander seines „Wissens” das für die Forderung der Stunde Passende herauszuholen, da ja sein geistiger Ballast nicht in den Linien des Lebens geordnet liegt, sondern in der Reihenfolge der Bücher, wie er sie las und wie ihr Inhalt ihm nun im Kopfe sitzt. Würde das Schicksal bei seinen Anforderungen des täglichen Lebens ihn immer an die richtige Anwendung des einst Gelesenen erinnern, so müßte es aber auch noch Buch und Seitenzahl erwähnen, da der arme Tropf sonst in aller Ewigkeit das Richtige nicht finden würde.”

[445] Vgl. Hitler Mein Kampf, S. 86: „Ist nicht jede geniale Tat auf dieser Welt der sichtbare Protest des Genies gegen die Trägheit der Masse?”

[446] Zur Überlistung von Behörden vgl. Parkinson Gesetz, S. 108: „Nach dieser Theorie wartet der chinesische Millionär seine steuerliche Veranlagung durch das Finanzamt gar nicht erst ab, sondern schickt schon zuvor einen Scheck über etwa 329,83 Dollar an den betreffenden Referenten. Ein kurzes Begleitschreiben bezieht sich auf einen früheren Briefwechsel und erwähnt beiläufig eine Barzahlung an den Beamten. Der Erfolg des Verfahrens ist zunächst, daß der ganze steuereintreibende Apparat vorübergehend demoliert wird. Die Verwirrung wird zum Chaos, wenn ein weiteres Schreiben des Millionärs eintrifft, in dem er sich wegen seines Irrtums entschuldigt und um postalische Rücksendung von 24 Cents bittet. Jetzt fühlen sich die Beamten so erschreckt und mystifiziert, daß sie während der nächsten achtzehn Monate überhaupt kein Antwortschreiben herausgehen lassen — und ehe diese Frist verstrichen ist, trifft ein neuer Scheck des Millionärs über 167,42 Dollar im Finanzamt ein. Auf diese Weise, sagte unser Theoretiker, zahlt der chinesische Millionär praktisch keine Steuern, und der chinesische Finanzbeamte landet in der Gummizelle. Mag dies auch noch unbewiesen sein, die Theorie scheint einer gründlichen Untersuchung wert. Mindestens könnte man es einmal versuchen.” Der Vergleich drängt sich geradezu auf: Man schickt eine Bombe, läßt die Ermittler im Kreis laufen, schickt noch eine Bombe, ärgert die Ermittler mit einem Bekennerschreiben, schickt eine Bombe, schickt ein — diesmal codiertes — Bekennerschreiben, beschäftigt die Ermittler, schickt eine neue Bombe und schweigt anschließend ...

[447] Dem Wortlaut der Bekennerschreiben zufolge scheint es den Terroristen der Bajuwarischen Befreiungsarmee einen besonderen Spaß zu bereiten, die ermittelnden Behörden an der Nase herumzuführen und gleichzeitig unentdeckt zu bleiben. Sie scheinen Gefallen am Nervenkitzel zu haben. Ein wenig Ähnlichkeit hat ihr Verhalten auch mit jenem Dr. Haiders gegenüber den beiden Großparteien und den Medien, das länger als ein Jahrzehnt (!) von großem Erfolg gekrönt war: Nur einige wenige provokante Worte seinerseits bewirkten wochenlange öffentliche Diskussionen, die die politischen Gegner lahmlegte und — aufgrund der permanenten (unbezahlten!) Medienpräsenz — Werbung für seine Sache machten. Der Spaß wird den Terroristen verdorben durch a) mangelndes Medienecho, b) durch Ignorieren der Kapriolen (Spott, Verschleierungstaktik, entsprechende Formulierungen) und Konzentration auf die ermittelten Tatsachen und kriminalistischen Schlußfolgerungen und c) eine wirklich „heiße” Fährte, die sich für die Ermittlungsbehörden daraus ergeben kann — manchmal ist weniger eben wirklich mehr!






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