„Burschen und Bomben”

Anhang A: Gedanken wider die „öffentliche Meinung”

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„Ihr Name ist die öffentliche Meinung. Sie wird hoch in Ehren gehalten.
Sie bestimmt alles. Manche meinen, sie sei die Stimme Gottes.”
[297]

„Wenn fünfzig Millionen Leute etwas Dummes sagen, bleibt es doch etwas Dummes.” [298]


1. Tarnung


1.1 Allgemeines


„Tarnen heißt, sich der Umgebung anpassen.”[299] Der Grundsatz „decken und tarnen” ist nicht nur in der Natur[300] ein wirksames Mittel, unentdeckt zu bleiben und sich so wirkungsvoll zu verteidigen oder angreifen zu können; im Rahmen seiner Ausbildung beim Österreichischen Bundesheer erfährt jeder Wehrmann die Vorteile der gelungenen eigenen und die Bedrohung durch die gegnerische Tarnung.[301]

„Tarnen und täuschen” ist das Mittel von Betrügern, die sich durch endlose Überweisungen, verschachtelte Eigentumsverhältnisse von Firmen und Scheinfirmen und durch verschiedene andere Tricks bereichern, und von subversiven politischen Gruppierungen, die durch Tarnschriften[302] oder permanente Neugründungen und Umbenennungen von ihren wahren Vorhaben ablenken wollen, da sie sonst mit Maßnahmen des jeweiligen Verfassungsschutzes bzw. Gegenwind durch die öffentliche Meinung rechnen müßten.[303]

In der Kriminalistik bedeutet „täuschen und tarnen” das Verwischen, im „Idealfall” das Beseitigen der Spuren eines Verbrechens bzw. das In-die-Irre–Führen der Ermittler.[304] Wie der gut ausgebildete Soldat für die Tarnung des Gegners hat der erfahrene Kriminalist gut trainierte Sinne zum Enttarnen des Verbrechers, dessen einzige Chance entweder in den besonderen Umständen (die vom Ermittler nicht nachvollziehbar sind) oder in seinem übermäßigen Geschick und Einfallsreichtum liegen. Innovative Ideen verbessern die Tarnung wesentlich, da sie außerhalb des Erfahrungsschatzes des Ermittlers liegen; neuartige Verbrechen — wie das die Briefbombenanschläge in Österreich sind — fallen in diese Kategorie. In diesem Fall ist der Kriminalist auf die Hilfe anderer Wissenschaften angewiesen.[305]


1.2 Sprache


„Das, worauf die Bajuwarische Befreiungsarmee größten Wert legt,
ist die exakte und saubere Verwendung der Sprache.”
[306]


„Bestimmend für die Sprachstruktur ist das Dreieck Objekt, Subjekt und Gesprächspartner. Das Subjekt erkennt am Objekt Merkmale, die es mit anderen Merkmalen aus seiner Erfahrung direkt oder indirekt, positiv oder negativ vergleichen kann, bildet daraus einen Satz, der wiederum so formuliert werden muß, daß er auch dem Verständnishorizont des Gesprächspartners entspricht. Letztlich ist es also unmöglich, der Ebene der Umgangssprache in eine Wissenschaftssprache aus reinen, eindeutigen Begriffen zu entfliehen, denn einmal müssen auch diese Begriffe mit Hilfe der Umgangssprache definiert werden. Geschieht das nicht, bleibt man bei Nummern, wie schön auch immer die Worte klingen, und das sind dann Nummern von Witzen, die niemand versteht. Das kann in der Wissenschaft geschehen, wenn man z.B. eine Bezeichnung für eine Quelle braucht, deren Bedeutung unbekannt ist.”[307] Solche Probleme gibt es in der Alltagssprache und im Dialekt; sie werden beim Umgang mit Fremden besonders deutlich. Beispielsweise ist das Wienerische „Gnädigste” in seiner Bedeutung von Ort, Zeit, angesprochener bzw. ansprechender Person und dem Tonfall abhängig — Umstände, die sich der Beurteilung eines Hamburgers meist völlig entziehen![308]


1.3. Briefe und ihre Interpretation


„Einer der wesentlichsten Aspekte des Briefes bezieht sich auf die Sprache: Wegen seiner Aufgabe, unmittelbar auf einen bestimmten Leser zu wirken, befinden wir uns meist auf einer intimen Sprachebene, die wir bei sonstigen schriftlichen Quellen nicht erreichen.”[309] „Bei der Kritik dieser Quelle stehen also drei Dinge im Vordergrund: Zweck — vom Liebes– bis zum Geschäftsbrief —, Partner — von den geheimsten Gefühlen bis zum offenen Brief —, und literarische Form — von der kühlen Mitteilung bis zum gefeilten Kunstwerk. [...] Zum Finden und zum Interpretieren ist eine möglichst genaue Kenntnis der Organisationsstruktur der produzierenden Stelle erforderlich. Vielfach tauchen praktische Probleme auf, die auch das Material der Schriftstücke beherrschen. Schrift und Ausstattung haben nicht bloß den Zweck der Kommunikation. Ständig schwingt der Gedanke an eine Öffentlichkeit mit, die das Schriftstück ebenfalls liest. Daher wird auch Rücksicht genommen auf Bedürfnisse der Repräsentation, Propaganda und Werbung.”[310] Im konkreten Fall der Bekennerschreiben der BBA weiß man weder etwas über die Organisationsform der BBA noch über den oder die Drahtzieher, um die Briefe interpretieren zu können; daher erscheint es völlig aussichtslos, von nicht korrekt, d.h. zweifelsfrei interpretierbaren Bekennerschreiben auf die Organisationsform — geschweige denn auf die handelnden Personen — schließen zu können — auch und schon gar nicht mit Hilfe der Sprach– und/oder Geschichtswissenschaft!

Hinzu kommt das Problem, daß es sich hier nicht um „exakte” Wissenschaften (wie etwa Mathematik) handelt,[311] deren Ziel daher nicht die exakte, für den Bereich der Kriminalistik unbedingt erforderliche Nachweisbarkeit, sondern etwa das Auffinden, Erkennen und Darstellen von Zusammenhängen ist. Geschichte und Sprachwissenschaft beschäftigen sich mit Forschung, nicht mit Ermittlung! Daher ist es eine Quelle fataler Fehler, wenn etwa ein Kriminalist nicht vom Sprachwissenschafter ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wird, daß seine Beschreibungsmethoden gewisse Unsicherheitsfaktoren aufweisen und nicht sofort für „bare Münze” genommen werden können![312]

Zu allem Überfluß wissen wir nichts (gar nichts!) über den Wissensstand des Täters in der Kunst des Tarnens. Wir wissen nicht, ob er etwa geheimdienstliche Kenntnisse hat[313] oder nur sehr geschickt ist, ob er sich überhaupt getarnt hat[314] oder ob seine Tarnung instinktiv war und auf Zufall beruht. Letztlich befinden sich die Ermittler in der Rolle eines Firmenpsychologen, der einen Fragebogen und einen (teilweise) absolvierten, nicht von ihm verfaßten Intelligenztest von einer (?) Person in die Hände bekommt, die er nie kennengelernt hat und von der er nicht weiß, wie weit sie sich bereits mit Intelligenztests beschäftigt hat, inwieweit sie über Intelligenz und Können verfügt, die „sensiblen” Fragen–Klippen geschickt zu umschiffen etc.; darüberhinaus weiß er auch nicht, von wem der Intelligenztest formuliert wurde, welche Qualifikation sein Autor hat, ob es einen oder mehrere Autoren gegeben hat und, wenn ja, welche Frage von welchem Autor mit welcher Qualifikation und mit welcher Zielsetzung gestellt wurde. Ergebnis: Ist schon die Auswertung bei Bekanntsein aller Details mit einem großen Unsicherheitsfaktor versehen, so ist eine einigermaßen stichhaltige Aussage zur Person in der oben geschilderten Situation unmöglich![315] Die Auswertung der Bekennerschreiben der BBA durch einen Wissenschafter der Universität Wien[316] erscheint — bei allem seriös–wissenschaftlichen Bemühen! — in diesem Zusammenhang als reine Geld– und Zeitverschwendung!


1.4 Ergebnis


Ohne greifbare Ergebnisse bei einer kriminaltechnischen Untersuchung[317] stellen die Bekennerschreiben daher von ihrem Inhalt her betrachtet weder für den Linguisten noch für den Kriminalisten eine taugliche Ermittlungsgrundlage dar, den oder die Täter auszuforschen; sie dienen höchstens — entsprechende Überheblichkeit und Unvorsichtigkeit der Täter vorausgesetzt — als nachträgliches Beweismittel.


2. Datenflut und akademisches Philosophieren[318]


2.1 Ausgangslage


150 Millionen Schilling Kosten,[319] beinahe vier lange Jahre intensiver Arbeitseinsatz[320], bei lebensgefährlichen Entschärfungsversuchen[321] verletzte Sicherheitsbeamte und meterhohe, schier endlos scheinende, mit Akten gefüllte Regale,[322] die eher an die Auswirkung polizeistaatlicher Überwachung denn an eine Maßnahme zum Schutz der Republik und der Demokratie erinnern, scheinen anstelle der Ausforschung der Täter das bisher einzige Ergebnis der Ermittlungen der verschiedenen österreichischen Sicherheitskräfte in der Briefbomben–Affaire zu sein. Die Kritik an diesem Resultat mag berechtigt sein, hilfreicher und der Sache dienlicher ist jedenfalls eine objektive[323] Analyse von außen mit daran anknüpfenden Vorschlägen.


2.2 Ermittlungen


Insbesondere die Praxis, nach jeder Anschlagsserie die Ermittler auszutauschen,[324] dürfte neben dem Ansammeln riesiger, unüberschaubarer, in angemessener Zeit nicht verwertbarer Aktenmengen über alle möglichen „Verdächtigen” ein Grund für die Erfolglosigkeit vor allem der staatspolizeilichen Ermittlungen bis zur fünften Briefbombenserie gewesen sein.[325] Die dafür danach zuständige, erfolgreicher agierende Sonderkommission unter Friedrich Mahringer ging folgerichtig von politisch motivierten zu kriminalistischen Ermittlungsmethoden über.[326]


2.3 Motivation (I)


„Das Agieren dieses Täters oder dieser Täterschaft ist mir zutiefst zuwider; auf diese Weise kann man nichts verändern, darf man nichts verändern, und das ist eigentlich die Motivation der Kolleginnen und Kollegen der Sonderkommission und auch meine, sie dorthin zu bringen, wo sie hingehören.”[327] Diese persönliche Äußerung Mahringers ist unverständlich angesichts der Tatsache, daß es Aufgabe eines Beamten in seiner Position ist, Verbrecher wie die Drahtzieher der Briefbombenanschläge nach besten Kräften auszuforschen, und zwar völlig unabhängig davon, ob er von der Niedertracht der jeweiligen Täter überzeugt, berührt oder betroffen ist[328]; seine Motivation hat sich aus seinem Beamtenstatus zu ergeben. Überdies wirken derartige Motivationen kanalisierend, d.h. wie Scheuklappen; sie gefährden so den Erfolg der Ermittlungen.[329] Emotionslose Sachlichkeit, „akademische” Distanz[330] und unvoreingenommene Aufmerksamkeit sind international anerkannte Erfolgsrezepte in der Kriminalistik.[331]


2.4 Zielvorgabe oder Chaos


„Ein klares Ziel ist eine genaue Vorstellung, wie etwas am Ende eines Prozesses sein oder aussehen soll. Es ist eine eindeutige Aussage über die für den Abschluß einer Tätigkeit erstrebten Bedingungen. Ein Ziel ist etwas anderes als eine eingeschlagene Richtung. Es ist in Wahrheit eine Bestimmung.”[332]

Ohne präzise Zielvorgabe und ihre entsprechende Überwachung gerät jede Arbeit — auch wenn sie noch so motiviert verrichtet wird — außer Kontrolle und wuchert ins Uferlose.[333] Je mehr Personen mit ihr beschäftigt sind, desto größer ist die Eigendynamik, mit der sie sich von ihrem Ziel entfernt und zum Selbstzweck wird.[334] Zu überwachen ist gelegentlich, ob die Arbeitenden noch „auf Kurs” sind, ob sie das Ziel noch vor Augen haben, nicht jedoch die Verrichtung der Arbeit selbst: „Sinn eines klaren Zieles ist es, jedem die Möglichkeit zu geben, selber zu entscheiden, was er tun muß, damit er es ohne ständige Anweisung oder Anleitung tun kann.”[335]

Daran scheiterten offenbar auch die Ermittlungen der Stapo und der Soko bisher. Auch hier zeigt sich deutlich die emsige Arbeit der ermittelnden Beamten, die Berge über Berge an Daten ermittelt und ausgewertet und dabei Millionen Steuer–Schillinge verbraucht, aber noch kein brauchbares Ergebnis abgeliefert haben; sie sind ineffizient nach bestem Wissen und Gewissen!

In concreto ist also festzuhalten: Nicht das Ermitteln möglichst vieler Daten und „Fakten” über möglichst viele Personen,[336] sondern die Ausforschung der Täter, der Drahtzieher der Briefbombenanschläge ist das Ziel, das in angemessener Zeit erreicht werden muß! Mit anderen Worten: „Binnen der angemessenen Zeit von ... Wochen (!) ist ein Fahndungsergebnis zu bringen, das zur Festnahme und Verurteilung der wahren Täter führt”, nicht aber: „Sucht die Täter, koste es, was es wolle.”


2.5 Motivation (II)


Um dem Ziel besseren Nachdruck zu verleihen, müßten die Beamten, die mit der Angelegenheit betraut sind, letztlich durch Entbindung von der Aufgabe, verbunden mit einem Erfolglosigkeitsabzug (als Pendant zur Erfolgsprämie!) in finanzieller Hinsicht, bei oftmaliger Erfolglosigkeit auch mit einer Rückversetzung, „bestraft”, bei Erfolg der Ermittlungen entsprechend belohnt werden können. Dies wäre nicht nur kostensparend, sondern auch demokratiefördernd: Ein kleineres, flexibleres, effizienteres Beamtenheer ist viel leichter in der Lage, Verfassung und Regierungsform zu schützen als eine ausgeprägte, träge Bürokratie, die allein schon aufgrund ihrer Größe und des damit verbundenen organisatorischen Aufwandes mit dem gewöhnlichen Arbeitspensum überfordert und daher in Ausnahmesituationen zu einer adädequaten Reaktion regelmäßig nicht in der Lage ist.[337] Für den normalen Alltag erfüllen jedoch Lob und Tadel — entsprechende Führungsqualitäten des jeweiligen Vorgesetzten[338] vorausgesetzt —, verbunden mit dem Gewähren eines entsprechenden selbständigen Entscheidungsfreiraums, den Zweck des Ansporns zu höherer Leistung und zur Ausrichtung auf das vorgegebene Ziel.[339]


3 Exkurs: Demokratie — Sinn und Unsinn


„Österreich ist eine demokratische Republik.
Ihr Recht geht vom Volke aus.”
[340]

„Demokratie, das ist nicht viel,
Sozialismus ist das Ziel.”
[341]


Das Wort Demokratie bedeutet Volksherrschaft und beinhaltet entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch weder Hinweise auf die Art, in der diese Herrschaft ausgeübt wird, noch auf ihre Kontrolle oder gar Orientierung an Grund– und Freiheitsrechten.[342] Dementsprechend gibt es die verschiedensten, v.a. ideologisch determinierten Interpretationen dieses Begriffes,[343] die bis zu seiner kommunistischen[344] („Volks–Demokratie”, „Volks–Volksherrschaft”), faschistischen und nationalsozialistischen[345] Perversion gehen.

Sozialistisch geprägte Interpretationen verstehen Demokratie nur als vorübergehendes Stadium, in dem das revolutionäre Proletariat die Führungsrolle übernimmt und — nachdem alle anderen Gesellschaftschichten in diesem aufgegangen sind — schließlich die sozialistische Gesellschaft verwirklicht.[346] Folgerichtig wird daher der Begriff Demokratie nur auf einen Teil des Volkes, nämlich das Proletariat (sozialistischer Ansatz)[347] bzw. auf die Partei, die diesen führt (kommunistischer Ansatz),[348] und nicht auf das gesamte Staatsvolk angewandt.

Allerdings kann man von Volksherrschaft nur dann sprechen, wenn der Wille zur Herrschaft und damit die Entscheidung über die Volks–Repräsentanten auch tatsächlich vom Volk ausgeht. Die moderne Demokratie „ist somit eine bestimmte Methode von Herrschaftsbestellung aufgrund allgemeiner Wahlen und [...] aufgrund von Parteienkonkurrenz und Meinungsfreiheit.”[349] „So wollen wir [...] die Einsicht festhalten, daß Demokratie und Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat nicht wesensnotwendig zusammengehören.”[350]

Sehr wohl aber ist es möglich, eine Demokratie auf demokratische Weise am möglichst großen Glück und Wohlbefinden möglichst vieler Menschen, an Grund– und Freiheitsrechten zu orientieren und sie mit einem dauerhaften, sie moralisch[351] rechtfertigenden Wert, der vom Großteil der Bevölkerung akzeptiert wird, zu versehen. Die Beachtung und Durchsetzbarkeit der „demokratischen Tugenden”[352], d.h. die Ausgewogenheit zwischen Rechten und Pflichten,[353] zwischen Autorität und Verantwortung,[354] die disziplinierte Ausübung von Freiheit und ihre rechtmäßige Beschränkung,[355] Fairneß[356] und von der Gemeinschaft getragene Gerechtigkeit[357] sowie Respekt[358] vor dem Individuum, seiner Individualität[359] und seinen „angeborenen, schon durch die Vernunft einleuchtenden” Rechten[360] ist dabei jedoch unumgänglich. Die Notwendigkeit der Bekämpfung des „Gespenstes des Kommunismus”[361], der „demokratischen Diktatur” im Sinne der sozialistischen Weltrevolutionslehre ergibt sich dadurch von selbst,[362] sie wird regelmäßig durch Machtbeschränkungsmechanismen[363] und ein Widerstandsrecht[364] erreicht.

Nicht zuletzt wird schließlich die Qualität einer Demokratie von der Umsicht der Regierenden[365] und von der Bildung der Regierten,[366] insbesondere von deren Wissen um die Demokratie und der sie zu ihrem Ziel führenden Werte, beeinflußt; von großer Bedeutung ist auch die Erziehung der jeweils nachfolgenden Generation zur Achtung demokratischer Grund– und Freiheitsrechte.[367] Weiters benötigt eine in diesem Sinn erfolgreiche Demokratie entsprechende effiziente Strukturen und Einrichtungen, verbunden mit einer permanenten, ebenso effizienten Kontrolle derselben.[368]

Für Österreich ergibt sich aus diesen Erwägungen, daß die Ausgestaltung der an sich wertfreien Demokratie in einer Weise, wie sie etwa durch adoptiertes, an naturrechtlichen Werten orientiertes Verfassungsrecht vorgegeben ist,[369] durch die rechtspositivistische Prägung der Bundesverfassung nicht nur stark behindert,[370] sondern geradezu in Frage gestellt wird.[371] Eine grundlegende Reform des österreichischen Verfassungsrechts im Sinne des europäischen Systems der Grund– und Freiheitsrechte — und damit der Abschied vom schon lange nicht mehr den Erfordernissen unserer Zeit entsprechenden Rechtspositivismus — erscheint daher dringend erforderlich, um menschenverachtenden Tendenzen vorbeugen bzw. wirkungsvoll begegnen zu können und die von der Normenflut völlig überforderte Verwaltung zu entlasten![372]


4 Exkurs: Die „Qualifizierte Demokratie”


Politisch motivierter Terror — wie jener der Briefbomben — kann niemals die Demokratie an sich, sondern ausschließlich die dahinterstehenden Werte zum Ziel haben.[373] Je weniger allerdings die Rechtsordnung diese Werte schützt,[374] je weniger die Bürger sie als schützenswertes Gemeingut empfinden,[375] je weniger ihre Repräsentanten selbst den Anforderungen dieser Werte genügen,[376] desto leichteres Spiel haben Terroristen vom verwirrten Geisteskranken bis zum berechnenden, fanatischen Extremisten, staatliche Schutzmechanismen auszuschalten und letztlich durch direkte oder indirekte Erpressung unzulässigen Einfluß im Staat zu gewinnen.[377]

Umfangreiche staatspolizeiliche und kriminalpolizeiliche Ermittlungen gegen den Briefbombenterror sind ohne jeden Zweifel zielführende und unumgängliche Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um den Staat und seine Institutionen zu schützen. Die wahre Ächtung eines Terroristen findet jedoch erst dann statt, wenn das den Strafprozeß[378] abschließende, rechtskräftige Urteil ausdrückt, daß er eine Qualifizierte Demokratie, d.h. eine positive, weil an von der Gemeinschaft der Bürger getragenen Grund– und Freiheitsrechten orientierte, und aktive, weil von Repräsentierten wie Repräsentanten bewußt ausgestaltete und kontinuierlich weiterentwickelte Demokratie angegriffen hat, wogegen sich die Gemeinschaft willentlich und selbstverständlich wehrt.

Eine Qualifizierte Demokratie kann Extremismus, Fanatismus und Manipulation nicht verhindern, kann aber im Augenblick der Bedrohung wesentlich effizienter reagieren, da ihre Kräfte nicht durch Einzel– oder Einzelgruppen–Interessen behindert werden: Der Schutz der Qualifizierten Demokratie ist gemeinsames Anliegen. Sie verhindert außerdem den (system– und strukturvernichtenden) Loyalitätsverlust in Krisenzeiten,[379] setzt jedoch voraus, daß sie von Qualifizierten Demokraten getragen wird, denen sie ein Bedürfnis ist, für das sie sich entsprechend einsetzen.

Für die Bürger im allgemeinen bedeutet dies die Notwendigkeit einer wesentlich intensiveren Auseinandersetzung mit ihrem Staat und selbstverständlich auch einen Nachweis ihrer Demokratischen Qualifikation: „Für zahlreiche Betätigungen sind heute behördliche Befähigungsnachweise notwendig: [...] Doch zum Wählen oder Gewähltwerden genügt die Erfüllung rein vegetativer Bedingungen: Man muß vor so und so viel Jahren geboren und immer noch am Leben sein. Sonst nichts! Das gilt für die Wähler als auch für die Gewählten.”[380]

Für die gewählten Volksvertreter hingegen bedeutet dies, daß sie (und nur sie) einerseits vor der Wahl ihre Qualifikation offenlegen müssen, andererseits die Verpflichtung zu verantwortungsvoller, verantwortlicher, objektiver und unparteilicher Amtsführung; idealerweise nehmen daher Staatsmänner und nicht Politiker die höchsten Ämter in einer Qualifizierten Demokratie ein.[381]

Für die Beamten endlich bedeutet die Qualifizierte Demokratie eine wesentlich stärkere Bindung an Pflicht und individuelle Verantwortung, als dies derzeit in Österreich der Fall ist; ihre Loyalität ist eine Vorausetzung für die Kontinuität[382] einer demokratischen Verfassung,[383] solange sie nicht zum parteipolitischen Machtfaktor und somit mißbraucht wird. Der Einfluß politischer Parteien auf das Verhalten von Beamten ist daher als demokratiefeindlich einzustufen und hintanzuhalten.[384]

Beamtenstreiks[385] sind übrigens Anzeichen des beginnenden Loyalitätszerfalls, der einerseits selbst staatsgefährdend ist, andererseits den derzeitigen Zustand, in dem sich die Republik befindet, deutlich widerspiegelt.

Qualifizierten Demokraten sind allerdings Kelsens moderne Vorstellungen vom „demokratischen Freiheitsideal”[386] und vom „kommunistischen Naturrecht”[387] fremd; anstelle des „Regimes der Funktionäre”[388] setzen sie lieber demokratische Ausgewogenheit, anstelle von Mittelmäßigkeit lieber Individualität,[389] anstelle „multikultureller Einheitlichkeit”[390] die Vielfalt der einzelnen Bevölkerungsgruppen.

Platon hat einst geschrieben: „Und mit Recht entsteht somit, denke ich, die Tyrannis aus keiner anderen Verfassung als aus der Demokratie, aus der höchsten Freiheit die tiefste und härteste Knechtschaft.”[391] Ein diesen Rückschritt verhindernder, auf kontinuierliche Entwicklung Bedacht nehmender Lösungsansatz hingegen, der sich aus der Geschichte der mittlerweile vergangenen Zeitspanne ergibt, lautet: „Es muß wieder einmal dem Wissen Vorrang eingeräumt werden; was wir brauchen, sind minimale Regierungen höchster Qualität und nicht enorme Staatsapparate auf niedrigstem Niveau.”[392]


5 Fremdenangst, Fremdenhaß, Rassenhaß und Rassismus


„He who speaks two languages, is a rascal.” [393]

„Die Fremdlinge sollt ihr nicht unterdrücken; denn ihr wisset um der Fremdlinge Herz,
dieweil ihr auch seid Fremdlinge in Ägyptenland gewesen.”
[394]


5.1 Fremdenangst


Vorsicht vor Fremdem und die Flucht davor sowie die Angst vor Fremdem[395] und die panische Flucht davor sind natürliche Reaktionen, die bei Menschen und Säugetieren gleichermaßen beobachtet werden können.[396] Tiere scheuen vor Fremdem zurück, Kleinkinder „fremdeln” beim Anblick eines ihnen Fremden.[397] Negative Erfahrungswerte mit Fremdem steigern bei beiden die ablehnende und abwehrende Reaktion, positive hingegen bauen sie ab. Menschen können zudem bis zu einem gewissen Grad lernen, ihre Gefühle zu kontrollieren.[398]

Angst wird, wie alle Gefühle, „durch Anlässe ausgelöst, die uns zwar meist, aber keineswegs immer gegenständlich und sachlich bewußt sind”.[399] Sie vollzieht eine „Wertung des Erlebnisbestandes, die meist in einem Erleben von [...] 'Unlust', in einer sprachlich nicht allgemein faßbaren Erlebnisart von [...] 'unangenehm' vor sich geht.”[400] Angst löst körperliche Unruhe aus.


5.2 Fremdenhaß


Fremde sind „anders”; sie sind meistens in der Minderheit, sprechen eine andere Sprache oder einen anderen Dialekt, haben ein vom gewohnten Bild des Bekannten abweichendes Äußeres[401] oder sonstige Merkmale, nach denen sie vom Bekannten unterschieden werden können. Das „Anderssein” kann — je nach früherem Erleben mit Fremden — positiv[402] oder negativ[403] aufgenommen werden; Gruppen von Fremden neigen in der Regel zu verstärkter Eigendynamik und Selbstsicherheit und verringern so das Überlegenheitsgefühl der zahlenmäßig überlegenen Gemeinschaft der Bekannten, „Einheimischen”, die in diesem Falle ihrerseits — entsprechend dem Grad der empfundenen (oft nur eingebildeten) Bedrohung — zu verstärktem Abwehrverhalten tendieren.[404]

Fühlt sich der Einheimische — aus welchen Gründen auch immer[405] — bei der (mehrmaligen) Begegnung mit dem Fremden (zunehmend) unterlegen, ist der Versuch, die Frustration durch gesteigerte Aggressivität zu kompensieren, wahrscheinlich, wenn er sich nicht den emotionalen Ausgleich anderweitig[406] verschaffen kann.

Entsteht hingegen beim Einheimischen im Laufe der Zeit ein Gefühl der Ohnmacht, schlägt seine gesteigerte Aggressivität in Haß um, der sich nicht nur gegen den Fremden, mit dem er im Augenblick konfrontiert ist, sondern (prophylaktisch) auch gegen alle Fremden richtet, da er mit ihnen künftig konfrontiert sein könnte und dabei eine Wiederholung des Unlustgefühls „Ohnmacht” vermeiden möchte;[407] auf ein reales Empfinden von Ohnmacht kommt es dann nicht mehr an.


Haß ist ein andauerndes Gefühl, das sich vom augenblicklichen Erleben abgekoppelt hat; er kann — wenn überhaupt — nur durch ein in Hinblick auf Zeit und Intensität mindestens gleich starkes, positives emotionelles Erleben aufgehoben werden.[408]


5.3 Rassenhaß und Rassismus


Rassenhaß bezieht sich auf markant unterschiedliche, jedoch nicht alters– oder geschlechtsspezifische Körpermerkmale Dritter. Demgegenüber ist Rassismus ein „Verhalten, mit dem ethnische oder rassische Gruppen benachteiligt und unterdrückt werden bzw. eine entsprechende Einstellung.”[409]


5.4 Der Umgang mit dem „Anderen”


Der Umgang mit Fremdem hängt, wie der Umgang mit Vertrautem auch, von einer Vielzahl von Faktoren persönlicher, gesellschaftsbezogener und umweltbedingter Natur ab. Generell läßt sich jedoch feststellen: Je stärker die zivilisatorische Bindung des Einzelnen an dauerhafte Werte wie Religion und — daraus resultierend — Sittlichkeit und Moral ist, je stärker er sich auf den Rückhalt in „seiner” Gemeinschaft, „seiner” Nation verlassen kann, je früher er zu Toleranz und Nächstenliebe erzogen wird, desto leichter fällt ihm das Lernen, desto einfach ist für ihn der tolerante, menschliche Umgang mit Fremdem und Fremden.[410]

Wer selbst stark und gefestigt ist, kann es sich leisten, tolerant zu sein.

Wer aber tolerant ist, wird durch die sich ihm durch die Toleranz öffnenden Möglichkeiten, zu lernen und Erfahrungen auszutauschen, stärker und gefestigter!


6. Nation


„Wann i besoffen bin, frei i mi auch, daß i a Österreicher bin.” [411]


6.1 Begriff


Eine Nation ist „eine soziale Großgruppe, die durch die Gemeinsamkeit von Abstammung, Wohngebiet, Sprache, Religion, Welt– und Gesellschaftvorstellungen, Rechts– und Staatsordnung, Kultur und Geschichte sowie durch die Intensität der Kommunikation bestimmt wird. Nicht immer sind alle Merkmale vorhanden; entscheidend ist, daß die Angehörigen einer Nation von deren Anders– und Besonderssein im Vergleich zu allen anderen Nationen überzeugt sind.”[412]

Mit der Überzeugung kann sich daher auch das Nationalgefühl ändern: „Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk ist, anders als die genetisch bedingte Rasse, ein »abänderliches Schicksal«. Man kann sich germanisieren oder germanisieren lassen, polonisieren oder polonisieren lassen. Allerdings ist dafür immer eine innere Zustimmung notwendig, doch gelingt dieser Prozeß meist in späterem Alter nicht mehr. Am leichtesten zu verändern ist die Staatsbürgerschaft. Sie ist ein rein juridischer Zustand mit gewissen moralischen Aspekten.”[413]

Nationales Denken bedeutet, die Belange, insbesondere die Vorteile der eigenen Nation in den Vordergrund der Erwägungen zu stellen. In Österreich wird zudem damit beinahe automatisch der Begriff „deutschnational”[414] verbunden, der — politisch betrachtet — meist dem Funktionärs– und Wählerkreis der FPÖ zugeordnet wird. Tatsache jedoch ist, daß während der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts ein großer Teil der Österreicher aus allen politischen Lagern,[415] aus allen sozialen Schichten und aus allen Religionsgemeinschaften deutschnational gedacht hat und daß dies auch heute noch — allerdings für einen wesentlich kleineren Bevölkerungsteil — gilt.


6.2 Übersteigerter Nationalstolz: Nationalismus


Kennzeichen einer Nation ist u.a., daß „die Angehörigen einer Nation von deren Anders– und Besonderssein im Vergleich zu allen anderen Nationen überzeugt” sind.[416] Diese Überzeugung beruht auf den Leistungen, die eine Nation im Laufe ihrer Geschichte auf den verschiedensten Gebieten erbracht hat bzw. immer noch erbringt;[417] regelmäßig sind diese Leistungen Grund für das gemeinsame Gefühl berechtigten Stolzes.

Die Interpretation des „Andersseins” als „besser”, „größer”, „älter sein” ist die Übersteigerung des Nationalstolzes zur Überheblichkeit, zum Nationalismus.[418] Vor allem „große Redner”[419] nutzen eine verbreitete Unkenntnis der Bevölkerung[420] der eigenen Nation — oft unter Verwendung geradezu haarsträubender Argumentationen[421] — dazu, um Haß und Verachtung[422] gegenüber anderen Nationen zu säen und mit Hilfe dieser Emotionen gleichzeitig die eigenen, meist illegitimen Macht– und Führungsansprüche zu „rechtfertigen”.[423] Um den Eigennutz zu kaschieren, geschieht die nationalistische Agitation oft im Namen einer dritten Person,[424] einer Religion[425] oder einer (meist abstrakten) Idee.[426]

Die Erfahrung zeigt, daß Menschen, die — privat oder auch beruflich — viele Reisen unternehmen und sich so (mehr oder weniger freiwillig) mit fremden Sprachen, fremden Kulturen und fremden Nationen beschäftigen, sowie jene, die ein fundiertes Wissen um die eigene und um fremde Nationen haben, ihre Berührungsängste viel leichter überwinden können und für Nationalismus weit weniger empfänglich sind als solche, die ihr Land, ihre Region, ihre Stadt oder ihr Dorf nur selten oder gar nicht verlassen!



[297] Mark Twain; vgl. Peter Programm, S. 79.

[298] Bertrand Russell; vgl. Peter Programm, S. 46.

[299] Vgl. Buzek Überlebenstechniken, S. 248; zur Tarnung allgemein vgl. ebenda, S. 248–251.

[300] Perfekte Tarnung durch Zeichnung und Farbe: Eine Variante der Kallima paralekta aus Malaysien; auf den gleich aussehenden Blättern aus seinem heimatlichen Lebensraum ist dieser Falter auch bei genauem Hinsehen fast nicht auszumachen. Vgl. Smart Schmetterlinge, S. 62 f.

[301] Zur Tarnung als Waffe vgl. Ruef Dienst im Bundesheer, S. 276–281; zur Deckung vgl. ebenda, S. 281–284.

[302] Darunter ist etwa das „selbstverständliche” Eintreten für Demokratie und Meinungsvielfalt in Schriften extremer, demokratie– und pluralismusfeindlicher Gruppierungen zu verstehen.

[303] Zu den Umbenennungstaktiken rechter und linker Extremisten vgl. BMI Lagebericht 1996; BMdI Verfassungsschutzbericht 1983 m.w.N.; Bartel/Walendy Selbstmord, S. 9: „Unzweifelhaft handelt es sich in nahezu allen Fällen dieser Art auch nach Umbenennung um den gleichen Verein, um die gleiche Gesellschaft, die gleichen Führungsinstanzen, die gleichen Zielsetzungen.”

[304] Vgl. dazu Groß/Geerds Handbuch, S. 422 f.

[305] Vgl. dazu Groß/Geerds Handbuch, S. 28 f. und S. 549–612, sowie Schima Kriminalität in Österreich.

[306] Kriminalpsychologe Thomas Müller in ORF Report Spezial, 21.46 Uhr.

[307] Vgl. Brunner Umgang, S. 78.

[308] Besonders deutlich demonstriert dies die Darstellung der Fehlinterpretation zur Entgeltlichkeit öffentlicher Toilettenanlagen durch „Außerirdische” bei Brunner Umgang, S. 80 f. o.w.N. Vergleiche mit den Vorurteilen Couleurstudenten gegenüber drängen sich hier geradezu auf. Ob ein Begriff couleurstudentisch geprägt ist und was er im konkreten Fall bedeutet, entzieht sich dem „Hamburger”, der ermittelnden Behörde; sie ist auf die Hilfe erfahrener Couleurstudenten angewiesen, um Fehlinterpretationen zu vermeiden. Auch der Versuch, einen (seriös arbeitenden, aber couleurstudentisch unbeteiligten) Sprachwissenschafter mit der Angelegenheit zu betrauen, macht aus dem „Hamburger” bestenfalls einen „Bayern”, keinesfalls einen zu einer authentischen Interpretation fähigen „Wiener”. Selbst eigenes Erleben und Erfahrungen sind keine Garantie für Objektivität: „Was hast du im Krieg gemacht, Papa? Der Vater aber liest Bücher über diesen Krieg, um sein Erleben mit dem Ereignis in Beziehung zu setzen.” — vgl. Brunner Umgang, S. 236.

[309] Vgl. Brunner Umgang, S. 167; ist der erwünschte Leser „die Öffentlichkeit”, so ist die Sprachebene zwar nicht intim, aber doch sehr spezifisch.

[310] Vgl. Brunner Umgang, S. 167 f.

[311] „Wir nehmen zur Kenntnis, daß wir Wissen aus der Geschichte nicht so anwenden können wie ein Wissen im geschlossenen System der Mathematik. Dort wiederholen sich die Rechensituationen ständig, und eins und eins bleibt, solange wir nicht die Rechenweise verändern, immer zwei.” Vgl. Brunner Umgang, S. 31; dieser Satz gilt für den Historiker wie für den Sprachwissenschafter gleichermaßen, nicht aber für den Kriminalisten: Ein Fingerabdruck ist immer einer bestimmten Person, eine bestimmte Tatwaffe immer einer bestimmten Tat, eine kriminelle Tat immer einem bestimmten Täter oder einer bestimmten Tätergruppe (im Ergebnis) zuzuordnen. Ist eine solche Zuordnung nicht möglich, ist im Strafverfahren die Unschuldsvermutung anzuwenden! Vgl. dazu etwa die Verfahrensgarantie des Art. 6 Abs. 2 EMRK, die in Österreich im Verfassungsrang steht: „Everyone charged with a criminal offence shall be presumed innocent until proved guilty according to law.” — „Toute personne accusée d'une infraction est présumée innocente jusqu'à ce que sa culpabilité ait été légalement établie.” — „Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist.” (Hervorhebungen jeweils nicht im Originaltext.)

[312] Vgl. dazu Wolff Deutsche Sprachgeschichte, S. 15–20, insb. S. 15: Beschreibungsmethoden, Beschreibungsebenen. „Beobachtungsangemessenheit erfordert die vollständige und genaue Wiedergabe aller relevanten Elemente eines Textkorpus sowie die Kennzeichnung ihrer Relationen und Verknüpfungen. Sie beruht zwar auf genauer Datenerhebung, ist jedoch, da sie bereits sprachlich–begrifflich geschieht, nur annäherungsweise und stets schon theoriebezogen zu leisten. Mit anderen Worten: Es gibt keine neutrale Beobachtungssprache; [...] Sprachgeschichte muß sich zu diesem Zweck mancher Hilfswissenschaften bedienen: der Volks– und Kulturkunde, der Soziolinguistik, ethnographischen und ethnomethodologischen Forschung. Beschreibungsangemessenheit verlangt eine „Orientierung und Klassifizierung” [...], bei der schon Zielsetzungen und Erklärungsmodelle wirksam werden. [...] So ist hier vor allem auf Kohärenz (inhaltliche Zusammengehörigkeit) und Konsistenz (innere Einheitlichkeit) zu achten.” Sprachwissenschaft ist daher für Kriminalisten nur bedingt, nämlich nicht als Ermittlungs–, sondern günstigstenfalls als (nachträgliche) Beweishilfe (!) nutzbar!

[313] In diesem Fall scheint es überhaupt aussichtslos, „Erkenntnisse” aus den Bekennerschreiben ermitteln zu wollen; die Tarnungsmöglichkeiten sind derart vielfältig, daß ein „Treffer” nur durch Zufall entstehen kann! Wäre hingegen bekannt, daß (einer) der Täter über derartige Fähigkeiten verfügt — weil er sich etwa anderweitig verraten hat —, so bietet das ein Interpretationskriterium für die Bekennerschreiben der BBA. Vgl. dazu Seelig Gambit, dazu unten Anhang C, 2. Szenar.

[314] Die beste Tarnung kann auch gar keine Tarnung sein, nämlich dann, wenn eine solche erwartet wird!

[315] Vgl. dazu auch Paczensky Testknacker, S. 116: „Darum soll es hier noch einmal ganz deutlich gesagt werden: Die Theorien vom Aufbau der Persönlichkeit, die Methoden, wie man den Charakter des Menschen messen und verschiedene Messungen miteinander vergleichen will, die Prognosen, welches Verhalten wohl zukünftig zu erwarten sei, sind vorerst in der Entwicklung begriffen, oft widersprüchlich und in keinem Fall so gründlich nachgeprüft, daß sie als Grundlage für Lebensentscheidungen dienen können.” Das bedeutet natürlich auch, daß die Analysen der Bekennerschreiben — um bei dem Vergleich zu bleiben — zwar interessant sein mögen, aber als Grundlage für die Ermittlung der Täter nicht geeignet sind. Vgl. zur Unsicherheit der Tests auch Paczensky Testknacker, S. 120.

[316] Der Name und die Arbeitsweise sind dem Verfasser bekannt, sollen jedoch hier nicht erörtert werden. Vgl. dazu news Nr. 24/1997, S. 14 f.

[317] Derartige Ergebnisse liegen z.Z. nicht vor; vgl. dazu die Darstellungen in ORF Report Spezial, insbesondere Robert Hirz von der Kriminaltechnischen Zentralstelle (21.32 Uhr): „Der Täter hat nämlich zu einem Kunstgriff Zuflucht genommen, der uns daran hindert, die Schaltung genau nachzuvollziehen. Aus dem Grund läßt sich nicht mehr genau sagen, wie die genaue Abfolge der Funktion war.”

[318] „Philosophie” ist die „Liebe zur Weisheit”; sie äußert sich im Streben nach jeder Form von Erkenntnis. Vgl. dazu etwa Kunzmann u.a. Atlas, S. 11 l.Sp.

[319] Vgl. ORF Report Spezial, 21.21 Uhr: „Die Fahndung hat bisher 150 Millionen Schilling gekostet.”

[320] Vgl. Gurney Interview: „Es ist eine enorme Herausforderung. Jede Terroristenbombe ist anders, deswegen weiß man nie, was einen erwartet.”

[321] Der Hartberger Pfarrer August Janisch wurde am 03.12.1993 erstes Opfer der Briefbombenanschläge.

[322] Vgl. ORF Report Spezial, 21.18 Uhr.

[323] Zum Begriff der Objektivität vgl. Brunner Umgang, S. 64 u. S. 66: „In einfachen Zusammenhängen wird er [Der Begriff der Objektivität, Anm.] meist als unproblematisch gesehen und seine Bedeutung in den Wortfeldern „richtig” und „wahr” gesucht.” ... „Was hieße dann Objektivität? [...] Alle Gebote der Richtigkeit müssen wahrgenommen werden. [...] Was immer der Historiker mit den Quellen tut, er muß es angeben und nachvollziehbar machen, sich auf die Finger sehen lassen. [...] Das Ergebnis muß so aufbereitet werden, daß es uns in Freiheit zur Verfügung steht, für unseren Umgang mit der Geschichte und unser Handeln. Nicht mehr und nicht weniger. Richtigkeit, Überprüfbarkeit und Verfügbarkeit bestimmen den langwierigen Prozeß vom Datum zum Faktum; [...].” Diese Aussagen sind auch auf den langen Weg des Kriminalisten von den Daten zu den Fakten, die als Beweise zur Überführung des Täters führen, anzuwenden: V.a. für ihn selbst müssen Daten richtig, überprüft und verfügbar sein, damit sie zu Fakten werden können.

[324] Vgl. ORF Report Spezial, 21.18 Uhr: „[...] und es wird nach jedem Anschlag eine neue Einheit gegründet. Nach der fünften Bombenserie wird das heutige System gefunden; es bringt die ersten Ermittlungsfortschritte.”

[325] Die Nachteile dieser Auswechslungs–Strategie liegen auf der Hand: Die neuen Ermittler verlieren einerseits wertvolle Zeit (und verschwenden damit Steuergelder), um sich einzuarbeiten; andererseits wird durch die Ausweitung des an den Ermittlungen beteiligten Personenkreises die notwendige Geheimhaltung schwieriger. Das „Ermittlungsergebnis” — die staatspolizeiliche Erfassung zigtausender personenbezogener Daten — legen in Zusammenhang mit der sonstigen, jahrelangen absoluten Erfolglosigkeit der Fahnder den Verdacht nahe, daß der damalige Innenminister Caspar Einem Amt und Stellung mißbraucht hat, um unter dem Deckmantel der Fahndung nach den Urhebern der Briefbombenanschläge unauffällig Datenmaterial über den politischen Gegner der von ihm vertretenen Partei zu sammeln und zweckentfremdet zu verwerten. Vgl. dazu § 43 Abs. 1 und 2 BDG.

[326] Vgl. ORF Report Spezial, 21.17 Uhr: „Das Kommando führt Friedrich Mahringer. Er gilt als einer der erfahrensten Kriminalisten des Landes. Mit ihm wurde bei der Terrorfahndung eine Trendwende endgültig besiegelt: Weg von den politischen, staatspolizeilichen Ermittlungen, hin zu einer nüchternen kriminalistischen Analyse der Taten. Mahringer: »Man hat eingesehen, daß eine bestimmte Richtung der Ermittlungen nicht zielführend ist, daß die Sache, obwohl auch manchmal vielleicht politsche Motive zu erkennen sind, nur durch intensive Ermittlungen kriminalpolizeilicher Natur zum Ziel zu kommen ist und aufgrund dieser Einsicht hat man die Sonderkommission umorganisiert und hat sie auf neue Beine gestellt.«”
Allein die kriminaltechnischen Ermittlungen gestalteten sich bisher aufgrund des Geschicks der Erbauer der Briefbomben äußerst mühevoll und zeitraubend; vgl. ein verdeckter Fahnder in ORF Report Spezial, 21.19 Uhr, zur Datenfülle: „Wenn man jetzt hernimmt alle Teile, die als Tatmittel zur Verfügung stehen von den explodierten Briefbomben — es ist sicher eine Hundertschaft, ich denke, so an die fünfhundert bis siebenhundert Einzelstücke, die hier lagern und untersucht werden müssen —, wenn wir jetzt davon ausgehen, wir wären so gut und für jedes Einzelstück in der Abklärung, in der genauen Abklärung dieses Tatmittels nur einen Tag bräuchten, hätten wir schon siebenhundert Tage, nur um jedes einzelne Stück abgeklärt zu haben.”

[327] Friedrich Mahringer in ORF Report Spezial, 21.13 Uhr.

[328] Vgl. dazu § 43 Abs. 1 BDG: „Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.” (Hervorhebungen nicht im Original.)

[329] Sie können den Beamten sogar bis zur Befangenheit beeinträchtigen; vgl. § 47 BDG.

[330] Vgl. zur Objektivität auch Brunner Umgang, S. 64 u. S. 66.

[331] In Irland hat man das aufgrund der schrecklichen Erfahrungen mit dem Terror der IRA und anderer Gruppierungen begreifen müssen; vgl. dazu auch Gurney Interview: „Die Moral von Leuten, die so etwas tun, interessiert mich nicht, aber aus einem Fahrzeug im Herzen von Whitehall Bomben mit einer solchen Genauigkeit abzufeuern, das war sehr gute Arbeit.”

[332] Vgl. Peter Programm, S. 104.

[333] Vgl. dazu Parkinson Gesetz, S. 12: „Arbeit läßt sich wie Gummi dehnen, um die Zeit auszufüllen, die für sie zur Verfügung steht. [...] Geht man davon aus, daß sich Arbeit (besonders Schreibarbeit) durchaus elastisch gegenüber der Zeit verhält, dann wird sichtbar, daß geringe oder gar keine Beziehung zwischen einem bestimmten Arbeitspensum und der Zahl der Angestellten, die das Pensum erledigen sollen, besteht. Mangel an echter Tätigkeit muß nicht notwendig Müßiggang genannt werden [...] vielmehr schwillt die Arbeit an und gewinnt sowohl an Bedeutung als an Schwierigkeiten, je mehr Zeit man auf sie verwenden darf.” Vgl. dazu auch Peter Program, S. 106 f.: Wenn ein angemessenes Ziel fehlt, versucht man diesen Mangel oft durch erhöhten Input auszugleichen — man stellt mehr Arbeitskräfte ein, setzt die Anforderungen herauf, treibt die Angestellten zu größerer Leistung an. Fehlt ein Ziel, das genau umreißt, was erreicht werden soll, mag der einzelne seine Leistung noch so sehr steigern und noch so emsig arbeiten — es bleibt am Ende doch eine nutzlose Aktivität, die nichts bewirkt.”

[334] Vgl. dazu auch Peter Programm, S. 105: „Das Fehlen vernünftig durchdachter Ziele wird in vielen menschlichen Unternehmungen offenbar. Unglücklicherweise bedarf der Mensch keiner lohnenden Ziele, um sich heftig anzustrengen. Alles, was er braucht, ist eine Richtung, selbst wenn es Eskalation um der Eskalation willen oder selbstzerstörerische Eskalation in völliger Blindheit ist. 'Ich bin verloren, aber ich mache Rekordzeit!' (Ein Pilot, irgendwo über dem Pazifik).”

[335] Vgl. Peter Programm, S. 106.

[336] Derartiges erinnert an polizeistaatliche Maßnahmen Metternich'scher Prägung und verstößt gegen § 43 Abs. 2 BDG!

[337] Vgl. dazu Pkt. 40 des Peter–Programms: „Die Peter–Praline: Geben Sie Ihren Mitarbeitern einen Anreiz, sich für Ihre Ziele zu engagieren. [...] Finden Sie heraus, wie Sie die Menschen, mit denen Sie zu tun haben, für ihr Ziel gewinnen und ihnen ihre Aufgabe schmackhaft machen können.” (Vgl. Peter Programm, S. 123.) sowie Peter–Programm Pkt. 52: „Das Peter–Paar: Verknüpfen Sie mit dem Ansporn zu einer Entwicklung, die sie fördern wollen, einen zusätzlichen Anreiz.” (Vgl. Peter Programm, S. 146.) Das sind mit Sicherheit bessere Beiträge zur Effizienz einer Behörde als etwa die bei der Salzburger Landesregierung üblichen „Flexibilitätstests”.

[338] Dieser muß sicherstellen, daß Lob und Tadel, Erfolg und Mißerfolg, Belohnung und Buße auch als solche empfunden werden; vgl. Peter Programm, S. 154 Pkt. 57: „Die Peter–Privatbehandlung: Verteilen Sie Belohnungen individuell und unterscheiden Sie dabei erkennbar zwischen guten und schlechten Leistungen. Wenn Belohnungen an Leistungen gebunden sind, dann sollten sie groß genug sein, damit sie auch als solche erkannt werden. Das gilt sowohl für Lohn und Gehalt als auch für alle anderen Belohnungsverfahren. Unfähigen Mitarbeitern jährlich das Gehalt um 5 Prozent aufzubessern und fähigen Mitarbeitern 10 Prozent mehr zu geben ist wirkungslos. Was immer zugunsten derartiger finanzieller Hätscheleien gesagt wird, sie haben sich weder als wirksamer Anreiz noch als Bekräftigung erwiesen. »Wer jedermann lobt, lobt niemanden.« Samuel Johnson.” Vgl. dazu auch den prägnanten Ausspruch von Franz Josef Strauß: „Wer everybody's Darling sein möchte, ist zuletzt everybody's Depp.” (Vgl. Wald–Wagenburg/Klein Bildband Strauß, S. 10 r.Sp.)

[339] Vgl. Peter Programm, S. 147: „Ich begann damit, daß ich die Studenten aufforderte, ihre Arbeitsziele zu definieren, ihre Erfolgskriterien aufzustellen, die Orientierungspunkte festzulegen und an jedem dieser Kontrollpunkte das Projekt zu bewerten. Mit anderen Worten: statt sie zu ermuntern, ihr Vorhaben so auszuführen, wie ich es für richtig hielt, ermunterte ich sie, ihr eigenes Vorhaben nach ihren eigenen Kriterien zu bewerten. Für jede günstige wie für jede ungünstige Bewertung erhielten sie Lob, sofern die Bewertung mit dem gesetzten Ziel in Einklang stand. Dieses Verfahren verhalf den Studenten zu einer unabhängigen Selbstbewertung.”

[340] Art. 1 B–VG; diese Bestimmung hat nur programmatischen Charakter und ist im Zusammenhang mit anderen Verfassungsbestimmungen zu interpretieren; vgl. dazu Walter/Mayer Bundesverfassungsrecht, S. 62 RZ 147–152. Zur Aufrechterhaltung der demokratischen Grundordnung verpflichtet u.a. auch Art. 8 StVvWien (vgl. auch Art. 1 StaatsformG, StGBl. 484/1919 v. 21.10.1919). Garant für den Schutz der Demokratie ist in Österreich nicht die Polizei — die Beamten sind nur gem. § 7 BDG angelobt —, sondern das Bundesheer; vgl. Art. 79 Abs. 2 Z. 1 lit. a B–VG sowie einfachgesetzlich § 2 Abs. 1 lit. a WehrG, BGBl. 305/1990.

[341] Vgl. Leser Salz, S. 215 m.w.N. Vgl. dazu auch Schuschnigg Dreimal Österreich, S. 214: „Die Demokratie in Österreich in ihren bisherigen Formen war zum Tode verurteilt seit der Stunde, in der es offenbar geworden war, daß allzuviele ihrer Träger das Land in Wirklichkeit gar nicht wollten und jeweils mit auswärtiger Hilfe, bald von da, bald von dort, ihre Pläne durchzusetzen sich bemühten. Sie war kompromittiert durch die bereits in früheren Jahren bekannt gewordene Erklärung des maßgeblichen Teils der sozialistischen Führung, daß die Demokratie nur ein Übergangsstadium zur Diktatur des Proletariats bedeute.”

[342] Vgl. Kaltenbrunner Weltbewahrung, S. 151: „Viele denken bei dem Wort Demokratie an Freiheit; die Demokraten schmeicheln sich, Hüter der individuellen Freiheit zu sein. Doch an sich hat Demokratie nur wenig mit Freiheit zu tun, sie bringt nicht ohne weiteres die Freiheit. Die demokratischen Massen mögen diese sogar als eine drückende Last ansehen und in einem Plebiszit wünschen, daß sie ihnen von einem Diktator oder einer populären Elite abgenommen werde. Auf demokratischem Wege vollzogene Plebiszite haben immer wieder der Despotie, dem Fanatismus und der Unmenschlichkeit Vorschub geleistet.”

[343] Vgl. dazu Meyers Taschenlexikon 1990 Bd. 5, S. 125 r.Sp.f., sowie Kaltenbrunner Weltbewahrung, S. 165 f.: „Es erscheint [...] nicht überflüssig, daran zu erinnern, daß die erdrückende Mehrheit der Diktaturen, die Demokratien zu sein vorgeben, sich auf linke Ideale berufen, also auf Sozialismus, Kommunismus, Emanzipation, Befreiung, Brüderlichkeit oder dergleichen. Vielfach ist das reiner Schwindel, der von allen demokratischen Linken empört zurückgewiesen werden müßte; doch eben diese Abwehr findet nur selten statt. Dabei war es doch offenkundig, daß nach der Niederlage Hitlers und Mussolinis sowie mancher gemäßigter Rechts–Diktaturen jeder neue Tyrann schon aus bloßem Opportunismus im weitesten Sinne linke Ideen benützen würde, um dadurch einer Verurteilung der progressistisch–demokratischen „Weltmeinung” zu entgehen. Daß eine derartige Inflation des Wortes Demokratie, die dazu führt, daß sich sowohl die Bundesrepublik Deutschland, die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Vereinigten Staaten von Amerika als auch die Sowjetunion, Vietnam und Lybien als demokratisch deklarieren, im Endergebnis das Prestige und die Autorität der wirklichen Demokratien schwächen muß, ist evident.

[344] Vgl. dazu Engels Grundsätze, S. 74: „18. Frage: Welchen Entwicklungsgang wird diese Revolution nehmen? Antwort: Sie wird vor allen Dingen eine demokratische Staatsverfassung und damit direkt oder indirekt die politische Herrschaft des Proletariats herstellen. [...] Die Demokratie würde dem Proletariat ganz nutzlos sein, wenn sie nicht sofort als Mittel zur Durchsetzung weiterer, direkt das Privateigentum angreifender und die Existenz des Proletariats sicherstellender Maßnahmen benutzt würde.” Vgl. dazu auch die Verfassungen diverser kommunistischer Länder; für die DDR vgl. Hildebrandt Verfassungen, S. 195: „Art. 1: Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik; [...] Art. 3: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. [...]” (Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 07.10.1949). Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde die diktatorische und menschenverachtende Praxis dieser „Demokratie” endgültig allgemein offenbar.

[345] Vgl. Hitler Mein Kampf, S. 100: „Gott sei gedankt, darin liegt ja eben der Sinn einer germanischen Demokratie, daß nicht der nächstbeste unwürdige Streber und moralische Drückeberger auf Umwegen zur Regierung seiner Volksgenossen kommt, sondern daß schon durch die Größe der zu übernehmenden Verantwortung Nichtskönner und Schwächlinge zurückgeschreckt werden.” Auch die Faschisten verstanden ihre Regierung als „die edelste Form der Demokratie”; vgl. Kaltenbrunner Weltbewahrung, S. 146–148 m.w.N.

[346] Vgl. dazu etwa Mao Quotations, S. 23 m.w.N.: „The democratic revolution is the necessary preparation for the socialist revolution, and the socialist revolution is the inevitable sequel to the democratic revolution. The ultimate aim for which all communists strive is to bring about a socialist and communist society.”

[347] Vgl. dazu Leser Salz, S. 215: „In der Zwischenkriegszeit gab es den linkssozialistischen Slogan »Demokratie, das ist nicht viel, Sozialismus ist das Ziel«, der eine gewisse Geringschätzung der Demokratie zugunsten des Sozialismus zum Ausdruck brachte. Heute, da die Enttäuschung am Sozialismus verbreitet ist, meinen viele, sich durch eine Ausuferung der Demokratie schadlos halten und positiv kompensieren zu können. In Wirklichkeit liegt aber auch dem Demokratisierungspostulat ein Irrtum der Linken zugrunde, der sich durch ihr ganzes Denken zieht: der Irrtum, daß der Schwerpunkt der menschlichen Existenz im politischen Bereich liegt und daß daher alle Lebensbereiche nach dem Muster der Politik zu formen sind. In Wahrheit ist der Bereich der Politik ein sehr wichtiges Segment, das die Rahmenbedingungen für das Funktionieren anderer Bereiche schafft und festlegt. Das bedeutet aber nicht, daß auch die Inhalte dieser anderen Bereiche politisch sind und daß das Sehnen der Menschheit dahingeht, auch diese Bereiche zu politisieren. [...] Die Menschen lassen diese Tendenzen aus Angst und Trägheit allenfalls über sich ergehen, sie entsprechen aber nicht ihren tiefsten Wünschen, die mit Politik wenig und nur mittelbar zu tun haben. Deshalb gehen auch die Demokratisierungspostulate, die nicht durch existentielle Bedürfnisse (wie die Gestaltung der Lebenswirklichkeit im engsten Kreis und im regionalen Umfeld) gedeckt sind, am Wollen der Menschen vorbei und erweisen sich, wenn der erste Rausch der Partizipation verflogen und ausgekostet ist, als ideologische Konstruktion, die am Wesen des Menschen vorbeizielt und nur kleine Minderheiten dauernd zu erregen vermag.” Die immer weiter zurückgehende Wahlbeteiligung bei den Wahlen zur ÖH etwa ist ein beredtes Beispiel für die Folgen dieses sozialistischen Demokratieverständnisses: Der Übergang vom naturrechtlichen geprägten universitären Standesrecht, einem akademischen Grundpfeiler, zur „allgemeinen Demokratisierung”, die in den sechziger Jahren gefordert und von den Sozialistien in den siebziger Jahren durchgesetzt wurde, hat dazu geführt, daß heute die Bundesministerien Lehre und Studienpläne bestimmen, während der akademische Gedanke (und mit ihm ein gerüttelt Maß demokratischer Streitkultur) von den Universitäten verschwindet und sich die studentische Auseinandersetzung mit der Demokratie in einem einzigen Wahlakt alle zwei Jahre erschöpft. Durch den gleichzeitigen Autonomieverlust aber ist das, was bei dieser demokratischen Wahl bewirkt werden kann, stark beschnitten, was wiederum zur Frustration der Wählenden und zur visionslosen Selbstzerfleischung der Gewählten in kleinlichen, parteipolitisch motivierten Grabenkämpfen führt. So ist durch daraus resultierende Wahlbeteiligungen von unter 25 % der Wahlberechtigten die Demokratie an Österreichs Universitäten eine hohle Schale ohne Inhalt geworden, die sich mangels „demokratischer Legitimation” der „Studentenvertreter” selbst ad absurdum führt, dafür aber viel Geld kostet und Kräfte bindet. Vgl. dazu auch Kuehnelt–Leddihn Weichen, S. 205: „Sättigung und Übersättigung regt den Geist nicht an. Plenus venter non studet libenter.” Die Sättigung, die wir erleben, zeigt sich nicht nur an diversen Wohlstandsstatistiken der Vereinten Nationen, sondern auch an der Demokratie– und Politikverdrossenheit der österreichischen (besonders der jugendlichen) Bürger. Sie resultiert in einem eklatanten Mangel an politischer Denkarbeit, die für den aktiven Bestand der Demokratie unerläßlich ist. Vgl. jedoch ebenda: „Bei leerem Magen hätten jedoch die Volksverführer eine ganz große Chance.”– Das Problem beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Universitäten, sondern hat die Bevölkerung an sich erfaßt; vgl. dazu Molden Österreicher, S. 7: „Die stärkste Partei Österreichs ist in Wirklichkeit die sogenannte »Blutgruppe Null«. Sie repräsentiert jene Menschen, die sich weder ideologisch noch tagespolitisch/taktisch zu einem der erwähnten traditionellen politischen Lager Österreichs hingezogen fühlen.” Das politische Interesse der Österreicher läßt auf ihren Mangel an „Nationswilligkeit” und Demokratiebewußtsein schließen. Die Vermutung liegt nahe, dies wäre beabsichtigt und von langer Hand zum Zwecke des Machterhaltes geplant — honi soit qui mal y pense!

[348] So wie Engels das auch getan hat, bezeichnet dementsprechend auch Mao den Kommunismus als demokratisch; vgl. Mao Demokratische Diktatur, S. 437–452. Die das ganze Volk erfassende „Ultra–Demokratie” ist seiner Ansicht nach zu verwerfen und zu bekämpfen (vgl. Mao Quotations, S. 163 f.), denn: „Education in democracy must be carried on within the Party so that members can understand the meaning of democratic life, the meaning of the relationship between democracy and centralism, and the way in which democratic centralism should be put into practice. Only in this way we really extend democracy within the Party and at the same time avoid ultra–democracy and the laissez–faire which destroys discipline.” Vgl. Mao Quotations, S. 162 f. m.w.N.

[349] Vgl. Kaltenbrunner Weltbewahrung, S. 150 f. Allgemeine Wahlen, Meinungsfreiheit und Parteienkonkurrenz sind keine Garantien, sondern Voraussetzungen für die Volksherrschaft. Diese Aspekte sind stets zu hinterfragen, um den freiheitlichen oder diktatorischen Charakter einer Demokratie erkennen zu können; sind etwa wichtige Anteile am Mediengeschehen eines Landes verstaatlicht und durch — demokratisch gewählte — staatstragende politische Parteien beeinflußbar, kann von Meinungsfreiheit i.S.d. Art. 10 EMRK kaum gesprochen werden; es besteht vielmehr die Gefahr eines Meinungsdiktates durch die gewählten Volksvertreter und ihrer Parteien zum Zweck des Machterhalts — Rousseau sprach von der Tyrannei der gewählten Repräsentanten; vgl. Walter/Mayer Bundesverfassungsrecht, S. 63 RZ 148 — und/oder der von ihnen beeinflußten Staatsbürokratie unter dem Deckmantel der Demokratie. Eine tyrannische Demokratie ist jedenfalls zu hinterfragen; sie liegt regelmäßig dann vor, wenn eine Herrschaft einer Minderheit über eine Mehrheit, aber auch dann, wenn eine solche von einer Mehrheit über eine Minderheit — vgl. Kuehnelt–Leddihn Weichen, S. 58 f. — festgestellt werden kann; vgl. dazu auch Kaufmann Gerechtigkeit, S. 110: „Die Verabsolutierung des Mehrheitsprinzips ist, wie alles Verabsolutierte, von Übel”; Mill Utilitarismus, S. 72–111, sowie Kuehnelt–Leddihn Rechts, S. 80: „Nun aber sind religiöse Diskussionen durch Leidenschaftlichkeit gekennzeichnet, und die Demokratie–Kritik bekommt daher fast automatisch für fromme Demokraten einen pietätlos–obszön–blasphemischen Charakter. Gleich dahinter lauert auch ein böser Verdacht, ausgelöst durch die unmittelbare geschichtliche Vergangenheit: wer die Demokratie in Frage stellt, kann »doch nichts anderes wollen als eine neue Diktatur«. Das ist ein rasanter Blödsinn, denn der Alternativen gibt es viele.”

[350] Vgl. Kaltenbrunner Weltbewahrung, S. 154.

[351] Unter „Moral” soll hier ein „gesellschaftliches Gewissen” verstanden werden, etwa ein weitgehend gemeinsames Empfinden für Recht und Unrecht.

[352] Zu diesem Begriff vgl. Börner in Eunomia 1993, S. 11: „Um die verschiedenen Tugenden zu erkennen, können wir einerseits auf den Verstand (z. B. Einsicht, Weisheit, Vernunft, Wissenschaft), und andererseits auf die Einsicht (ethische Tugenden; z.B. Gerechtigkeit, Tapferkeit, Mäßigkeit, Freigebigkeit) zurückgreifen. Aus der Antike (Platon, Aristoteles, ...) kennen wir vier Haupttugenden, an denen die anderen Tugenden befestigt sind wie die Tür in den Angeln. [...] Es sind dies: Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß. Das Christentum (Augustinus, Alkuin, Thomas von Aquin, ...) begründete die Lehre von den „Göttlichen Tugenden”, die der menschlichen Seele eingegossen seien. Sie lauten: Glaube, Liebe, Hoffnung. Als Konservativer füge ich diesen sieben noch drei Tugenden hinzu: Einsatz, Treue, Respekt.” Vgl. dazu auch Mußhof in Eunomia 1993, S. 21 f., sowie Mock Demokratie, S. 30–36.

[353] Vgl. Hersch Menschenrechte, S. 15: „Ich glaube, daß es kein Recht gibt, das nicht gleichzeitig auch eine Pflicht beinhaltet. Man braucht eigentlich nicht einmal zwei Listen mit den Rechten und den entsprechenden Pflichten zu schreiben, sondern richtig verstanden und unter den konkreten Bedingungen, unter denen die Menschen leben, ist jedes Recht immer auch eine Pflicht. Es enthält z.B. die Pflicht, den anderen zu achten, ihm seinen Frei– und Lebensraum zu lassen, ihn zu ehren usw. Das geht sehr weit. Die ganze Moral kommt da herein, nicht wahr? Deswegen ist es auch so schwer, die Menschenrechte juristisch zu begrenzen.”

[354] Zur Autorität vgl. Leitner u.a. Lehrbuch, S. 137: „Autorität wurde früher als etwas der Demokratie entgegengesetztes verstanden. Man setzte Autorität mit autoritär gleich und hielt beiden Freiheit und Demokratie entgegen. Freiheit kann aber ohne Autorität nicht sein, sie braucht die Autorität all derjenigen Einrichtungen und Kräfte, die die Freiheit gewährleisten. Wo diese Autorität fehlt, verschwindet die Freiheit; sie droht in Anarchie, Bürgerkrieg und Diktatur umzuschlagen. Die freiheitliche Demokratie steht und fällt mit der Autorität der Verfassung und ihrer Institutionen. [...] Autorität ist allerdings keine Einbahnstraße. Die Autorität einer Institution bürdet ihrem Träger auch Verantwortung auf: Er muß sich der der Verfassung zugrundeliegenden Werte bewußt werden und diesen Werten entsprechend seine Autorität ausnutzen. Nur dann, wenn im Verhalten der Institutionsträger die den Verfassungseinrichtungen zugrundeliegenden geistig–sittlichen Gehalte zum Ausdruck kommen, wird der gesamte demokratische Staat Autorität und somit relative Stabilität aufweisen. Wo aber einzelne oder Gruppen die Mehrheit im Staat bzw. Staatsämter anstreben, um den Staatsapparat überwiegend in den Dienst eigener, persönlicher oder parteilicher Interessen zu stellen, verliert zwangsläufig nicht nur der Träger der Institution an persönlicher Autorität, sondern werden auch die Institutionen selbst und damit der Staat entwertet.” Vgl. auch Ledel in CARO♦AS 5/1995, S. 3–5.
Zur Verantwortung vgl. Kaufmann Gerechtigkeit, S. 110 f. „Das Verantwortungsprinzip fordert, unser Handeln danach einzurichten, daß davon nicht die Möglichkeit einer Zerstörung, Gefährdung oder Minderung menschlichen Lebens und seiner Umwelt ausgehen kann. [...] Hier muß man versuchen, eine Einsicht in die wirklichen Zusammenhänge zu vermitteln und dabei nicht die Gefühle, sondern die Vernunft der Menschen anzusprechen. Die meisten Menschen sind durchaus bereit, verantwortlich zu handeln, wenn sie die nötige Einsicht gewonnen haben.” Zur Politikerverantwortung vgl. JU Grundsatzprogramm, S. 32 f. Pkt. 85: „Politiker sind verantwortlich für Vertrauen in der Demokratie. 85. Politiker sind Repräsentanten unseres Gemeinwesens und deshalb in herausgehobener Weise dafür verantwortlich, daß die Demokratie vertrauenswürdig bleibt. An ihre persönliche Integrität muß daher ein besonders hoher Maßstab angelegt werden. Wo Abhängigkeiten und Interessenskonflikte bestehen, müssen sie offen dargelegt werden. In der politischen Auseinandersetzung muß stets die Achtung vor der Person des anderen gewahrt werden. Politiker müssen bereit sein, ihre eigene Position in Frage zu stellen. Politiker brauchen Freiräume, um nachdenken zu können und ihr eigenes Handeln kritisch zu überprüfen. Nur so werden sie ihre Unabhängigkeit bewahren können. [Politiker, die nicht nachdenken, denen im Politalltag die Zeit genommen wird, nachzudenken, werden daher mangels Unabhängigkeit von ihren (tagtäglich gleichbleibenden) Informationsquellen, die ihnen alles mund– und redegerecht servieren, immer häufiger Fehlentscheidungen treffen; Anm.] Politiker brauchen Kontakt zur Gesellschaft, deshalb darf Politik nicht als lebenslanger Beruf in einem beamtenähnlichen Status ausgeübt werden. Wir wünschen uns einen personellen Austausch, besonders zwischen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft.” — Wer Aufgaben im Staat übernimmt, ist denjenigen gegenüber, denen er dient, auch Rechenschaft schuldig und muß bei Fehlverhalten wirksam im Sinne strafrechtlicher Sanktion und Prävention zur Verantwortung gezogen werden können. Eine Verschärfung des Disziplinarrechts in der Hinsicht, daß es dem Unterworfenen bewußt macht, daß er zu dienen und nicht zu herrschen hat, ist daher weitere Voraussetzung für die Entwicklung demokratischer Verhältnisse; vgl. dazu auch Ledel DA, S. 34–47 sowie S. 103 m.w.N. Die Tatsache, daß in der Zweiten Republik kaum ein Regierungsmitglied wegen Verantwortungslosigkeit zu langjährigen Haftstrafen verurteilt oder auch nur auf Dauer aus dem öffentlichen Dienst ausgeschlossen worden ist, ist verdachterregend: Auch Regierungsmitglieder sind nur Menschen, und Fehlverhalten ist menschlich, es kommt nun einmal vor; das Decken dieses Fehlverhaltens durch die parteipolitischen „Mitstreiter” dient daher nur dem Erhalt der Partei– bzw. Regierungsmacht, die dadurch unmoralisch und demokratisch unlegitimierbar wird. — Das Bewußtmachen der Verantwortlichkeit des Dienenden (und der dafür gewährte, selbstverständliche Ausgleich durch entsprechende Privilegien, deren Mißbrauch und parteipolitisch nutzbar gemachte Umdeutung zum Selbstzweck abgeschafft werden muß!) ist für die Demokratie unerläßlich, soll nicht die Herrschaft des Volkes durch das Volk und für das Volk durch die Herrschaft über das Volk durch die Mehrheit seiner Repräsentanten ersetzt werden.
Zum Zusammenhang von Autorität und Verantwortung vgl. Oberndorfer in Mock, S. 65: „Mit der Verantwortung aber untrennbar verbunden wird dann auch die heute schon vielfach fragwürdig gewordene Autorität unserer Repräsentanten sein. [Diese Autorität haben die vom Volk gewählten Vertreter nicht aufgrund ihres Status, sondern aufgrund des auf wirkungsvoller Kontrolle beruhenden Vertrauens der Bürger in ihre Vertreter; Anm.] Denn mit Eschenburg können wir als Korrelat zur Verantwortung die Autorität feststellen. [FN: Eschenburg, Über Autorität, 1965, S. 172.] Wenn es auch nicht sehr modern ist, von Autorität zu sprechen, so ist und bleibt doch eines sicher: ebenso wie eine Demokratie nur funktionieren kann, wenn sie verantwortungsbewußte Staatsmänner hervorbringt, hängt die Funktionsfähigkeit einer demokratischen Regierung von der Autorität ihrer Mitglieder ab.” Zum Begriff des „Staatsmannes” vgl. Kuehnelt–Leddihn Weichen, S. 141: „Ein Staatsmann denkt, wie wir sagten, an das Geschick seiner Enkel, ein Politiker hingegen an seine Wiederwahl, ein Staatsmann will Geschichte machen, ein Politiker hingegen nur Politik. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Ein Politiker ist ein Amateur, ein Staatsmann ein Fachmann, manchmal sogar ein Gelehrter.”

[355] Zur Freiheit vgl. etwa Kaltenbrunner Konservativismus, S. 37–49, sowie Wald–Wagenburg/Klein Bildband Strauß, S. 69: „In ihrer Kontur wurde schon damals das Gegensatzpaar »Freiheit oder Sozialismus« erkennbar, das für Franz Josef Strauß freilich auch in späteren Jahren nie ein Slogan war, sondern die auf eine kurze Formel gebrachte Beschreibung der historischen Auseinandersetzung zwischen der bewährten und mühsam erkämpften Freiheit des einzelnen und dem totalen Machtanspruch des anonymen Kollektivs.” Zur Disziplin Ledel DA, S. 3–14. Wie die anderen demokratischen Tugenden auch, ist die Freiheit kein Selbstzweck und daher nicht schrankenlos (so könnte man etwa dem Leitspruch der Wiener Sezession „Der Zeit ihre Kunst — Der Kunst ihre Freiheit” hinzufügen: „Der Freiheit ihre Grenzen”). Sie ist Voraussetzung für das Erreichen des Gemeinwohls, welches wiederum abhängig ist vom Wohl möglichst vieler Individuen. Notwendige Einschränkungen der Freiheit müssen daher verhältnismäßig sein, d.h. so gering wie möglich, um die Zweckerreichung zu garantieren; vgl. dazu etwa Art. 1 Abs. 3 PersFrG, BGBl. 684/1988 v. 29.11.1988, sowie § 29 SPG; selbstverständlich solche Normen nur dann etwas wert, wenn sie auch durchgesetzt werden bzw. wirkungsvoll Schadensersatz verlangt werden kann; vgl. etwa §§ 30, 87–92 SPG sowie §§ 1 f. GRBG i.V.m. Art. 5 Abs. 5 EMRK.

[356] Vgl. dazu Kaufmann Gerechtigkeit, S. 110: „Noch ein Wort zur Fairneß. Fairneß heißt, daß die eine Seite nicht alle Vorteile und die andere Seite nicht alle Lasten tragen muß. Fairneß — und Freiheit! — zeigt sich vor allem daran, wie die Minderheiten behandelt werden.”

[357] Vgl. dazu Mill Utilitarismus, S. 72–111: „Über den Zusammenhang zwischen Gerechtigkeit und Nützlichkeit.” Vgl. insb. ebenda S. 106: „Das Prinzip, jedem das zu geben, was er verdient, d. h. Gutes mit Gutem und Übles mit Üblem zu vergelten, ist daher nicht nur in dem Begriff der Gerechtigkeit, wie wir ihn bestimmt haben, enthalten, sondern ist zugleich auch Gegenstand jenes eigentümlich intensiven Gefühls, das die Gerechtigkeit in der Wertschätzung des Menschen über die bloße Nützlichkeit stellt.” Gerechtigkeitsempfinden ergibt Zusammengehörigkeitsgefühl — und das ist die Grundlage für die Existenz einer Nation. Korruption, wie sie in Österreich immer wieder publik wird, ihre mangelnde Bestrafung und ihre weite Verbreitung, ihre „Normalität” verhindert aber das Entstehen eines Gerechtigkeitsgefühls und damit auch den Bestand einer Nation. In Österreich allerdings kommt zu diesem Problem die Verfassungsrealität noch hinzu: Der Rechtspositivismus und ihr prominentester Vertreter, Hans Kelsen, der „Vater” der Österreichischen Bundesverfassung, leugnen die Existenz von Gerechtigkeit; vgl. dazu Kelsen Rechtslehre 1934, S. 15 f.: „Gerechtigkeit ist ein irrationales Ideal. So unentbehrlich es für das Wollen und Handeln des Menschen sein mag, dem Erkennen ist es nicht zugänglich.” Erkennen kann man jedenfalls den Mangel an Gerechtigkeit bzw. den Mangel an Vertrauen in Gerechtigkeit daran, daß das „positive Recht” vermehrt vom Individuum außer Kraft gesetzt und das „Recht” — die Gerechtigkeit — in die eigene Hand genommen wird. Mit anderen Worten: Je weniger die Rechtsordnung auf Gerechtigkeit bedacht ist, desto häufiger kommt es zur gesetzesübertretenden Selbstjustiz (vgl. § 19 ABGB; dazu ausführlich Reischauer in Rummel, S. 57–65, mit Verweis auf § 3 StGB). Jahre später setzt Kelsen dem noch die Krone auf: „Ein positives Recht gilt nicht, weil es gerecht ist, das heißt: weil seine Setzung einer Gerechtigkeitsnorm entspricht, und gilt auch, wenn es ungerecht ist.” Vgl. Kelsen Rechtslehre 1967, S. 402. Eine derartige Formulierung begünstigt nicht nur Totalitarismus und Radikalismus, sie legitimiert sie sogar; dazu kritisch Ledel DA, S. 46 FN 231, sowie zum Rechtspositivismus Kuehnelt–Leddihn Weichen, S. 200: „In der Rechtssprechung ist der Standpunkt des Rechtspositivismus — d. h. die Überzeugung, daß was immer der Staat vorschreibt, legal und moralisch verantwortbar ist — zu verwerfen. Gerechtigkeit ist übrigens nicht Gleichheit, sondern bedeutet, in Ulpians Worten, suum cuique, »Jedem das Seine«. Der Staat soll nicht willkürlich Gesetze erlassen. Das Recht (das bestimmt, was recht und was unrecht ist) muß »gesucht« und »gefunden«, nicht willkürlich bestimmt werden.” Kelsens Positivismus ist daher nicht, wie vielfach vorgegeben wird, demokratisch, sondern freiheitsfeindlich–totalitär. Gesetze können ihmzufolge auch jederzeit — je nach Gutdünken und Opportunität — geändert werden, was das Vertrauen der Bürger in die Rechtsstaatlichkeit auf lange Sicht erschüttert. Besonders ist dies der Fall bei häufigen Änderungen derselben Materie, wie dies in Österreich etwa beim ASVG geschehen ist.

[358] Vgl. Mill Freiheit, S. 143: „Jeder ist verpflichtet, all diese Umstände in Rechnung zu ziehen, ehe er sich zu einem Schritt entschließt, der so wichtige Angelegenheiten anderer betrifft. Wenn man auf diese nicht das gebührende Gewicht legt, ist man moralisch verantwortlich für das Unrecht. Ich habe diese selbstverständliche Bemerkung nur gemacht, um das allgemeine Prinzip der Freiheit besser zu erläutern, [...]”

[359] Vgl. Mill Freiheit, S. 77 und S. 87: „Nicht dadurch, daß man alles Individuelle zur Einförmigkeit abflacht, sondern indem man es ausbildet und seine Kräfte aufbietet — innerhalb der durch die Rechte und Interessen anderer gezogenen Grenzen —, wird das menschliche Wesen zu einem edlen und schönen Gegenstand der Betrachtung.” Vgl. auch Leitner u.a. Lehrbuch, S. 139: „Obwohl auf den ersten Blick nicht leicht einzusehen ist, warum »Demokratie« im Sinne von Kontrolle der Herrscher durch die Beherrschten bzw. Abhängigkeit und Verantwortlichkeit der Herrschaftsträger gegenüber den Herrschaftsunterworfenen und der Öffentlichkeit auf die staatliche Herrschaftsordnung beschränkt sein soll, wäre es ein sinnloses Unterfangen, in allen gesellschaftlichen Bereichen absolute Gleichheit einführen zu wollen. Das wird allein schon durch die Wesensverschiedenheit der Menschen verhindert. Es ist darüber hinaus eine Erfahrungstatsache, daß selbst in demokratisch geordneten Sozialbereichen gewisse Ungleichheiten schon allein auf Grund der Arbeitsteilung bestehen müssen. Ein Mehr an Freiheit, Gleichheit, Verantwortlichkeit, Öffentlichkeit in nichtstaatlichen Machtbereichen scheint jedoch realisierbar, wenn auch die formalen Mechanismen der Demokratie als Staatsform auf dem gesellschaftlichen Bereich nur bedingt übertragbar sind.”

[360] Vgl. § 16 ABGB.

[361] Vgl. Marx/Engels Manifest, S. 23.

[362] Vgl. Leitner u.a. Lehrbuch, S. 141: „Eine Diktatur ist ein Staat, in dem sich alle vor einem fürchten und einer vor allen. (Alberto Moravia)” Dieser „eine” kann ohne weiteres auch „die Bürokratie”, „die gewählte Volksvertretung”, „die demokratisch gewählte, regierende Partei” sein.

[363] Dazu gehört neben den periodischen Wahlgängen auch die Verantwortlichkeit für die übertragene Macht und ihre Beschränkung im Ausmaß. So hat etwa ein Minister nur so viel (Exekutiv–) Gewalt, nur so viel Macht, wie das Volk ihm gibt, d.h. wie es ihm in Übereinstimmung mit dem Volkswillen gesetzlich zugestanden wird. Wenn er diese Macht mißbraucht und dies publik wird, hat er zurückzutreten. Tut er dies nicht, mißbraucht er seine Macht abermals: Er gibt dem Volk die Macht nicht wieder, was das Ende der Demokratie bedeutet, wenn er nicht zur Verantwortung gezogen wird! Überdies ist zur Wahrung der Demokratie auch die Abschaffung des Klubzwangs durch die verpflichtende Einführung geheimer Abstimmungen zu fordern, um den Mißbrauch demokratischer Strukturen für eine Parteien– bzw. Regierungs–Diktatur zu verhindern; ist nämlich das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten von vornherein festgelegt, kann sich nicht jeweils eine Mehrheit zu jeder vorgelegten Frage neu bilden. Was aber für den (vertretenen) „Normalbürger” recht ist, muß auch für den ihn vertretenden Repräsentanten billig sein: ein demokratisches Zustandekommen einer Entscheidung. Die österreichische Praxis zeigt, daß der Klubzwang gerade in der Zeit einer großen Koalition antidemokratisch ist, insb. weil er Abstimmungsstrukturen — und damit Machtstrukturen — perpetuiert und so die Machtbeschränkung durch die periodischen Wahlen zu umgehen sucht.
Machtbeschränkend wirkt auch die Kontrolle durch die — demokratisch legitimierte — Opposition; vgl. dazu etwa Oberndorfer in Mock, S. 57: „Haben wir die Geltendmachung der Verantwortung als wesentliches Kennzeichen der repräsentativen Demokratie erkannt, so fällt damit im modernen Parlamentarismus der Opposition oder genauer den Oppositionsparteien die wesentliche Funktion der kritischen Beobachtung und der Kontrolle der Regierung zu. Der Auftrag, die Verantwortung der Regierung geltend zu machen, ja ihr ein Gegengewicht und eine Alternative des Handelns entgegenzustellen, liegt ausschließlich in den Händen der Opposition.” Die legitime Opposition ist jene, die vom Volk als solche gewählt worden ist — völlig unabhängig von dem persönlichen Werdegang ihrer Proponenten, völlig unabhängig davon, ob sie (politische) Gemeinsamkeiten mit der Regierung hat oder nicht; sie hat sowohl von der Regierung als auch von den demokratisch gesinnten Bürgern (welcher politischen Gesinnung auch immer sie seien!) respektiert zu werden. Wer allerdings versucht, die Opposition durch den Vorwurf des Andersdenkens und der Radikalität politisch zu diskreditieren, setzt sich selbst nicht nur dem Vorwurf aus, auf antidemokratische Art die legitime Kontrolle umgehen zu wollen; er spielt auch demokratiepolitisch gesehen mit dem Feuer, indem er an einer der Grundfesten dieser Regierungsform rüttelt und ihre Garantien in Frage stellt.

[364] Vgl. zur „wehrhaften Demokratie” das Bonner Grundgesetz vom 23.05.1949, Art. 20: „(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. [...] (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.” Vgl. Hildebrandt Verfassungen, S. 124 f; dagegen erscheint der österreichische Demokratieschutz — etwa im VerbotsG und im EVGV — direkt zahnlos. Vgl. weiters JU Grundsatzprogramm, S. 30 Pkt. 78: „[...] Recht auf Widerstand. Die demokratische Ordnung eröffnet vielfältige Chancen, Mißstände mit politischen Mitteln zu überwinden. Widerstand kann und darf es nur geben, wenn es um die Abwehr eines Angriffes auf die demokratische Ordnung geht, der anders, mit anderen Mitteln, nicht abwendbar ist. Vielmehr überschreitet derjenige seinen Freiheitsspielraum, der die Grundwerte unserer Verfassungsordnung angreift. Rechtsordnung statt Faustrecht. Der Staat kann seine Aufgaben. den innergesellschaftlichen Frieden und damit Würde und die Freiheit des einzelnen zu sichern, auf Dauer nur erfüllen, wenn die Rechtsordnung gegenüber allen Bürgern gleichmäßig durchgesetzt wird. Im Rahmen der rechtsstaatlichen Bindungen ist dabei auch staatlicher Zwang gerechtfertigt. Nur ein wirkungsvoller Schutz der Rechtsordnung durch den Staat kann auf die Dauer den Rückgriff auf das Faustrecht verhindern.”

[365] Vgl. Mill Freiheit, S. 90 f.: „Ich betone hier so nachdrücklich die Wichtigkeit des Genies und die Notwendigkeit seiner freien Entfaltung sowohl im gedanklichen wie im tätigen Bereich, weil ich mir wohl bewußt bin, daß zwar niemand diese Stellungnahme in der Theorie bestreiten wird, daß aber fast jeder in der Praxis völlig gleichgültig dagegen ist. [...] Originalität ist das eine Ding, dessen Gebrauch unoriginellen Geistern unverständlich bleibt. Sie sehen nicht ein, was es für sie bedeuten könnte — wie sollten sie auch! [...] Es ist die nüchterne Wahrheit: wie sehr man auch der wirklichen oder vermuteten geistigen Überlegenheit zu huldigen vorgibt oder manchmal sogar fertigbringt, die allgemeine Tendenz in der ganzen Welt geht doch dahin, die Mittelmäßigkeit zur überlegenen Macht unter den Menschen zu machen.” Vgl. Kuehnelt–Leddihn Sarajewo, S. 23: „Ihre politischen Führer, die bildungsmäßig–wissenschaftlich nach unseren Maßstäben kaum das Niveau der »Mittleren Reife« hatten, wußten nicht, was sie auch gegen ihr eigenes Interesse angerichtet hatten, Darüber hinaus litten sie auch an einer ideologischen Blindheit, an geradezu unglaublicher Ignoranz und Vorurteilen, selbst ein Universitätsprofessor wie Woodrow Wilson.”

[366] Vgl. etwa Kuehnelt–Leddihn Weichen, S. 10 f.: „Eine Demokratie fordert zudem eine Stellungnahme des Bürgers zu den zahlreichen Problemen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft, die der Bürger nur auf der Grundlage seines Wissens geben kann. Er muß sich also »informieren«. das allein genügt natürlich nicht, denn er muß sich auch eine Partei aussuchen, die ungefähr seine Ansichten vertritt. [...] Doch die Medien brauchen Schablonen und nur mit Schablonen und Klischees kann die Linke die Leute alarmieren. [...] Der Unfug, den Medien besonders bei Völkern anrichten, die von der übrigen Welt geographisch sehr isoliert sind und selten die Geschichte fremder Völker eingehend studieren, ist erschütternd.”

[367] Vgl. dazu Wald–Wagenburg/Klein Bildband Strauß, S. 77 l.Sp.: „»Wird die Jugend für die Demokratie gewonnen, wächst sie als Nachwuchs, als zukünftiger Träger eines mit allen echten demokratischen Elementen ausgestatteten Staates hinein oder steht die Jugend zunächst indifferent, lethargisch, später sogar sehr leicht feindselig oder umsturzbereit dem Staat gegenüber, der es nicht fertiggebracht hat, ihre Fragen, und zwar die allernächsten Fragen, zu lösen? Davor stehen wir. Das ist die Aufgabe, und dieser Aufgabe müssen wir gerecht werden.«” Franz Josef Strauß war aber auch der Meinung, die Jugend „[...] werde lieber demjenigen vertrauen, der ihr offen und ehrlich auch die Erfüllung notwendiger Pflichten abverlange, als demjenigen, der sie unter dem Vorwand umfassender »Betreuung« insgeheim entmündige”; vgl. ebenda, S. 78 l.Sp. Die einzige Möglichkeit, wie man eine solcherart erzogene Jugend „umpolen” kann, ist unwidersprochene Medien–Manipulation, wie sie auch dem ORF vorgeworfen wird (vgl. etwa Thun–Hohenstein/Pethö Rotfunk). Ein andauerndes, einseitiges Propaganda–Bombardement ermüdet den wachen Geist, erschöpft die Widerstandskraft der Tradition, zermürbt durch den Druck der Einseitigkeit der Definitionen die kritische Unterscheidungsfähigkeit des denkenden Jugendlichen, hat aber mit der pluralistischen Demokratie nichts zu tun.

[368] Die Bürokratie gehört sicher zu den Elementen einer Demokratie, die durch ihre Trägheit — vgl. dazu Mayer Verwaltungsrecht, Vorwort: „Verfassung vergeht, Verwaltung besteht” — ihre Kontinuität unterstützen kann. Sie aber gleich als ihren Garanten zu sehen, wie etwa Renner das getan hat, ist eine Fehleinschätzung; vgl. Renner Bürokratie, S. 4 und S. 8: „Der Aufstieg des Bürgertums hat in den Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts all diese Systeme und ihre Entartungen in der Hauptsache überwunden durch die Aufrichtung des Rechtsstaates. Dieser brach die Allmacht des Apparates, indem er erstens jedem Staatsbürger eine unverletzbare Sphäre des individuellen privaten und öffentlichen Lebens, das sogenannte Menschen– und Bürgerrecht, einräumte und zweitens den Apparat selbst durch Verwaltungs– und Verfassungsgerichtsbarkeit an das Gesetz band. Er hat auf diese Weise der Bureaukratie zu ihrer Glanzzeit diejenige Gestalt gegeben, die sich für Volk und Staat als wahre Wohltat erwies und erst den wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritt des letzten Jahrhunderts ermöglicht hat. Der Herrenbefehl verwandelte sich in die Gesetzesvorschrift, der blinde Gehorsam in die Achtung vor dem Gesetze, die Ueberheblichkeit in das erhöhte Pflichtgefühl des Ranghöheren, die Unterwürfigkeit in die Leistungsbereitschaft des Rangniederen, die selbst wieder den Anspruch auf Rangerhöhung bot.” [...] „Bei allen meinen folgenden Ausführungen [...] gebrauche ich die Bezeichnung Bureaukratie im besten Sinne des Wortes, als jenen Teil des staatlichen Apparates, der bestimmt ist, die Rechtsordnung zu tragen und den Gesetzen Geltung zu schaffen, die diesem Beruf sich als Dienst am Volke und nicht als Mandat zur Herrschaft gewidmet haben und widmen.” Die in Österreich nach wie vor vertretene Reine Rechtslehre, die „Theorie des Rechtspositivismus” (vgl. Kelsen Rechtslehre 1934, S. 38), verhindert durch den Mangel an Wertorientiertheit des Rechtes dessen Kontinuität und damit das Vertrauen der Rechtsunterworfenen in das Recht, das eigentlich von ihnen selbst ausgeht. Renners Forderung: „Daher der Ruf der modernen Demokratie: Des Volkes erklärter Wille soll Gesetz sein!” (vgl. Renner Bürokratie, S. 16.) ist daher auf dieser Grundlage — bei allen zu berücksichtigenden gerechtfertigten Abstrichen, die sich aus dem Wesen der repräsentativen Demokratie ergeben — in Österreich derzeit nicht umsetzbar.

[369] Vgl. EMRK, insb. den Text der Präambel, i.V.m. der Erklärung der Grundrechte und Grundfreiheiten des Europäischen Parlaments vom 12.04.1989, insb. den Text der Präambel: „Da es zur Fortsetzung und Neubelebung des europäischen demokratischen Einigungsprozesses angesichts der Schaffung eines Binnenraums ohne Grenzen und unter Berücksichtigung der besonderen Verantwortung des Europäischen Parlaments für das Wohl von Männern und Frauen unerläßlich ist, daß Europa die Existenz einer Gemeinschaft des Rechts bekräftigt, die sich auf die Wahrung der Würde des Menschen und der Grundrechte stützt; da Maßnahmen, die mit den Grundrechten unvereinbar sind, nicht zugelassen werden dürfen, und unter Hinweis darauf, daß sich diese Rechte sowohl aus den Verträgen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften als auch aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten, der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und den geltenden internationalen Rechtsinstrumenten ergeben und durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften weiterentwickelt werden, verabschiedet das Europäische Parlament folgende Erklärung als Ausdruck dieser Rechte, ruft alle Bürger auf, sie aktiv zu unterstützen, und unterbreitet sie dem im Juni 1989 zu wählenden Parlament.”

[370] So bindet etwa das Legalitätsprinzip des Art. 18 Abs. 1 B–VG die Verwaltung „an die Gesetze”, nicht aber direkt an Verfassungsgrundsätze. Hinzu kommt, daß der Positivismus Generalklauseln ablehnt und so eine wahre Normenflut hervorruft — vgl. dazu kritisch Ledel DA, S. 38 f. —, was immer wieder zu Verzögerungen im Grundrechtsschutz führt, die diesen ineffektiv machen; vgl. dazu Ledel DA, S. 44–47 m.w.N. Überdies stellt der Rechtspositivismus nicht auf den Inhalt der Norm und ihre Vereinbarkeit mit dem Gesamt(verfassungs)rechtszusammenhang ab, sondern ausschließlich auf ihre verfassungsgemäße Erzeugung; vgl. dazu Kelsen Rechtslehre, S. 26 f.: „Diese [Die Normen des Rechts, Anm.] gelten nicht kraft ihres Inhalts. Jeder beliebige Inhalt kann Recht sein, es gibt kein menschliches Verhalten, das als solches, kraft seines Gehalts, ausgeschlossen wäre, zum Inhalt einer Rechtsnorm zu werden. [...] Als Rechtsnorm gilt eine Norm stets nur darum, weil sie auf eine ganz bestimmte Weise zustande gekommen ist, nach einer ganz bestimmten Regel erzeugt, nach einer spezifischen Methode gesetzt wurde. Das Recht gilt nur als positives Recht, das heißt: als gesetztes Recht. In dieser Notwendigkeit des Gesetzt–Seins und der darin gelegenen Unabhängigkeit seiner Geltung von der Moral und von ihr gleichartigen Normensystemen besteht die Positivität des Rechts; [...].” Kelsen ist allerdings nie gegen die Gründung der Republik Deutsch–Österreich aufgetreten — die entsprechende Norm ist nicht positiv–rechtlich, sondern revolutionär zustandegekommen —, und auch die Macht des Nationalsozialismus ist, was gerne vergessen wird, anfangs formalrechtlich wie demokratisch legitimiert gewesen!

[371] Dies insb. durch Kelsens Definition von Unrecht (vgl. Kelsen Rechtslehre 1934, S. 26): „Unrecht ist das im Rechtssatz als Bedingung bestimmte Verhalten jenes Menschen, gegen den sich der im Rechtssatz als Folge statierte Zwangsakt richtet.” Jeder beliebige Text kann somit als Rechtssatz installiert werden, so er nur entsprechend den Rechtssätzen zur Erzeugung von Rechtssätzen — die man natürlich auch ändern kann — als Rechtssatz erzeugt wird; ein Korrektiv wie etwa Sitte, Moral, Rechtsempfinden oder verfassungsrechtliche Grundrechtsgedanken werden vom ihm nicht anerkannt. Vgl. dazu Orwell Animal Farm, S. 17 und S. 92: Eine ursprünglich „gerechte”, dem Rechtsempfinden der Normunterworfenen entsprechende Verfassung — „All animals are equal” — wird binnen kurzer Zeit völlig „legal” und beinahe unbemerkt in ihr Gegenteil verkehrt — „All animals are equal, but some animals are more equal than others”. Kelsens Leugnen des Unrechtscharakters der Ergebnisse einer solchen Rechtserzeugung leistet Vorschub für Diktatur, Intoleranz und Terror! Vgl. Kelsen Rechtslehre 1934, S. 26–28. Vgl. auch Drimmel 1918–1927, S. 271 f., zu Kelsens Haltung zum Bolschewismus: „Kelsen verteidigte auch nach seinem Weggang an eine Universität im Deutschen Reich seine Lehre und deren Niederschlag in der Verfassung von 1920. Was Kelsen angesichts der zur Zeit des Zweiten Weltkrieges eher geringeren Bedrohung der kommunistischen »Weltrevolution« dieser beimaß, mußte unter dem System der Supermächte von 1945 erschreckend wirken: »Soferne der Bolschewismus ein frei gewähltes System ist, bleibt er ganz in der Linie des Liberalismus. Wo die Glieder des Staates nichts anderes kennen als geschlossene Unterwürfigkeiten unter den Diktator, geschieht ihnen in autoritären Maßnahmen Recht, selbst dann, wenn die Staatsautorität die freiheitlich Denkenden kalt niederschlägt.« Eine derartige Verankerung der Demokratie, die an sich doch ein weltanschaulich freies System als Quasi–Weltanschauung exemplifiziert, wurde in ihrer Fatalität durch den angelsächsischen Rechtsgrundsatz ergänzt, der seine Bedeutung im Falle der Machtergreifung Hitlers im Jahr 1933 fand: »Right is what a majority makes it to be.« Aber im Jahr 1920 lebten in Österreich die Menschen eher nach dem Grundsatz: »Primum vivere deinde philosophari.«”

[372] Durch die vorgeschlagene Maßnahme wird die Verwaltung automatisch flexibler, wirtschaftlicher und schneller. — Die angesprochene Normenflut rührt u.a. auch daher, daß der Rechtspositivismus seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden kann; vgl. Kelsen Rechtslehre 1934, S. 1: „Wenn sie sich als eine »reine« Lehre vom Recht bezeichnet, so darum, weil sie eine nur auf das Recht gerichtete Erkenntnis sicherstellen und weil sie aus dieser Erkenntnis alles ausschneiden möchte, was nicht zu dem exakt als Recht bestimmten Gegenstande gehört. Das heißt: Sie will die Rechtswissenschaft von allen ihr fremden Elementen befreien.” Diese Einstellung verkennt, daß das Recht in alle Lebensbereiche, auch in die Intimsphäre (Religionsausübung, Haus–, Eherecht etc.) des einzelnen Normunterworfenen eingreift und daher auch die Rechtswissenschaft fremde Elemente berücksichtigen muß.
Der aktuell versuchte Lösungsansatz, nämlich die Grund–, Freiheits– und Bürgerrechte stärker zu berücksichtigen, indem auf Mechanismen der direkten Demokratie zurückgegriffen wird und dem einzelnen in einer steigenden Anzahl von Materien Mitspracherechte eingeräumt werden, ist nicht erfolgversprechend: Er führt zu einem rasant wachsenden administrativen Mehraufwand einer ohnehin schon überlasteten, verknöcherten Bürokratie, was wiederum die Rechtsdurchsetzung innerhalb einer vertretbaren, zumutbaren Zeitspanne stark behindert. Die repräsentative Demokratie ist die notwendige Weiterentwicklung der direkten Demokratie; ihre Effizienz und Dauerhaftigkeit werden nicht durch die vermehrte, teilweise systemwidrige Wiedereinführung von Elementen der direkten Demokratie, sondern durch ihre Straffung und Bindung an (natürlich naturrechtlich determinierte und am Individual– und damit am Gemeinwohl orientierte) Werte gesteigert; vgl. Oberndorfer in Mock, S. 54 f.: „Wesentliches Merkmal der repräsentativen Demokratie ist die Ausübung politischer Macht durch vom Volk gewählte Repräsentanten. Repräsentation bedeutet Wahrnehmung der Interessen der Gesamtheit durch dazu frei gewählte Personen. Jeder einzelne Abgeordnete gilt als vom ganzen Volk beauftragt. Ihm steht ein freies Mandat zu. [...] Für die repräsentative Demokratie unserer Vorstellung bleibt als Kennzeichnung die angelsächsische Konzeption des »responsible government«, also eine Staatsform, die eine effektive Regierungsmacht gewährleistet, aber auch die Verantwortung der Regierenden sicherstellt. Die repräsentative Demokratie zielt somit im Gegensatz zu identitären Demokratievorstellungen nicht auf die Beteiligung möglichst vieler an allem, sondern auf das Zustandekommen verantwortlicher, zurechenbarer Entscheidungen. Es geht hier um die Ermöglichung und um das Sichtbarmachen von Verantwortung; Verantwortung, das bedeutet aber: das Einstehenmüssen für eine fehlsame Handlung. Kontrolle, Rechenschaftspflicht und Verantwortung, wir müssen uns bewußt sein, daß der staatstheoretische Gehalt dieser Begriffe über die bloße Rechtmäßigkeit des Handelns von Amtsträgern weit hinausgreift. Nicht die rechtliche Verantwortung, die mit zivilrechtlichen oder strafrechtlichen, bei Beamten auch mit disziplinären Folgen bewehrt ist, wird hier angesprochen, sondern die politische Verantwortung, die weit darüber hinauslangt.” Vielmehr werden erst der stufenweise, geordnete Rückzug des Staates aus Bereichen, die zwar ideologisch und parteipolitisch, aber nicht staats– und demokratiepolitisch bedeutend sind (parteipolitisch motivierte Wirtschaftslenkung etc.), sowie eine radikale Vereinfachung und Effizienzsteigerung der Verwaltungstätigkeit eine bewußte Konzentration auf die eigentlichen Staatsaufgaben — insbesondere auf den Dienst am Bürger und damit am Gemeinwohl — ermöglichen.
Eine Bürokratie, die an Stelle von Bürgerinteressen Parteien– bzw. Regierungsinteressen vertritt, wird sich Österreich in Hinkunft schon aus budgetären Gründen nicht mehr leisten können. Wie sehr sich die Regierungsparteien gegen den demokratiepolitisch notwendigen Einflußverlust wehren, wird deutlich an der z.Z. betriebenen Budget– und Personalpolitik, die im eigentlich staatlichen Bereich (vom Archivwesen bis zur Landesverteidigung) einspart, im gesellschaftspolitischen Bereich hingegen (vgl. die Publikationen des BMFK) Mittel verschleudert.
Die Schwächung des Demokratie– und Grundwertbewußtseins in der Bevölkerung, hervorgerufen durch fahrlässige und/oder bewußte Unterlassung von notwendigen Reformen sowie durch parteipolitisch–ideologisch motivierte Umgehung rechtsstaatlicher Einrichtungen und Kontrollen — vgl. dazu Molden Österreicher, S. 337–339 —, führt letztlich zum Ende der Demokratie, zum Zerfall des Staates, zur Anarchie; vgl. Weigel Ruhig, S. 131: „Der Dritte Weltkrieg hat schon begonnen. [...] Er vollendet die Renaissance des Mittelalters. Er führt zurück in die Völkerwanderung. Er bringt das Maximum an Rechtlosigkeit im hochentwickelten Rechtsstaat. [...] Sein Symptom ist die Lebensüberdrüssigkeit der Demokratie. Sein Symptom ist: daß Unanständigkeit, Annahme von Provisionen und Schmiergeldern, daß Unregelmäßigkeiten, Protektion, Unsachlichkeit, Korruption nicht mehr Ausnahme sind, sondern Regel. Seine charakteristische Geste ist das Achselzucken. Der Dritte Weltkrieg: Verlust der Phantasie, Verlust der Öffentlichkeit infolge allzu stark wuchernder Information. [...] Der Dritte Weltkrieg: Abdankung der Kritik vor der Werbung.”

[373] Die Zerschlagung der Demokratie ist erst durch die Zerschlagung der mit ihr verbundenen Grundwerte möglich.

[374] In Form einer „wehrhaften Demokratie”; diese setzt voraus, daß ihre Befürworter zwischen „demokratisch” und „nicht demokratisch”, zwischen „wertorientiert” und „nicht wertorientiert” selbst, d.h. insb. frei von politisch determinierten Manipulationen, die über Massenmedien verbreitete werden, unterscheiden können und dürfen.

[375] Aufgrund ihres gemeinsamen, natürlichen Rechtsempfindens sollen sie den Werten gegenüber nicht gleichgültig gegenüberstehen (etwa, indem sie Selbstjustiz üben oder vermehrt „Kavalliersdelikte” begehen), sondern sie aktiv leben.

[376] Die Voraussetzungen dafür sind persönliche Integrität und Verantwortungsbewußtsein. Auch an dieser Stelle sei auf die Verantwortung staatlicher wie privater Massenmedien hingewiesen! Vgl. dazu etwa Schulmeister Anschluß, S. 87: „Die Massenmedien sind die Klaviatur der Massengesellschaft. Man kann aber auch umgekehrt sagen: Die Massengesellschaft spiegelt sich in ihren Medien wider.” Vgl. Csoklich in Pürer, S. 3: „Wie immer sich ein Journalist selbst versteht, er sollte sich stets seiner Verantwortung bewußt sein, wenn er aus der Fülle der täglich einlangenden Nachrichten oder der selbsteingeholten Informationen Ereignisse auswählt, über die er dann in der Zeitung berichtet und die er durch die Veröffentlichung zu Themen der Öffentlichkeit macht. Journalist zu sein heißt somit in jedem Falle Vermittler von Information, Vermittler von öffentlichem Gespräch zu sein. Nicht Menschheitsbeglücker, nicht Oberlehrer, nicht Präzeptor der Nation. Von Karl Kraus stammt der Satz: »Der Friseur erzählt Neuigkeiten, wenn er bloß frisieren soll. Der Journalist ist geistreich, wenn er bloß berichten soll. Das sind zwei, die höher hinauswollen.« Journalisten ist daher zu raten, auf dem Teppich zu bleiben und nicht die Bodenhaftung zu verlieren. Das bedeutet, Journalisten sind nicht primär dazu da, »Meinung zu machen«. Sie sollten vielmehr möglichst tatsachengetreu über Fakten und Entwicklungen berichten, und wenn sie ihre Meinung vorbringen, dann sollten sie diese niemandem aufdrängen.” Zur Wahrheitspflicht Warnecke in Pürer, S. 57: „»Nachrichten sind neue sowie wahrheitsgemäß und sorgfältig wiedergegebene Informationen, die (a) aktuelle Ereignisse aller Art überall in der Welt zum Gegenstand haben und ... (b) in eine Nachrichtensendung aufgenommen werden, weil sie interessant, von allgemeiner Bedeutung, oder aber in den Augen der ... Journalisten für die Zuhörer von persönlichem Belang sind. [...] Nachrichtenwert ist kein unveränderbarer Begriff, und die Grundsätze der Bewertung von Nachrichten durch Redakteure sind nicht festgelegt. Es handelt sich vielmehr um sich verändernde Grundwerte im Rahmen einer Nachrichtentradition, Werte, gegenüber denen dogmatische Erklärungen und Festlegungen unangemessen, ja geradezu töricht sind. Und Nachrichtenredakteure sind ebensowenig berechtigt, dogmatische Festlegungen in diesem Bereich zu treffen wie jeder andere.«” sowie Weigel Ruhig, S. 44: „Viktor Frankl hat einmal gesagt: »Zwei mal zwei ist vier, auch wenn es ein Paranoiker sagt.« Man darf die Wahrheit nicht unterdrücken oder verschweigen, weil sie jemanden erfreut, den man nicht erfreuen möchte, [...]” Vgl. auch Haas in Pürer, S. 452: „Wie immer sich jedoch Journalisten (selbst–)verstehen: Sie sollten sich bewußt sein, daß sie das allen Menschen zustehende Grundrecht auf Informations– und Meinungsfreiheit stellvertretend für den einzelnen Bürger wahrnehmen und das Recht der Medienfreiheit gleichsam treuhänderisch verwalten. Diese Freiheit ist ein zu kostbares Gut, als daß es leichtfertig veruntreut werden darf.”

[377] Das gilt auch für den Fall, daß dies gar nicht die Absicht des Terroristen sein sollte: Um sich greifendes Bandenwesen oder vermehrt auftretendes Banditentum mit groß angelegten Geiselnahmen und Raubüberfällen mögen sensationslüsternen Journalisten willkommen sein, unterminieren aber auch das Rechts– und Wertesystem einer Gesellschaft auf Dauer.

[378] Dieser hat natürlich den Menschenrechtsgarantien der EMRK, insb. des Art. 6 EMRK, zu entsprechen!

[379] Vgl. Jerábek Potiorek, S. 219: „Das Höchstmaß an Loyalität, das Potiorek gegenüber der Sache der Dynastie und der Armee auszeichnete, fehlte dem wehleidigen Conrad nach seinem Sturz und dem Zusammenbruch der Monarchie jedenfalls. Beide waren ausgesprochen politische Generäle, die ihr Gewicht in die Waagschale zu werfen bereit waren, um all jenen Kräften und Strömungen entgegenzutreten, von welchen eine Schwächung des monarchischen Systems und eine Bedrohung der Integrität des Vielvölkerstaates zu befürchten war. Antidemokratische Züge und zu Präventivkrieg aufrufendes Drängen mußten im Rahmen ihrer Geisteswelt die Folge sein des ehrlichen Bemühens, nationalistischen, auf die Zerreißung der Donaumonarchie hinarbeitenden Tendenzen entgegenzuwirken, ebenso wie sie eine Folge des letztlich egoistischen Strebens waren, das Spielfeld der eigenen Macht, der Armee, und den innenpolitischen Stellenwert des Offiziersstandes zu wahren und zu stärken.”

[380] Vgl. Kuehnelt–Leddihn Weichen, S. 13. Geprüft werden sollen individuell, nach entsprechender Ausbildung, Verständnis und Wissen um die Demokratie sowie die Bereitschaft und Fähigkeit, daran aktiv teilzunehmen, als (etwa dreistufiges) Gewichtungskriterium der Stimme des Wahlberechtigten (aktives Wahlrecht) sowie fakultativ die Fähigkeit, ein Amt in einer Demokratie übernehmen zu können (passives Wahlrecht); der Zugang zum Erwerb der Qualifikation jeder Stufe hat für jedermann jederzeit frei zu sein, für die oberen beiden Stufen ist der Qualifikationsnachweis periodisch zu erbringen. Diese Prüfungen können ohne weitere unabhängig von der jeweiligen politischen Einstellung von Prüfern und Geprüften erfolgen; sie stellen sicher, 1) daß sich immer größere Teile der Bevölkerung aktiv mit der Demokratie auseinandersetzen, 2) diejenigen, die am meisten über die Demokratie wissen und sie daher auch am effizentesten schützen können, auch die Motivation dazu dadurch erhalten, daß ihnen ein adäquates Mehr an Verantwortung für diese Demokratie übertragen wird, und 3) durch den Anreiz, sich mit der Demokratie auseinanderzusetzen, in immer größeren Teilen der Bevölkerung ein Demokratie–Bewußtsein erzeugt wird, das sie für extremistische Tendenzen weit weniger anfällig macht, als dies derzeit der Fall ist. Zur Legitimität solcher Prüfungen sei erwähnt, daß in fast jedem Beruf — mit Ausnahme des Hilfsarbeiters — Qualifikationen verlangt, als selbstverständlich vorausgesetzt werden; wer daher eine gefestigte Demokratie will, kann nicht gutheißen, daß sie von einer Masse „demokratischer Hilfsarbeiter” getragen wird. So wird das egalitär–sozialistische „one-man–one-vote”–System wird so zu einem für alle gleichermaßen elitär–differenzierenden System, das einerseits fernab von Standes–, Religions–, Klassen– oder sonstigen Interessen jeden entsprechend seiner Fähigkeit und Bereitschaft, demokratische Pflichten zu übernehmen, auch an den Rechten beteiligt, andererseits aber niemanden — unabhängig von diesen Kriterien — von der demokratischen Willensbildung ausschließt.

[381] Vgl. Kuehnelt–Leddihn Weichen, S. 13: „Staatsmänner lernen manchmal aus der Geschichte, Politiker nur sehr selten, denn sie sind von der Gunst der Massen abhängige Eintagsfliegen. Sie denken primär an die Wiederwahl in 2, 3 oder 4 Jahren, die Staatsmänner der Vergangenheit hingegen an das Schicksal ihrer Enkelkinder.” Das sagen ja schon ihre Bezeichnungen: der Politiker ist für die polis, die kleine und beschränkte Gemeinschaft da, der Staatsmann bezieht sein Aufgabengebiet auf den gesamten Bereich der res publica. Sein Ansatz wird daher wesentlich weitsichtiger, verantwortungsvoller und konservativer sein als jener des Politikers. Die ultima ratio für die Ausübung staatsmännischer Tätigkeit ist der Monarch, der Erbe staatsmännischer Verpflichtung! Vgl. dazu Ledel in CARO♦AS 1/1999 sowie Kuehnelt–Leddihn Weichen, S. 14: „Ewig wahr bleibt da die Formulierung von Peter Wolf: »Das erste Recht eines Volkes ist, gut regiert zu werden!« (Und gut regiert zu werden heißt auch minimal und freiheitlich regiert zu werden.) Ein guter Reiter schindet nicht sein Pferd und ein guter Fahrer nicht seinen Wagen.” Wer aber dauernd „wahlkämpfen” und zahlenmäßig, nicht qualitativ gewinnen will oder muß, der ist gezwungen, es möglichst vielen „recht zu machen”, sich oft wider besseres Wissen Einzelinteressen zu beugen, was letztlich eine Art geistiger Prostitution ist. Vgl. dazu das Zitat von Franz Josef Strauß in Wald–Wagenburg/Klein Bildband Strauß, S. 10 r.Sp.: „Wer everybody's Darling sein möchte, ist zuletzt everybody's Depp.” Ein untadeliger Lebenswandel ist ebenfalls Kennzeichen eines Staatsmannes; vgl. dazu AT Exodus 23,8: „Du sollst nicht Geschenke nehmen; denn Geschenke machen die Sehenden blind und verkehren die Sachen der Gerechten.” sowie zu den heute üblichen „Wahlzuckerln” Kuehnelt–Leddihn Weichen, S. 89: „Mit einer Massenkorruption haben die Rechtsparteien sicherlich zu kämpfen, denn auf der Linken [...] stehen die St. Nikolausparteien und die bringen im modernen Versorgungsstaat den Wählern die Geschenke mit dem Frühstück ans Bett.” Vgl. auch AT Sprüche 17,7: „Es steht einem Narren nicht wohl an, von hohen Dingen zu reden, viel weniger einem Fürsten, daß er gern lügt.” sowie Kuehnelt–Leddihn Weichen, S. 60 f.: „Es gibt kaum ein Laster, das mit dem modernen Parlamentarismus nicht verbunden wäre: Eitelkeit, Eifersucht, Treulosigkeit, üble Nachrede, Lüge, Ehrabschneidung, Schadenfreude, Verheimlichung, Wortbruch, Bestechung, Hochmut, Heuchelei, Hinterhältigkeit, Motivverdächtigung. Daher auch der völlige Mangel an Respekt, dem man dem »Hohen Haus« allenthalben entgegenbringt.”.

[382] „Kontinuität” bedeutet keinesfalls „Stillstand”, vgl. etwa Seppeler Gruppe Zukunft, S. U4: „Schon in der Gegenwart zeichnet sich ab, daß immer mehr Veränderungen lawinenartig auf unsere Zukunft stürzen. Kleinstes kann Größtes bewirken und umgekehrt. Es wird zunehmend schwieriger, die wirklichen Ursachen und Bedeutungen, die endgültigen Auswirkungen der Dinge und des Handelns zu bewerten. Weiterhin »Kontinuität im Wandel« zu zeigen, bedeutet daher für die Seppeler Gruppe: Noch konsequentere Aktion und Reaktion in noch kürzeren Abständen. [...]”

[383] Vgl. dazu MdI Niedersachsen Verfassungstreue, S. 4: „Ein weiterer Ausdruck der »wehrhaften« oder »streitbaren« Demokratie ist das verfassungsrechtliche Gebot der politischen Treuepflicht des Beamten. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt: »Der moderne >Verwaltungsstaat< mit seinen ebenso vielfältigen wie komplizierten Aufgaben, von deren sachgerechter, effizienter, pünktlicher Erfüllung das Funktionieren des gesellschaftlich–politischen Systems und die Möglichkeit eines menschenwürdigen Lebens der Gruppen, Minderheiten und jedes einzelnen Tag für Tag abhängt, ist auf einen intakten, loyalen, pflichttreuen, dem Staat und seiner verfassungsmäßigen Ordnung innerlich verbundenen Beamtenkörper angewiesen.«” Die Degeneration eines Amtseides zur „Formalangelegenheit”, das Versagen einer Beamtenschaft bewirkt letztlich eine vermehrte Einflußmöglichkeit radikaler Kräfte aller Art mit sattsam bekannten Folgen; vgl. ebenda, S. 8: „Der »legale« Umsturz der Weimarer Republik wird mit darauf zurückgeführt, daß die Beamtenschaft mit vielen Bediensteten durchsetzt war, die der Republik gleichgültig und oft sogar ablehnend gegenüberstanden und nicht bereit waren, für die Verfassungsordnung einzutreten.” Geeignete Gegenmaßnahmen wie etwa jener Beschluß des Preußischen Staatsministeriums vom 24.06.1930, der den Beamten jegliches Naheverhältnis sowohl (!) zur NSDAP als auch zur KPD einfach verbot — vgl. ebenda: „Nach der Entwicklung, die die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei und die Kommunistische Partei Deutschlands genommen haben, sind beide Parteien als Organisationen anzusehen, deren Ziel der gewaltsame Umsturz der bestehenden Staatsordnung ist. Ein Beamter, der an solchen Organisationen teilnimmt, sich für sie betätigt oder sie sonst unterstützt, verletzt dadurch die aus seinem Beamtenverhältnis sich ergebende besondere Treueverpflichtung gegenüber dem Staate und macht sich eines Dienstvergehens schuldig. Allen Beamten ist demnach die Teilnahme an diesen Organisationen, die Betätigung für sie oder ihre sonstige Unterstützung verboten.” —, muß rechtzeitig, d.h. noch in Zeiten der Stabilität ergriffen werden, um in Krisensituationen wirksam werden zu können. Vgl. dazu die beispielsweise Aufzählung der in der BRD heute als verfassungsfeindlich eingestuften Organisationen („DKP, KBW, KPD, NPD”) in ebenda, S. 13 sowie zum Berufsverbot allgemein Aktuell, S. 95. Daß die Verfassungsordnung Vorrang hat vor dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit von Extremisten, ist in einer Qualifizierten Demokratie selbstverständlich! Vgl. dazu auch Art. 10 EMRK mit den Einschränkungsmöglichkeiten des Abs. 2.
Auch wenn die Maßnahmen, die im Österreichischen Ständestaat gegen die Nationalsozialisten ergriffen worden waren, letztlich zu spät kamen, waren sie doch spürbar; vgl. Hoffmann Ostmark, S. 51 l.Sp.: „Nun ging es los: Hausdurchsuchungen der Parteihäuser in Wien und Innsbruck, das Verbot des »Völkischen Beobachters«, allen Heeresangehörigen und Bundesbeamten wurde die Mitgliedschaft bei der NSDAP. verboten, Verhaftungen nationalsozialistischer Parteiführer in Salzburg und Oberösterreich. Aber da Gewalt noch immer wieder Gewalt erzeugt hat, krachten in Wien bald die Papierböller vor jüdischen Geschäften. Und als infolge eines persönlichen Racheaktes ein Bombenattentat auf einen Trupp Hilfspolizei bei Krems verübt wurde, schob man dieses Attentat sofort ohne genauere Beweise der NSDAP. in die Schuhe und sprach am 19. Juni 1933 ein Betätigungsverbot für die Partei aus. Kurze Zeit darauf wurden alle nationalsozialistischen Mandate in den Landtagen und Gemeindevertretungen für erloschen erklärt; die NSDAP. war damit von jeder Mitarbeit in der Verwaltung ausgeschlossen und dadurch zur Illegalität gezwungen. Scheinbar hatte Dollfuß sein Ziel vorläufig erreicht, die Gefahr der Neuwahlen war abgewendet und er konnte, im Besitze aller Machtmittel des Staates, weiter nach seinem Konzept ohne jede Kontrolle regieren. Aber es war nur ein äußerlicher Erfolg. Denn was war schon die vielgepriesene sogenannte »Vaterländische Front«, die von ihm gegen den Nationalsozialismus am 20. Mai dieses Jahres gegründet worden war, gegen Idee und Gewalt der nationalsozialistischen Bewegung!” Daß die Nationalsozialisten aus der Verwaltung eliminiert worden waren, erwies sich für sie wesentlich schmerzlicher als die Illegalität.

[384] Immer wieder bemühten sich auch in Österreich politische Parteien um die Beamtenschaft; vgl. dazu etwa Kremsmayer in ÖZP 4/1989, S. 364: „Konkret war es die Vorherrschaft des Cartellverbandes (CV), die Dominanz der ÖVP im Staatsapparat, die Renner und vor allem auch Adolf Schärf ein Dorn im Auge war. Schärf, von Zeitgenossen oft als der klassische altösterreichische Beamte beschrieben, fürchtete ein mangelndes Beamtenbewußtsein bei den zumeist sehr jungen CVern. Tatsächlich waren die von den Nationalsozialisten entlassenen christlich–sozialen Beamten im Wiedergutmachungsverfahren, oft bei Überspringung ihrer Vordermänner, in hohe Verwaltungsränge gelangt. Vielfach waren das Personen, die erst in der Dollfuß-Schuschnigg–Ära in den Öffentlichen Dienst gekommen waren.” sowie ebenda, S. 363 f. m.w.N.: „Oskar Pollak, Chefredakteur der Arbeiterzeitung, geht noch weiter und schrieb 1946: »Der Staat ist eine Verwaltungsgemeinschaft ... der Wohlfahrtsstaat befindet sich bereits im Übergang zu einer neuen Entwicklung, zum Wirtschaftsstaat [...] das Proletariat muß sich eine führende Rolle in diesem Wirtschaftsstaat sichern ... damit entsteht ein sozialistischer Staat.« [...] Auch Karl Czernetz maß der Frage der Verwaltung eine zentrale Rolle bei: »Mit der Verwaltung steht und fällt unsere Partei ... denn sie werden Dienst nach Vorschrift machen [an Streik der Beamten hatten damals nicht einmal die Sozialisten gedacht; Anm.] ... das Kampfmittel des passiven Widerstandes ist der Weg, jede Neuerung zu sabotieren.«” Die Einflußnahme fand nicht nur durch die Parteien direkt, sondern auch über Unter– und nahestehende Organisationen statt; vgl. ebenda, S. 365: „Der BSA versuchte, das Hauptaugenmerk auf die Bildung eines Reservoirs zu legen, um, ähnlich wie der CV, Einfluß auf die Personalpolitik in der Verwaltung gewinnen zu können.” Anzumerken ist hier ein feiner Unterschied: Die Corporationen des ÖCV sind nicht zu diesem Zweck gegründet worden; der Einfluß, den die CVer auf Politik und Verwaltung bekommen haben, ist ein Ausfluß des damals noch strengen, commentmäßigen Verbindungslebens und der damit verbundenen Ausbildung (vgl. dazu oben, B.1.4). Mittlerweile jedoch haben die heute von außen — taktisch sehr geschickt — in den ÖCV hineingetragenen Diskussionen um die „Frauenfrage” sowie die festzustellenden Comment–Aufweichungstendenzen, insb. seit dem Ende der sechziger Jahre, letztlich auch zu einer Schwächung des ÖCV und seiner Corporationen, damit zu verringertem Einfluß auf die Verwaltung, in der viele seiner Mitglieder als Beamte tätig sind, und schließlich zum Einflußverlust in Hinblick auf die gesamtösterreichische Gesellschaft geführt. Vgl. weiters Kremsmayer in ÖPZ 4/1989, S. 364 m.w.N.: „Doch Czernetz fürchtet auch mangelnde fachliche und persönliche Qualifikation der Sozialisten für Verwaltungskarrieren, denn »den sozialistischen Beamten werden sicherlich Kenntnisse und Erfahrungen fehlen ... und je geringer die Qualifikation, desto größer die Gefahr der Überheblichkeit ... und der bürokratischen Entartung.«” Rationalismus und Rechtspositivismus, von Renner auch nach dem Zweiten Weltkrieg propagiert — vgl. ebenda, S. 363 m.w.N.: „»Die rationalste Form der Verwaltung ist für Renner die bürokratische Bürokratie als ideale Praxis der Demokratie: Kein Priester, kein Fürst, kein Intellektueller — das Recht herrscht.« [...]” —, haben aber mit der daraus resultierenden, bereits angesprochenen Normenflut dafür gesorgt, daß Beamte — völlig unabhängig von ihrer politischen Meinung — in der Exekution der zahllosen Gesetze, Verordnungen und Weisungen nicht mehr nachkommen, somit ohne Eigenverschulden zwangsläufig schlecht qualifiziert sind und in den Ämtern heute vielfach die von Czernetz angesprochene Überheblichkeit und bürokratische Entartung herrscht. Vgl. dazu auch Zwerenz Lust am Sozialismus, S. 89: „Die westdeutsche Arbeiterklasse ist als Klasse chloroformiert, Feindpotential und Faschismus–Reserve. Sie läßt sich nur vermittelt ändern. Über die wissenschaftliche, technokratische, wirtschaftliche, publizistische, künstlerische und freiberufliche Elite, einschließlich Ärzten, Lehrern und Beamten. Das ist unser Potential.”

[385] Allein die entsprechende (gewerkschaftliche) Drohung an sich ist schon eine Art Verrat am Staat und seiner Verfassung und damit ebenso demokratische Unmöglichkeit wie die Diskussion um den Abbau jener Beamtenprivilegien, die als Ausgleich für die Beschränkungen, die sich aus dem besonderen Gewaltverhältnis für die Beamten ergeben, gedacht waren! Vgl. dazu auch Ledel DA, S. 38–47 m.w.N.

[386] Vgl. Kelsen Verhandlungen, S. 27: „Das Freiheitsideal der Demokratie, Herrschaftslosigkeit und sohin Führerlosigkeit ist nicht einmal annäherungsweise realisierbar.” Kelsen äußert sich nicht darüber, warum „Herrschaftslosigkeit” bzw. „Führerlosigkeit” — zwei voneinander verschiedene Begriffe! — zum Freiheitsideal der Demokratie zählen sollen.

[387] Vgl. Kelsen Demokratie, S. 194: „Eine Monarchie — oder, um den Gedanken auf moderne Verhältnisse zu übertragen, eine Diktatur — kann sogar der beste Weg sein, um das Naturrecht, das heißt den Kommunismus und damit auch die Wohlfahrt des Volkes, zu verwirklichen.” Kelsen setzt gleich: Monarchie und Diktatur — das eine ist eine Staats–, das andere eine Regierungsform —, Kommunismus und Naturrecht — diese beiden Begriffe schließen einander aus, der Kommunismus leugnet die Existenz von (göttlichem) Naturrecht — sowie Kommunismus und Volkswohlfahrt — der Kommunismus hat im Idealfall das Wohl des Proletariats, nicht aber des gesamten Volkes mit seinen bourgeoisen bzw. reaktionären Teilen. Die kommunistische Grundhaltung des Schöpfers der Österreichischen Bundesverfassung ist deutlich erkennbar; vgl. ebenda, S. 194: „Genau das sagt Lenin auch: Der Monarch oder Diktator hat als der Beauftragte des Volkes zu gelten. [...] Daher könnte eine kommunistische Diktatur als eine Regierung für das Volk, als Regierung durch das Volk gelten. Es ist durchaus verständlich, daß eine Übersetzung von Morellys »Code de la nature« gerade in der Sowjetunion veröffentlicht worden ist.” Kommunisten bezeichnen sich gerne als „Demokraten”, ihre Vorstellung davon hat aber mit jener der Qualifizierten Demokratie nichts zu tun; vgl. dazu Engels Grundsätze, S. 74, sowie MdI Niedersachsen Verfassungstreue, S. 28: „Es ist verständlich, daß Kommunisten ein Interesse daran haben, mit Demokraten gleichgesetzt zu werden. Daher benutzen sie mit Vorliebe die Formulierung »Kommunisten und andere Demokraten«. [...] Wie »demokratisch« sich Kommunisten in »Volksdemokratien« verhalten, zeigt sich daran, wie dort mit Systemkritikern umgegangen wird.” Vgl. dazu auch Mao Quotations, S. 162 f., sowie BMdI Frontorganisationen, insb. S. 18: „Der Angesprochene soll überzeugt werden, daß Antikommunismus eine Bedrohung des Friedens sei”, und S. 19–24: „Die Ideale des »Antifaschismus«”. Vgl. zum Selbstverständnis der Kommunisten auch Marx/Engels Manifest, S. 23: „Ein Gespenst geht um in Europa — das Gespenst des Kommunismus!”

[388] Vgl. dazu ausführlich Schulmeister Anschluß, S. 57–83.

[389] Vgl. AT Exodus 23,2: „Du sollst nicht folgen der Menge zum Bösen und nicht also antworten vor Gericht, daß du der Menge nach vom Rechten weichest.”

[390] Vgl. Nietzsche Betrachtungen, Bd. 7, S. 281: „Wenn hundert beieinander stehen, verliert ein jeder seinen Verstand und bekommt einen anderen.”

[391] Vgl. Platon Staat, S. 391, 8. Buch, 564A.

[392] Vgl. Kuehnelt–Leddihn Rechts, S. 83; vgl. auch Mill Utilitarismus, S. 91 f.: „Heutzutage verliert sich der einzelne in der Menge. In der Politik ist es fast trivial zu äußern, daß die öffentliche Meinung heute die Welt beherrsche. [...] Das Publikum, das die öffentliche Meinung ausmacht, ist nicht überall von gleicher Art: [...] Aber immer ist es Masse, d. h. gesammelte Mittelmäßigkeit. Was nun aber ganz neu hier auftritt, ist dies: die Masse holt sich ihre Ansichten nicht mehr von Würdenträgern der Kirche oder des Staates, von nachweislichen Führern oder Büchern. Ihr Denken wird ihnen geliefert von Leuten, die ihnen sehr gleichen, die das Wort an sie richten oder in ihrem Namen, unter dem Eindruck des Augenblicks, durch die Zeitungen sprechen. [...] Aber das hindert nicht, daß die Regierung der Mittelmäßigkeit eine mittelmäßige Regierung ist. Niemals hat sich die Herrschaft einer Demokratie oder einer zahlenmäßig starken Aristokratie in ihren politischen Aktionen oder in den Gedanken, Fähigkeiten oder Färbungen des Geistes, die sie hegt, je über den Durchschnitt erhoben, noch könnte sie es, außer wenn sich der Herrscher »Viele« (wie er es in seiner besten Zeit immer getan hat) durch den Rat und Einfluß des besser Begabten und unterrichteten »Einen« oder »Weniger« leiten ließ.”

[393] Englisches Sprichwort; vgl. Kuehnelt–Leddihn Weichen, S. 107.

[394] AT Exodus 23,9 ; vgl. auch NT Joh. 15,12: „Das ist mein Gebot, daß ihr euch untereinander liebet, gleichwie ich euch liebe.”

[395] „Angst” ist eine übersteigerte Form der Vorsicht; sie ist meist das Ergebnis negativer Erfahrungen, mit denen die Vorsicht anläßlich früherer Konfrontationen mit Fremdem „belohnt” worden ist. — Nicht immer ist die Reaktion Flucht; sie kann auch zu gesteigerter Aggressivität (erhöhte Offensive) oder etwa zum Erstarren, zum „Totstellen” (erhöhte Defensive) führen!

[396] Zur Erklärung und Einteilung von Gefühlen vgl. etwa Nowotny Psychologie, S. 78–97.

[397] „Fremdeln” ist eine Reaktion der Ablehnung: Das Kind wendet sich ab und verweigert die Kommunikation; vgl. dazu auch Boder Entwicklungspsychologie, S. 15 f.

[398] Vgl. dazu Nowotny Psychologie, S. 97.

[399] Vgl. Nowotny Psychologie, S. 79. Hervorhebung nicht im Original.

[400] Vgl. ebenda.

[401] So etwa Haut– und Haarfarbe, Gesichtszüge, Wuchs, Kleidung etc.

[402] Etwa durch das Suchen nach Gemeinsamkeiten.

[403] Etwa durch das Suchen nach Unterscheidungskriterien und Abgrenzungsmöglichkeiten.

[404] Die entsprechende Parallele aus dem Tierreich, die Verteidigung des eigenen Reviers, ist offensichtlich.

[405] In Frage kommen hier etwa technische und/oder geistige Überlegenheit, eventuell trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit u.v.a.

[406] Etwa aufgrund einer Überlegenheit auf anderen Gebieten im Umgang mit dem Fremden oder durch eigene Erfahrungen als Fremder und daraus resultierender Hilfsbereitschaft.

[407] Vgl. dazu auch Nowotny Psychologie, S. 91 und S. 219–222.

[408] Dieses Erleben kann auch (etwa durch die Überredungskunst von Freunden) suggeriert sein — genau so, wie der Haß selbst auch „eingeredet”, anerzogen sein kann und nicht auf eigenem Erleben beruhen muß („übersteigertes Vorurteil”); da die Emotion des Hasses intensiv und andauernd ist, blockiert sie die eigene Einsicht und Selbsterkenntnis regelmäßig, sodaß der Impuls für die Aufgabe des Haßgefühls von außen kommen muß.

[409] Vgl. Aktuell, S. 521 l.Sp.; vgl. auch (differenzierter) Meyers Taschenlexikon 1990, Bd. 18, S. 81 r.Sp. f.

[410] Vgl. dazu Kuehnelt–Leddihn Sarajewo, S. 80: „Da gilt das Wort Dostojewskijs: »Wenn es Gott nicht gibt, dann ist alles erlaubt!« Hans Kelsen, der Schöpfer unserer Verfassung von 1929, ein überzeugter Atheist, hatte auch das Dritte Reich einen »Rechtsstaat« genannt. Kelsen war eben ein Vertreter der »reinen Rechtslehre«, die mit Gottes geoffenbartem Wort nichts zu tun haben will.” Vgl. JU Grundsatzprogramm, S. 24, Pkt. 64: „Wir wollen ein gesellschaftliches Klima, das von Toleranz und Hilfsbereitschaft gegenüber Ausländern geprägt ist. Unser Verhältnis zu Ausländern schließt die Achtung und den Willen zu wechselseitiger Partnerschaft ein. Wir treten daher allen ausländerfeindlichen Bestrebungen entgegen.” Vgl. auch Schuschnigg Dreimal Österreich, S. 272: „Es ist nicht zu leugnen, daß die starken Lösungen des Entweder–Oder heute mehr im Vordergrund des Denkens stehen und mehr Anschein auf Verwirklichung haben als geduldige Pläne, die auf ein Sowohl–Als auch sich gründen. Aber man sollte nie stark und geduldig als gegensätzlich empfinden; ebensowenig wie Abwarten und Ausgleichen mit Nachgeben und Zurückweichen gleichgesetzt werden dürfte.”

[411] Vgl. Erbacher Qualtinger, S. 87: „Travnicek und die Wiener Messe”.

[412] Vgl. Meyers Taschenlexikon 1990, Bd. 16, S. 155 l.Sp.; zur Entstehung des Nationenbegriffes in der Zeit des Liberalismus vgl. Hobsbawm Nationen, S. 25–58. Zum Nationalstaatsideal Karl Renners vgl. etwa Renner Gründung Deutschösterreich, S. 6 f.: „Die vorliegende Arbeit war beendet und dem Drucke übergeben, als im dramatischen Ablauf einiger Wochen durch die beispiellose Beharrlichkeit und Tatkraft der deutschen Reichsführung, vereint mit der weitblickenden Staatsklugheit der Regierung Großbritanniens, unter opferbereiter Selbstüberwindung Frankreichs und heroischer Verzichtsleistung der Tschechoslowakei, mit dem vermittelnden Beistand Italiens, ohne Krieg und Kriegsopfer, sozusagen über Nacht, das sudetendeutsche Problem volle Lösung fand. Eine Lösung, welche, davon wird sich der Leser überzeugen, vielfach auf den Buchstaben dem von der Republik Deutschösterreich bei ihrer Begründung 1918 und 1919 eingenommenen Rechtsstandpunkt entspricht. Die Münchner Vereinbarungen schließen ein leidvolles Kapitel der Geschichte, indem sie die Donaumonarchie für alle Zeiten liquidieren und das Nationalstaatsprinzip für Mitteleuropa zur Vollendung führen. [...] Gloggnitz, den 1. November 1938.”

[413] Vgl. Kuehnelt–Leddihn Weichen, S. 173.

[414] Allerdings existiert dieser Begriff in zwei Bedeutungen: Einerseits wird darunter der (vollständige) Anschluß Österreichs und aller anderen „deutschen” Gebiete an Deutschland gemeint — vgl. dazu Art. 4 StVvWien —, andererseits wird darunter auch eine Sprach– und/oder Kulturgemeinschaft (ohne politisch–staatsrechtliche Konsequenzen für Österreich) verstanden; vgl. dazu etwa Molden Österreicher, S. 294 f.: „Die Österreicher sind, ob sie es wollen oder nicht — und sie wollen's durchaus —, der deutschen Kultur verhaftet und zutiefst in ihr verankert. Ebenso wie auch die Schweizer, denn Dürrenmatt oder Frisch würden sich auch deutlich dagegen verwahren, wollte man sie entweder aus dem Bereich der deutschen Sprache ausschließen oder aber sie ihrer Schweizer Nationalität entkleiden. Es kommt ja auch niemand auf die Idee, zu erklären, daß die Amerikaner eigentlich Engländer amerikanischer Staatsbürgerschaft oder die Argentinier im Grunde genommen Spanier seien; diese Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen und sie führen immer zum gleichen, grotesken Resultat: sie führen sich ad absurdum.” sowie Kuehnelt–Leddihn Sarajewo, S. 117 f.: „Sind die Österreicher Deutsche? Sicherlich, nur sind sie ein ganz besonderer und nicht irgend ein deutscher Stamm mit einer zum Teil eigenen Geschichte und der ganz speziellen Aufgabe, Brücke zwischen Nord und Süd, Ost und West zu sein.” „Deutschnational” ist überdies von „deutsch–völkisch” zu unterscheiden; dieser Begriff verbindet den Anschlußgedanken mit ethnischen, z.Z. des Nationalsozialismus auch „rassehygienischen” Gesichtspunkten. Vgl. dazu Hitler Mein Kampf, S. 421: „Menschliche Kultur und Zivilisation sind auf diesem Erdball unzertrennlich gebunden an das Vorhandensein des Ariers. Sein Aussterben oder Untergehen wird auf diesem Erdball wieder die dunklen Schleier einer kulturlosen Zeit senken.”

[415] Vgl. dazu Zopp in ÖWIP 2/1992, S. 13: „Wie recht hatte doch der gewiß nicht >deutschfeindliche< Anton Wildgans mit seinem berühmt gewordenen Ausspruch: »Nur als Schwerthelfer des Germanentums wurde Altösterreich ein Untergang von seltener Tragik bereitet!« Daher, so Göbhart: »Wenigstens 1918 wäre demnach der Austritt Österreichs aus der deutschen Geschichte fällig gewesen. Das Gegenteil trat ein«, denn »alle Parteien hatten den Anschlußparagraphen im Programm. Karl Renner und Otto Bauer an der Spitze der gesamten Linken traten leidenschaftlich für den Anschluß ein, Seipel nur etwas dezenter (>Keine Politik ohne Deutschland<). Selbst die für den Kampf gegen Hitler maßgeblichen Männer, ein Oberst Adam von der >Vaterländischen Front<, ein Dollfuß, ein Schuschnigg proklamierten Österreich als >zweiten deutschen< Staat, der sich nach dem erhofften Abgang Hitlers mit dem ersten deutschen Staat vereinigen würde.” Zur Gesinnung von Engelbert Pernerstorfer und Victor Adler, die beide Mitglieder der Progreß–Studentenverbindung „Arminia” waren, vgl. Maderthaner in Leser/Wagner, S. 147–163; Dvorak Pernerstorfer, S. 55–63, zu jener Karl Renners vgl. etwa Höbelt in Leser/Wagner, S. 202 m.w.N., und Drimmel 1927–1934, S. 357: „1918/19 und 1938 vorbehaltloses Bekenntnis zum Anschluß an das deutsche Reich; 1945 einstimmig im Parlament zum Bundespräsidenten gewählt.” Vgl. auch zu dessen Rolle bei der Gründung der Republik Deutschösterreich Drimmel 1918–1927, S. 169 f.: „Indessen habe die Partei Renners am frühen Morgen des 11. November 1918 den Beschluß gefaßt, die fragliche Koalition »so lange wie möglich aufrechtzuerhalten«. Aber — nun müsse man sich zu einer fälligen Entscheidung über die Frage der Republik durchringen. Für die Herbeiführung dieses Beschlusses hatte Renner pflichteifrig vorgesorgt: mit dem von ihm verfaßten Entwurf eines Gesetzes über die Staats– und Regierungsform Deutsch–Österreichs. Dieser lange beratene Entwurf hing in zwei Angeln: Erstens sollte der neue Staat eine demokratische Republik sein. Und zweitens sollte Deutsch–Österreich ein Bestandteil der Deutschen Republik werden. Wissend, daß es einen Staat mit der Bezeichnung Deutsche Republik nie gegeben hat und wohl nie geben wird, wählte Renner trotzdem die falsche Bezeichnung, weil die Politik seiner Partei auf ein Aufgehen Deutsch–Österreichs in einer Republik abgestellt war. [...] Deswegen war die gesetzgebende Nationalversammlung nur eine provisorische.” — Auch Kommunisten bezeichneten sich gelegentlich als national; vgl. Gehmacher in L'Homme 1/1996, S. 169: „Dies dokumentiert ein 1938 oder 1939 in Frankreich aufgenommenes Photo, auf dem mehrere Frauen zu sehen sind, die ein Transparent mit der Aufschrift »Front National Autrichien« tragen. Es sind österreichische Kommunistinnen im französischen Exil.” — Nicht verwendet wurde der Begriff von der Vaterländischen Front, obwohl sich viele ihrer Anhänger (wie auch Engelbert Dollfuß oder Ernst Rüdiger Starhemberg) als deutsche Österreicher im kulturellen Sinne gefühlt hatten; vgl. Gehmacher in L'Homme 1/1996, S. 159–169, insb. S. 159: „Jenes autoritäre Regime, das zwischen 1933 und 1938 den Erhalt des österreichischen Staates zum zentralen politischen Ziel gemacht hat, bezeichnete sich selbst als »vaterländisch« und mied den Begriff »national« geradezu. Das lag daran, daß dieser Begriff in der politischen Öffentlichkeit gänzlich von jenen deutschnationalen Gruppen besetzt waren, die den »Anschluß« an Deutschland forderten und daher im Bezug auf Österreich eigentlich als Anti–Nationale bezeichnet werden müßten.” Vgl. dazu auch Starhemberg Deutsche Frage; derselbe Rede 27.07.1934; Starhemberg Österreichische Idee; Nicoladoni–Dollfuß Interview; Bock Abwehrkampf. Zur weiteren Abgrenzung der Vaterländischen Front vgl. Starhemberg Bolschewismus. Die Bekenntnisse führender Politiker der Vaterländischen Front werden heute gelegentlich in Anschlußfreudigkeit umgedeutet; vgl. dazu Massiczek in ÖPZ 3/1991, S. 7: „Man darf sich durch die Deutschtumsbekenntnisse Dollfuß' und Schuschniggs nicht täuschen lassen. Sie hielten sich für Musterdeutsche, weil sie es aus den damaligen Gegebenheiten heraus nicht besser wußten. Aber sie setzten ihr Leben dafür ein, Österreich unabhängig zu erhalten und der deutschen Aggression Einhalt zu gebieten. Sicher nicht immer mit den klügsten Mitteln. [....] Aber ich empfinde es als verbrecherisch, den von Nazihand ermordeten Dr. Dollfuß als Schrittmacher der Nazis zu bezeichnen. Das gleiche gilt für den von den Nazis sieben Jahre lang inhaftierten Dr. Schuschnigg. Wer mit Hilfe gestapomanipulierter »Dokumente« zu beweisen versucht, Schuschnigg sei in der Haft zum Verehrer Hitlers geworden, weiß nicht zufällig auch ganz genau, was Schuschnigg hätte eigentlich tun sollen. So ein Schreiberling ist ein Österreichfeind, Prophet nach hinten, naseweiser Besserwisser, Gegner in Ehren ergrauter Widerstandskämpfer. Mit ihm erübrigt sich jede Diskussion.” Vgl. dazu auch Gebhardt Handbuch, Bd. 20, S. 241: „Zugleich aber ließen angesichts des Nationalsozialismus die Christlich–Sozialen wie die Sozialisten den Anschlußgedanken fallen. Beiden untereinander verfeindeten Parteien stand als nationale Opposition die »Großdeutsche Front« gegenüber.” Vgl. auch Wohnout in Academia 4/1992, S. 34–37.

[416] Vgl. Meyers Taschenlexikon 1990, Bd. 16, S. 155 l.Sp.

[417] Das können Leistungen etwa in kultureller, sportlicher, militärischer, politischer ... Hinsicht sein. Vgl. dazu auch Zimmermann Nationalstolz, S. 100: „Der Stolz auf die Regierungsform eines Landes ist die Empfindung von dem hohen und vorzüglichen Werte dieser Regierungsform. Ein wilder, ungestümer, gesetzloser Kopf preiset über alles die Demokratie, ein ehrliebender die Monarchie, ein gemeiner Geist gibt der Regierungsform den Vorzug, wo die meisten Vorteile für seine Person aus der Einrichtung des Staates fliessen, ein edler Geist der Regierungsform, wo er die grösste Anzahl Menschen glücklich sieht. Überhaupt bemerkt man den meisten und auch meines Erachtens den gegründetesten Stolz in solchen Ländern, wo man am meisten von seinen Pflichten und am wenigsten von den Menschen abhängt, und wo man also so viel als möglich von der bürgerlichen Freiheit behält. [...] Unter den Palmen der bürgerlichen Freiheit ist man in Republiken und in Monarchien glücklich, in Republiken von Rechts wegen, in Monarchien von ungefähr, allemal da, wo gute Gesetze mehr als die Menschen Meister sind oder wo ein würdiger Fürst das Gesetz ist.”

[418] Vgl. dazu die Ideologie der „Deutschen Sendung” als national geprägte Rechtfertigung für den Ersten Weltkrieg in Gebhardt Handbuch, Bd. 18, S. 148–158. „Es ist kein Zufall, daß nicht Kant oder Hegel, die in ihrem Denken nie die Verbindung zur Aufklärung geleugnet hatten, sondern Fichte der eigentliche Gewährsmann der deutschen Kriegsideologen wurde. Fichte hatte als ein entschiedener Vorkämpfer der Gedanken der Französischen Revolution begonnen. [...] Anstelle der universalen Revolutionsideen, auf die hinbezogen die Franzosen des Jahres 1789 sich als Nation verstanden, postulierte Fichte die Universalität der deutschen Nation als solcher in ihrer Gegebenheit. Er erklärte das deutsche Volk zum Urvolk, die deutsche Sprache zur Ursprache. Die Nation wurde zur Verkörperung einer metaphysischen Wesenheit, ihre Selbstverwirklichung zum angeblich universalen Auftrag. Im Kriege übernahm nun eine »Fichtegesellschaft« mit der von Wilhelm Stapel herausgegebenen Zeitschrift >Deutsches Volkstum< die Verbreitung einer Ideologie, die auf diesem Selbstverständnis beruhte.”

[419] Nationalismus ist daher eine regelmäßig Begleiterscheinung von Diktaturen. Vgl. auch Kuehnelt–Leddihn Sarajewo, S. 28: „Je primitiver und dümmer eine Idee, desto reißender appelliert sie an die Massen. Das Christentum hingegen brauchte drei Jahrhunderte, bis es Staat und Gesellschaft eroberte. Gut Ding braucht Weile!” Vgl. auch Canetti Masse und Macht.

[420] Vgl. Zimmermann Nationalstolz, S. 53: „Man sieht nur zu oft, dass die Feinde einer Religion diese Religion niemals kennen, weil sie dieselbe hassen, und dass sie dieselbe hassen, weil sie solche nicht kennen.”

[421] Vgl. Zimmermann Nationalstolz, S. 58: „So unterstehen sich Würmer in dem Leben eines Augenblicks einander zu hassen und zu verfolgen, weil oft der eine über nutzlose Spitzfindigkeiten und unbegreifliche Dinge nicht denkt wie der andere. So unterstehen sich Kreaturen von Staub, dem Allerhöchsten in seinen Ratschlägen vorzugreifen, und die Urteile des Herrn der Welt mit dem Gepräge ihrer Leidenschaften, ihrer Priester und ihres Stolzes zu verfalschmünzen.”

[422] Vgl. Zimmermann Nationalstolz, S. 82: „Auch bei ganzen Völkern vermindert die Verachtung den Hass nicht. Die Griechen hegen für die Perser so viel Hass als Verachtung. Der Pöbel unter den Christen sieht in den Juden ohne Ausnahme ein Volk, tot für Tugend und Wohlwollen, in Geiz, Betrug und Schinderei versunken, und er hält es sogar beinahe für einen Religionspunkt und ein verdienstliches Werk, die Juden zu verfolgen, also hasst sie unser Pöbel nicht minder, weil er sie verachtet. [...] Wer sich einbildet, dass man unmöglich ein rechtschaffener Mann sein könne, wenn man nicht alles glaubt, was er glaubt, wer alle diejenigen verdammt, die über Religionssachen nicht denken wie er, wird natürlicherweise ein Feind des grössten Teiles der Menschen. Die unvermeidliche Folge der Vorurteile für die Untrüglichkeit seiner Kirche ist die Intoleranz, und diese zeugt hinwieder das zahlreiche Ungeziefer giftiger Vorurteile, die jedem mit dem Fliegennetz der Philosophie nicht gesicherten Menschen wie die Mücken in heissen Ländern bei Myriaden um die Ohren summen, um ihn mit ihren Stacheln zu quälen.”

[423] Diese „Rechtfertigung” kann auch recht groteske Züge annehmen; vgl. etwa Zimmermann Nationalstolz, S. 62: „Die kleine, nichtsbedeutende Nation der Natches war, nach ihrer alten Sage, vormals die gewaltigste Nation in dem mitternächtlichen Amerika; der hohe Adel bestand aus fünfhundert Sonnen, und alle wurden von einer grossen Sonne beherrscht. Das heutige Oberhaupt dieses Völkleins hat etwas in seinem Stolze, das mir ungemein gefällt. Er tritt alle Morgen aus seiner Hütte hervor, grüsst die Sonne, bietet ihr seine Pfeiffe zu rauchen an und schreibt ihr mit dem Finger den Weg vor, den sie den Tag über nehmen soll. Der auf ein eingebildetes Ansehn sich beziehende Stolz ist der allzuhohe Wert, den man seinem Ansehen gibt.”

[424] Etwa im Namen eines — gegebenenfalls noch zu krönenden — Königs oder eines „Führers”.

[425] Vgl. dazu auch Zimmermann Nationalstolz, S. 84 f.: „Seitdem jenes sanfte unsichtbare Reich einer andern Welt der heftigste sichtbare Despotismus in dieser Welt ward, machte die durch Priesterhände entweihte christliche Religion die Menschen hart, grimmig, unbarmherzig und grausam. Sie gab ihnen Schwert und Feuer in die Hand. Sie trieb die Fürsten an, diese Welt in eine Hölle zu verwandeln und im Namen eines gütigen Gottes die zu martern und zu quälen, die sie lieben und bedauern sollten. Aber unser Heiland hat uns einen Glauben nicht gelehrt, der ausschliessend und tyrannisch ist, blutgierig und verfolgend macht und demzufolge die lieben Herren Jesuiten (diese Janitscharen des heiligen Stuhles, wie sie Papst Benedict der Vierzehnte nannte) Gott so oft gefallen wollten, wenn sie aus vollem Halse schrien, dass man keinen Ketzer schone.”

[426] Etwa „im Namen der Revolution”, „der Republik” oder der „nationalen Einigung”.






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