Ausländer pfui!

Über Aus­län­der und Vor­ur­tei­le

Carolinas Nachrichten Nr. 3/1991, S. 9–15


Mein Zorn


Wenn ich so et­was le­se, bin ich schon gran­tig: zu lan­ge ha­be ich selbst im Aus­land ge­lebt; zu oft ha­be ich in einem Land, in dem deutsch ge­spro­chen wird (fast) wie bei uns, von klein an zu spü­ren bekom­men, daß ich ir­gend­wie an­ders, fremd bin; zu oft ha­be ich im Aus­land fest­ge­stellt, wie wohl­tu­end es ist, mit je­man­dem zu spre­chen, der sol­che Vor­ur­tei­le nicht kennt.

An­ge­sichts der vie­len Freun­de und Be­kann­ten, die ich im Aus­land ha­be, wird es mir wohl im­mer ein Rät­sel blei­ben, wie es man­chen Leu­ten mög­lich ist, von der Na­tio­na­li­tät eines Men­schen auf des­sen (meist ver­werf­li­chen) Cha­rak­ter zu schlie­ßen.

Et­was an­ders ver­hält es sich al­ler­dings mit grö­ße­ren Grup­pen von Men­schen einer be­stimm­ten Na­tion, viel bes­ser: einer be­stimm­ten Re­gion — ganz gleich, an wel­chem Fleck die­ser Er­de sich sel­bi­ge be­fin­den mag. Wer sich oft im Aus­land auf­hält, wird bei­spiels­wei­se fest­stel­len, daß ein Ka­li­for­nier le­ge­rer ist in sei­nen Auf­fas­sun­gen als ein New Yor­ker, daß ein Ara­ber eine an­de­re Le­bens­ein­stel­lung hat als ein Ja­pa­ner, daß die Men­schen, die am Meer le­ben, eine an­de­re Men­ta­li­tät be­sit­zen als je­ne, die hoch­al­pi­ne Ge­gen­den oder eine Tief­ebe­ne be­woh­nen (Aus­nah­men be­stä­ti­gen die Re­gel!). Die­ser Er­fah­rungs­wert kann be­den­ken­los als Tat­sa­che an­ge­se­hen wer­den; es ist wis­sen­schaft­lich un­ter­mau­ert, daß Men­schen durch Um­welt- und an­de­re Ein­flüs­se ge­prägt wer­den und daß sich die­se Ein­flüs­se — über Ge­ne­ra­tio­nen gesehen — auch ge­ne­tisch nie­der­schla­gen kön­nen. Die Men­schen sind ver­schie­den, und das ist sehr gut so.


Wer ist besser?


Wer je­doch glaubt, auf­grund die­ser Ver­schie­den­heit gleich eine Rang­fol­ge ab­lei­ten zu kön­nen (die na­tür­lich die eige­ne Na­tion, die eige­ne Ra­se, die eige­ne An­schau­ung schlecht­hin selbst­ver­ständ­lich an die Spit­ze der Py­ra­mi­de stellt), wird, so er nur eini­ger­ma­ßen sei­ne Augen und Oh­ren auf­sperrt, durch eige­ne Aus­lands­auf­ent­hal­te schnell eines Bes­se­ren be­lehrt wer­den: Eine Grup­pe von cir­ca fünf­zig Wie­nern im ame­ri­ka­ni­schen Dis­ney­land kann ge­nau­so laut und prä­po­tent, ge­nau­so er­schreckend und schreck­lich, ge­nau­so lä­stig und un­ge­ho­belt sein wie et­wa fünf­zig Dort­mun­der beim Heu­ri­gen in Grin­zing, fünf­zig Nea­po­li­ta­ner auf der Kärnt­ner Stra­ße oder fün­fzig New Yor­ker in der Wie­ner Staats­oper. „Jöööö, Pa­pa, schau!” ist nicht schö­ner oder bes­ser als „oh my gosh, wow!” — ich ha­be das selbst zu wie­der­hol­ten Ma­len er­lebt.


Volkszorn in Wien


Der Volks­zorn ge­gen die Aus­län­der in Wien, den man im­mer häu­fi­ger in im­mer kras­se­ren For­men heut­zu­ta­ge be­ob­ach­ten kann, hat al­ler­dings nichts mit der­ar­ti­gen Be­trach­tun­gen zu tun. Die Pro­ble­me, de­nen sich ein „nor­ma­ler”, sprich: hier ge­bo­re­ner und hier auf­ge­wach­se­ner Wie­ner Bür­ger täg­lich ge­gen­über­ge­stellt sieht, ma­ni­fe­stie­ren sich im­mer deut­li­cher: Bet­teln­de aus­län­di­sche Kin­der, Män­ner und Frau­en aus al­ler Her­ren Län­der an al­len Ecken und En­den; hor­ren­de Stei­ge­rung­sra­ten bei der Aus­län­der­kri­mi­na­li­tät einer­seits, strei­ken­de Po­li­zi­sten und ein un­fä­hi­ger In­nen­mi­ni­ster einer eben­so un­fä­hi­gen Re­gie­rung an­de­rer­seits; das Ge­fühl der (kör­per­li­chen wie kul­tu­rel­len) Ohn­macht und Be­dro­hung ge­gen­über schein­bar un­er­schö­pfli­chen Heer­scha­ren von Aus­län­dern, die die Stra­ßen, die öf­fent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel, Be­hör­den und Äm­ter be­völ­kern; das al­les ist Ge­gen­stand öf­fent­li­cher Be­richt­er­stat­tung, oft aber auch ne­ga­ti­ver per­sön­li­cher Er­fah­run­gen. Daß die Tschuschn und Kro­wodn im Ju­go–Land ein­an­der die Schädel ein­schla­gen (wo's doch eh all­e Ju­go redn ...), daß mehr als vier­zig (40!) Mil­lio­nen ehe­ma­li­ge Sow­jets nur da­rauf war­ten, am west­li­chen Wohl­stands­ku­chen mit­na­schen zu kön­nen, wird Herrn und Frau Öster­rei­cher auch nicht rich­tig be­gei­stern.

Wiens Bür­ger­mei­ster Hel­mut Zilk, Kul­tur­ex­per­te, no­ta­riell be­glau­big­ter Nicht–Prä­si­dent­schafts­kan­di­dat und Dag­gi–Gat­te, ist hier mög­li­cher­wei­se ganz an­de­rer öf­fent­li­cher An­sicht. Pol­ni­sche Schwarz­märk­te sei­en Be­stand­teil des kul­tu­rel­len Le­bens einer Groß­stadt (und ge­hö­ren da­her auch nach Wien!), durch die Mas­sen von Tou­ri­sten fin­de eine In­ter­na­tio­na­li­sie­rung statt, die wie­de­rum nur als kul­tu­rel­le Be­rei­che­rung zu wer­den sei (so sei es doch in den letz­ten Jahr­zehn­ten der Mo­nar­chie auch ge­we­sen, und wie sehr pro­fi­tie­ren wir da­von doch heu­te noch!), schließ­lich und end­lich sei es völ­lig wurscht, ob eine kri­mi­nel­le Hand­lung von einem In- oder einem Auslän­der be­gan­gen wird (bit­te berück­sich­tigt bei den Aus­län­dern auch de­ren so­zia­le Si­tua­tion!), und über­haupt, auch ein Ruck­sack­tou­rist kann ein net­ter Mensch sein ...

Na fein!

Ich selbst bin — mit sehr wenig Geld und für re­la­tiv lange Zeit — mit einem Freund durch Ame­ri­ka ge­zo­gen. Die mei­sten Men­schen ha­ben nun ein­mal nur in ih­rer Ju­gend Zeit und Ge­le­gen­heit (da­für aber na­tur­ge­mäß recht we­nig Geld), sich die Welt an­zu­se­hen. Es ist durch­aus be­grü­ßens­wert, wenn sie dies tun: Die Er­fah­run­gen, die man bei sol­chen Rei­sen gewin­nen kann, die Freund­schaf­ten über al­le Gren­zen hin­weg, die man bei sol­chen Gele­gen­hei­ten schlie­ßen kann, ha­ben oft einen un­schätz­ba­ren Wert.


Fäkalientourismus


Die Art von Tou­ris­mus aber, die sich in den letz­ten Jah­ren und Jahr­zehn­ten in un­se­rem klei­nen Öster­reich breit ge­macht hat und jetzt al­les do­mi­niert, ist be­sten­falls als Fä­ka­lien­tou­ris­mus zu be­zeich­nen: Hun­dert­tau­sen­de wer­den her­an­ge­karrt, im Eil­tem­po durch die Stadt zum „Heu­ri­gen” ge­schleift und an­schlie­ßend wieder nach Hau­se trans­por­tiert — Hun­der­te von Ki­lo­me­tern für ein Vier­terl Wein! Die mei­sten von die­sen Tou­ri­sten sind völ­lig des­in­ter­es­siert an Kul­tur und Flair, ja sind oft kör­per­lich und/oder gei­stig gar nicht in der La­ge, auch nur an­satz­wei­se das An­ge­bot einer Stadt zu ver­ste­hen und auf­zu­neh­men, ge­schwei­ge denn ak­tiv zu nut­zen (wer sich öf­ters bei der Wie­ner Staats­oper um Steh­platz­kar­ten an­stellt und sich die Leu­te an­sieht, die dort an Füh­run­gen durch ein Haus, das einen der kul­tu­rel­len Hö­he­punk­te der Stadt schlecht­hin dar­stellt, teil­neh­men, weiß, wo­von ich spre­che!). Die­se Tou­ri­sten las­sen außer ih­ren Ex­kre­men­ten so­wie Ber­gen von Müll und Un­men­gen von Ab­ga­sen nichts in die­sem Land zu­rück. Sie ge­ben hier nicht ein­mal an­nä­hernd so viel Geld aus, wie not­wen­dig wä­re, um die Schä­den, die sie in un­se­rer Um­welt an­rich­ten, auch nur not­dürf­tig zu be­sei­ti­gen; wür­de man eine ob­jek­ti­ve Ko­sten–Nu­tzen–Rech­nung auf­stel­len, was die­ser Tou­ris­mus für Öster­reichs Wirt­schaft bringt und was er ko­stet, kä­me man wohl zu einem sehr schlech­ten Er­geb­nis.


Österreichisches Selbstverständnis


Von den Schä­den, die die­se Hor­den von Frem­den an un­se­rem vor al­lem kul­tu­rel­len Selbst­ver­ständ­nis (ins­be­son­de­re durch ih­re In­ter­es­se­lo­sig­keit!) ver­ur­sa­chen, wird auch nur sehr sel­ten ge­re­det. Me­dien, Par­teie­n und ver­schie­de­ne „pro­mi­nen­te” Per­so­nen set­zen al­les da­ran, eine sol­che Dis­kus­sion vor vor­ne­her­ein in ein „na­tio­na­les”, „bö­ses”, „aus­län­der­feind­li­ches” Eck zu stel­len, um nicht Ant­wort ge­ben zu müs­sen auf eini­ge un­an­ge­neh­me Fra­gen.

Ein jun­ger Mensch, dem im­mer nur Po­si­ves be­züg­lich die­ser Men­gen von Aus­län­dern im eige­nen Land vor­ge­setzt und ein­ge­häm­mert wird, wird sich ir­gend­wann ein­mal fra­gen, wa­rum er die­ses Land im „Not­fall”, wie im­mer sel­bi­ger sich auch ge­stal­ten mag, mit der Waf­fe in der Hand ver­tei­di­gen, ja so­gar für Öster­reich ster­ben soll.


„Noch 'ne Portion Pommes mit Majo!”


Mas­sen von Men­schen — egal, ob In- oder Auslän­der — ent­wickeln, wenn dem nicht recht­zei­tig ent­ge­gen­ge­steu­ert wird, mit der Zeit eine eige­ne Dy­na­mik. Mas­sen for­dern. Mas­sen von deut­schen Tou­ri­sten for­dern ihr Kass­ler Ripp­chen oder Eis­bein, Mas­sen von Ame­ri­ka­nern for­dern ih­ren Big Mac, Mas­sen von Öster­rei­chern for­dern ihr Wie­ner Schnit­zel. Liest man sich die Spei­se­kar­ten von öster­rei­chi­schen Lo­ka­len in Kärn­ten, Ti­rol, Salz­burg, Vor­arl­berg ... durch, fin­det man meist an­stel­le von Salz­bur­ger Nockerln, Ti­ro­ler Gröstl oder Kärnt­ner Kas­nocken eben die­se Spei­sen; der „Gro­ße Brau­ne” wird durch ein Känn­chen oder eine Por­tion „Kaffe” er­setzt — der Un­ter­gang öster­rei­chi­scher Gast­lich­keit und Kul­tur, Un­ter­gang öster­rei­chi­scher phan­ta­sie­vol­ler Kü­che.

Erst in jüng­ster Zeit be­sin­nen sich ver­ein­zel­te Gast­wir­te wie­der auf re­gio­na­le Kü­che. Die Un­muts­äu­ße­run­gen der Mas­sen­tou­ri­sten („Gibt's denn hier kei­ne Pom­mes mit Ma­jo? [= Ma­yon­naise, Anm.]) wer­den von je­nen eben­so oft mit Un­muts­äu­ße­run­gen quit­tiert („Des eßt's wie­der da­heim”), was sie wie­der ins tou­ri­sten- und aus­län­der­feind­li­che Eck rückt, weil sie ja die ver­meint­li­chen Rech­te un­se­rer lie­ben Gä­ste miß­ach­ten.

In Frank­reich be­rei­tet so et­was den Fran­zo­sen kein Pro­blem. Kü­che und Kul­tur sind re­gio­nal meist so in sich ab­ge­schlos­sen und eigen­stän­dig, daß schon we­ni­ge Ki­lo­me­ter auf die­sem Ge­biet völ­li­ge Ver­än­de­run­gen be­deu­ten kön­nen. Big Mac, Kass­ler Ripp­chen, Wie­ner Schnit­zel wird man ver­geb­lich auf den Spei­se­kar­ten su­chen; schließ­lich kann man doch auf die eige­ne Kü­che stolz sein — n'est–ce pas?

Um Miß­ver­ständ­nis­sen vor­zu­beu­gen: Das Kass­ler Rippc­hen auf eini­gen öster­rei­chi­schen Spei­se­kar­ten stört mich gar nicht, wenn da­ne­ben auch ein um­fang­rei­ches An­ge­bot re­gio­na­ler oder doch sol­cher Ge­rich­te be­steht, die eine ge­wis­se öster­rei­chi­sche Tra­di­tion ha­ben (es fällt mir durch­aus nicht schwer, Ce­vap­ci­ci oder Buch­teln als tra­di­tio­nell öster­reich­ische Spei­sen zu be­zeich­nen). Je grö­ßer die Viel­falt, de­sto bes­ser!


Masse und Macht — Canetti läßt grüßen


Es ist schließ­lich fest­zu­stel­len, daß eine Be­fruch­tung gei­sti­ger, kul­tu­rel­ler Na­tur noch nie von Men­schen­mas­sen aus­ge­gan­gen ist, son­dern nur von (oft recht ex­zen­tri­schen) Ein­zel­per­sön­lich­kei­ten, von Avant­gar­di­sten, von An­ge­hö­ri­gen einer klei­nen Eli­te von Men­schen, die teil­wei­se sehr weit rei­sten, we­ni­ger, um et­was zu brin­gen (das er­gab sich dann meist auto­ma­tisch), viel­mehr, um et­was zu ler­nen (dies sei den selbst­be­wuß­ten mo­der­nen Künst­lern un­se­rer Zeit ins Stamm­buch ge­schrie­ben).

Be­son­ders der Wunsch dieser Leu­te, Neu­es zu se­hen und zu er­ler­nen, be­wirk­te letzt­lich eine recht kon­ti­nu­ier­li­che Ent­wick­lung (egal, wie her­aus­ra­gend und „re­vo­lu­tio­när” die Pro­duk­te die­ser Be­fruch­tung auch in der je­we­ili­gen Zeit aus­ge­se­hen ha­ben mö­gen), von der die brei­ten Mas­sen auf sehr pas­si­ve Wei­se wie­der pro­fi­tier­ten.

In den sel­ten­sten Fäl­len wa­ren Mas­sen be­reit und fä­hig, in die­ser Rich­tung einen po­si­ti­ven Bei­trag zu lie­fern. Ih­re Spe­zia­li­tä­ten be­ste­hen viel­mehr aus spon­ta­nen, emo­tio­na­len, mas­sen–hy­ste­ri­schen Aus­brü­chen wie ge­walt­sa­men Um­stür­zen, blu­ti­gen Re­vo­lu­tio­nen, de­nen meist Staats­ter­ror so­wie ge­sell­schaft­li­ches und so­zia­les Chaos fol­gen, wie uns die Ge­schich­te im­mer wieder neu vor Augen führt.

Die Mil­lio­nen von Tou­ri­sten, die jähr­lich durch Öster­reich tram­peln, wer­den da­her als Mas­se wohl kaum in der La­ge sein, zur kul­tu­rel­len Wei­ter­ent­wick­lung Öster­reichs Po­si­ti­ves bei­zu­tra­gen. Im Ge­gen­teil: Das ein­zi­ge, das sie be­wir­ken kön­nen, ist ein Ni­veau­ver­lust, der duch den dik­ta­to­ri­schen Usus von Hand­lungs­wei­sen, die re­gio­na­lem Emp­fin­den ent­ge­gen­ste­hen und zu­wi­der sind, auf äußerst un­re­flek­tier­te Art fak­tisch le­ga­li­siert und da­mit Ein­hei­mi­schen — hier be­son­ders den jün­ge­ren Ge­ne­ra­tio­nen, de­nen oft der em­pi­ri­sche Ver­gleich fehlt — auf­ge­zwun­gen wird. Ty­pi­sches Bei­spiel da­für ist die trau­ri­ge De­ge­ne­ra­tion re­gio­na­len Brauch­tums zu in­halts­lee­ren, me­cha­nisch ab­lau­fen­den und da­her sehr un­char­man­ten Tou­ri­sten­at­trak­tio­nen, wie das in den Frem­den­ver­kehrs­ge­bie­ten von Ti­rol, Salz­burg und Kär­nten be­son­ders drasti­sch zu be­ob­ach­ten ist.

Die ein­zi­ge Mög­lich­keit, die zer­stö­re­ri­sche Macht die­ser Mas­sen zu bre­chen, ist, sel­bi­ge erst gar nicht ent­ste­hen zu las­sen bzw. sie durch ge­eig­ne­te (manch­mal lei­der ra­di­kal an­mu­ten­de, aber da­für ef­fek­ti­ve) Maß­nah­men zu­rück­zu­drän­gen. Ein simp­les Bei­spiel soll zeigen, wie leicht so et­was sein kann — wenn man nur will.

Sieht man von den Aus­nah­men, die die Re­gel be­kannt­lich be­stä­ti­gen, ein­mal ab, so ist ge­ne­rell fest­zu­stel­len, daß Mas­sen–Bus­rei­sen­de zu je­nem Pub­li­kum ge­hö­ren, die am we­nig­sten aus­ge­ben, sich am we­nig­sten in­ter­es­sie­ren, da­für aber den größ­ten Scha­den an Um­welt und Kul­tur an­rich­ten (eige­ne Er­fah­run­gen als Fe­rial­prak­ti­kant in einem Ho­tel be­stä­ti­gen dies ve­he­ment!). Durch Un­fäl­le, die durch den de­so­la­ten Zu­stand der Bus­se sowie durch man­geln­de Kennt­nis­se der zur Zeit vor­wie­gend aus dem Osten Eu­ro­pas kom­men­den Bus­fah­rer ver­ur­sacht wur­den, ent­ste­hen oft enor­me Ko­sten durch Ber­gung der Wracks und durch die me­di­zi­ni­sche Be­treu­ung der Ver­letz­ten.

Eine ob­li­ga­to­ri­sche, ri­go­ro­se tech­ni­sche Prü­fung (die selbst­ver­ständ­lich vom Rei­se­ver­an­stal­ter zu be­zah­len ist!!!) al­ler Bus­se an Öster­reichs Gren­zen wür­de die Zahl der Bus­rei­sen auf­grund der in Kauf zu neh­men­den War­te­zei­ten von bis zu meh­re­ren Ta­gen sehr schnell dra­stisch ver­rin­gern, was eine Ve­rle­gung eini­ger Rei­sen auf die Bahn, die an­er­kann­ter­ma­ßen um­welt­freund­li­cher und ri­si­ko­är­mer ist, för­dern wür­de. Fol­gen: Die Bus­rei­sen wer­den ein­ge­dämmt, dem Um­welt­schutz ist ge­dient, Öster­reichs Kran­ken­häu­ser wer­den we­ni­ger be­la­stet, die Bahn macht mög­li­cher­wei­se trotz Neu­en Au­stro–Takts et­was Ge­schäft — und un­ser al­ler Geld, das wir in Form von Steu­ern sonst da­für be­zah­len müß­ten, kann sinn­vol­ler, d.h. vor al­lem für Öster­reich und sei­ne Bür­ger ein­ge­setzt wer­den.


Vertriebene — Flüchtlinge — Einwanderer: Wer sonst noch zu uns kommt ...


Eine wei­te­re Grup­pe von Aus­län­dern, die wir täg­lich in ganz Öster­reich se­hen, sind je­ne, die län­ger oder auch für im­mer hier blei­ben wol­len. Auch hier wä­re es völ­lig falsch, auch nur im An­satz ein Pau­schal­ur­teil ab­zu­ge­ben: viel zu viel­schich­tig sind die Mo­ti­ve und Pro­bleme, viel zu ver­schie­den die Men­schen, die kom­men. Von den zahl­rei­chen Mög­lich­kei­ten sei hier ein As­pekt her­aus­ge­nom­men und be­han­delt, näm­lich der der Flücht­lin­ge.

Flücht­lin­ge sind Men­schen, die ihr Va­ter­land aus eige­nem Ent­schluß (wie im­mer auch sel­bi­ger zu­stan­de­ge­kom­men sein mag) ver­las­sen. Sie sind zu un­ter­schei­den von den Hei­mat­ver­trie­be­nen, wie zum Bei­spiel Schle­sier und Su­de­ten­deut­sche, die ih­re Hei­mat 1945 nicht ver­las­sen woll­ten.

An Mo­ti­ven, die je­man­den da­zu be­we­gen kön­nen, sein Land zu ver­las­sen und al­les bis­he­ri­ge mit einem Schlag auf­zu­ge­ben, sind an­zu­füh­ren (die nach­fol­gen­den Punk­te er­he­ben kei­nen An­spruch auf Voll­ständig­keit):

  • Ver­fol­gung und Un­ter­drückung aus eth­ni­schen, ras­si­schen, re­li­giö­sen, po­li­ti­schen und/oder son­sti­gen „Grün­den” mit den da­raus re­sul­tie­ren­den Fol­gen wie Dis­kri­mi­nie­rung oder Fol­ter;
  • eine tri­ste, aus­sichts­los er­schei­nen­de wirt­schaft­li­che La­ge des Hei­mat­lan­des;
  • eine Flucht im straf­recht­li­chen Sinn, um der recht­mäßi­gen Ver­fol­gung einer Straf­tat zu ent­ge­hen.

Per­so­nen, die ihr Land frei­wil­lig, auf­grund rein im per­sön­li­chen Be­reich an­zu­sie­deln­der Um­stän­de (wie et­wa man­geln­de be­ruf­li­che Per­spek­ti­ven, die nicht auf Dis­kri­mi­nie­rung be­ru­hen, oder et­wa ein grö­ße­rer Ver­dienst im Aus­land) ver­las­sen, sind kei­ne Flücht­lin­ge, son­dern Ein­wan­de­rer.


Der Paragraph schlägt zu


Zah­len­mä­ßig ist die Grup­pe je­ner, die ihr Land ver­las­sen, um einer (straf­recht­li­chen) Ver­fol­gung zu ent­ge­hen, die auf­grund be­ste­hen­der Ge­set­ze über sie ver­hängt wor­den ist, recht ge­ring, wie­wohl die adä­qua­te Be­hand­lung der je­wei­li­gen Ein­zel­si­tua­tion sich oft schwie­rig ge­stal­tet. Sol­che Leu­te soll­ten bei uns wohl nur dann Schutz und Hil­fe fin­den, wenn das Ur­teil ge­gen ele­men­ta­re Men­schen­rech­te ver­stößt oder mit un­se­rem Sit­ten- und Rechts­emp­fin­den in kras­sem Wider­spruch steht wie et­wa die Ver­ur­tei­lung zum To­de we­gen der Ent­wen­dung eines Blei­stif­tes. Ein füh­ren­der Sta­si–Agent hin­ge­gen, die Ver­kör­pe­rung eines Sy­stems der Un­mensch­lich­keit schlecht­hin, der noch da­zu die Frech­heit be­sitzt, in Öster­reich um po­li­ti­sches Asyl an­zu­su­chen, ver­dient we­der un­ser Mit­ge­fühl noch un­se­re Hilfs­be­reit­schaft, son­dern die Stren­ge des Ge­set­zes.

Es be­darf wohl kei­ner be­son­de­ren Er­ör­te­rung, daß Men­schen, die ihr Land ver­las­sen, weil sie ge­gen sie oder ih­re An­ge­hö­ri­gen ge­rich­te­te Ver­stö­ße ge­gen grund­le­gen­de Men­schen­rech­te wie et­wa das Recht auf Le­ben oder je­nes auf per­sön­li­che Frei­heit ent­we­der be­fürch­ten oder be­reits er­lebt ha­ben und mit wei­te­ren Re­pres­sa­lien rech­nen müs­sen (sie auch die „Kon­ven­tion zum Schut­ze der Men­schen­rech­te und Grund­frei­hei­ten”), Men­schen also, die be­rech­tig­te Angst haben, auch in Öster­reich Zu­flucht fin­den sol­len.*

Selbst wenn ich nicht eine Ver­fol­gung dieser Art am eige­nen Lei­be er­lebt ha­be, so ah­ne ich doch aus den über­ein­stim­men­den Er­zäh­lun­gen von Freun­den und Ver­wand­ten, die einer sol­chen aus­ge­setzt wa­ren und die nicht flie­hen konn­ten, wel­che Grau­sam­kei­ten die­se Leu­te oft durch­ma­chen. Wie er­l&oum;­send muß es in einer sol­chen Si­tua­tion sein, das ret­ten­de an­de­re Ufer, die Gren­ze, die Räu­me einer Bot­schaft oder eines Kon­su­la­tes zu er­rei­chen!

Es ist mir durch­aus ver­ständ­lich, daß po­li­ti­sche Flücht­lin­ge ge­ra­de nach Öster­reich ger­ne kom­men: wir sind ein neu­tra­les Land, ha­ben eine de­mo­kra­ti­sche Ver­fas­sung mit Men­schen­rechts­ga­ran­tien, die wei­test­ge­hend rea­li­siert sind; die wirt­schaft­li­che und so­zia­le La­ge Öster­reich ist trotz al­ler Schwie­rig­kei­ten und Skan­da­le kei­nes­falls als ka­ta­stro­phal zu be­zeich­nen; sel­ten ist außer­dem in einem Land die Aus­län­der­feind­lich­keit so ver­pönt (wenn auch im­mer la­tent vor­han­den) wie bei uns.

Öster­reichs Flücht­lings­po­li­tik aber ist ka­ta­stro­phal!

Wo­mit die­se Leu­te näm­lich in der Re­gel nicht rech­nen, ist die öster­rei­chi­sche Bü­ro­kra­tie, was sie wohl in je­dem Fall un­ter­schät­zen, ist ih­re Kon­kur­renz, die so­ge­nann­ten Wirt­schafts­flücht­lin­ge, von denen spä­ter noch die Re­de sein wird.

Es kann durch­aus als sinn­voll be­zeich­net wer­den, wenn die Hil­fe, die po­li­ti­schen Flücht­lin­gen ge­währt wird, sel­bi­gen schnell, mensch­lich und ef­fi­zient zu­teil wird. Die Um­stän­de, un­ter de­nen die­se Men­schen im Auf­fang­la­ger Trais­kir­chen le­ben, sind ein­fach als trist zu be­zeich­nen. Ge­meint ist hier nicht so sehr die Aus­stat­tung des La­gers und die Be­hand­lung der Flücht­lin­ge, son­dern viel­mehr die Tat­sa­che, wie lan­ge man die­se im Un­kla­ren läßt, wie sehr man sie mit einer Bü­ro­kra­tie kon­fron­tiert, wie rasch man auf öster­rei­chi­scher Sei­te be­son­ders bei dif­fi­zi­len Fäl­len der Ein­fach­heit und „Ko­sten­er­spar­nis” hal­ber be­reit ist, sie in einen Topf mit den er­wähn­ten Wirt­schafts­flücht­lin­gen zu wer­fen. Selbst aus dem di­stan­zier­ten und po­la­ri­sier­ten Blick­win­kel der Fern­seh­ka­me­ra wird deut­lich, daß Öster­reich ein­fach an­ders ist. Bea­m­ten­man­gel und Beam­ten­men­ta­li­tät so­wie wach­sen­de Ak­ten­ber­ge einer­seits, stei­gen­de Flücht­lings­zah­len und gro­ße Wor­te von Po­li­ti­kern in der Welt­öf­fent­lich­keit an­de­rer­seits, man wer­de al­len „Ver­folg­ten” hel­fen, schaf­fen einen klaf­fen­den Schlund der Pro­ble­me und des Wi­der­spruchs, der von wach­sen­dem Un­ver­ständ­nis und wach­sen­der Un­zu­frie­den­heit der öster­rei­chi­schen Be­völ­ke­rung, die das al­les mit ih­ren Steu­er­gel­dern be­zah­len muß, lang­sam aber ste­tig ge­füllt wird und über­zu­ge­hen droht.


„Ich nix deutsch, aber Österreicher!”


Es ist klar, daß Öster­reich nicht in der La­ge ist, al­le po­li­ti­schen Flüchtlinge dieser Erde aufzunehmen. Angesichts der geo­gra­phi­schen La­ge und einer Be­völ­ke­rungs­zahl von knapp über sieben Mil­lio­nen nimmt dieses Land ohne­hin schon eine recht be­acht­li­che Zahl von Flücht­lin­gen auf. Es gibt da­her nur zwei gu­te We­ge, mit po­li­tisch Ver­folg­ten, de­nen von uns die­ser Sta­tus zu­er­kannt wor­den ist, wei­ter zu ver­fah­ren. Eine Va­rian­te — und das ist aus oben­ge­nann­ten Grün­den je­ne, die wohl am häu­fig­sten an­ge­wandt wer­den muß — ist, ih­nen die Wei­ter­rei­se in ein an­de­res Land zu er­mög­li­chen, in dem sie ob­jek­tiv ge­se­hen eine Chan­ce ha­ben, auf­ge­nom­men zu wer­den. Die­je­ni­gen aber, die bei uns blei­ben (ih­ren Wil­len da­zu vor­aus­ge­setzt, muß die Ent­schei­dung da­rüber je­doch aus­schließ­lich eine öster­rei­chi­sche sein!), müs­sen die Mög­lich­keit er­hal­ten, hier auch hei­misch zu wer­den. Das Nach­wer­fen der Staats­bür­ger­schaft nach ein paar Jähr­chen Auf­ent­halt al­lein ist auf kei­nen Fall ein ge­eig­ne­tes Mit­tel hier­zu. Als voll­wer­ti­ger Staats­bür­ger wird von der Be­völ­ke­rung zu Recht nur je­mand ak­zep­tiert, der zu­min­dest die wei­test ver­brei­te­te Lan­des­spra­che — in un­se­rem Fall wohl deutsch — flie­ßend be­herrscht, der sich in den re­gio­na­len Sit­ten und Ge­bräu­chen aus­kennt, der nicht nur um sei­ne Bür­ger­recht, son­dern auch um sei­ne Bür­ger­pflich­ten weiß und die­sen auch nach­kommt. Es ist da­her un­um­gäng­lich, po­li­tisch Ver­folg­ten, de­nen die Ge­le­gen­heit ge­bo­ten wird, in Öster­reich zu blei­ben, Öster­rei­cher zu wer­den, auch die Mög­lich­keit zu ge­ben, oben­ge­nann­te Vor­aus­set­zun­gen zu er­fül­len. Ein Chi­ne­se bei­spiels­wei­se, der in Wien lebt und sich nach drei Jah­ren nicht mehr als den ele­men­tar­sten deut­schen Wort­schatz zu­ge­legt hat, wird auch dann nicht als Öster­rei­cher ak­zep­tiert wer­den, wenn er sei­nen Staats­bür­ger­schafts­nach­weis als Pla­kat ver­grö­ßert vor sein Fen­ster hängt.

Vie­le Öster­rei­cher wis­sen näm­lich noch aus eige­ner Er­fah­rung, daß Men­schen, die ex­tre­me phy­si­sche und/oder psy­chi­sche Ent­beh­run­gen und Grau­sam­kei­ten er­dul­den muß­ten, eine ge­wis­se Art der Be­schei­den­heit so­wie der Wil­le aus­zeich­net, von je­der gu­ten Mög­lich­keit, sich sein neu­es Le­ben auf­zu­bau­en, (mög­lichst kon­flikt­frei) zu nut­zen. Wird ent­spre­chen­de Ge­le­gen­heit ge­bo­ten (z.B. or­ga­ni­sier­te qua­li­fi­zier­te Deutsch­kur­se für an­er­kann­te, zu na­tu­ra­li­sie­ren­de po­li­ti­sche Flücht­lin­ge) und wird von ihr kein oder nur mä­ßi­ger Ge­brauch ge­macht, so fehlt es dem Be­tref­fen­den ein­fach an Glaub­wür­di­gkeit, so wie es auch den öster­rei­chi­schen Be­hör­den an Glaub­wür­dig­keit fehlt, wenn sie die er­wähn­ten Mög­lich­kei­ten nicht bie­ten und so­mit eine rea­le Flücht­lings­po­li­tik un­mög­lich ma­chen.


Polen — einfach unerwünscht?


Die eigen­tli­chen Pro­ble­me ent­ste­hen je­doch bei einer ganz an­de­ren Grup­pe von Aus­län­dern: den be­reits er­wähn­ten „Wir­schafts­flücht­lin­gen”. Ver­stan­den wer­den da­run­ter of­fi­ziell je­ne Men­schen, die auf­grund der tri­sten wirt­schaft­li­chen La­ge ih­res Lan­des be­schlie­ßen, sel­bi­ges zu ver­las­sen und zu ver­su­chen, zu­min­dest vor­über­ge­hend die eige­ne Si­tua­tion im Aus­land zu ver­bes­sern. Oft ver­birgt sich je­doch hin­ter die­sem Be­griff ein un­ge­ahn­tes Maß an Mas­sen–Op­por­tu­nis­mus, der nicht all­zu sel­ten be­reits in il­le­ga­len Ge­fil­den an­zu­sie­deln ist. Die­se Leu­te über­haupt als Flücht­lin­ge zu be­zeich­nen, ist blan­ker Hohn den­je­ni­gen ge­gen­über, die ihr Land un­ter Le­bens­ge­fahr ver­las­sen und un­ser Land nur mit viel Glück er­reicht ha­ben.

Mir ist völ­lig klar, daß nach dem Fall des Eiser­nen Vor­han­ges Tsche­chen, Slo­wa­ken, Un­garn, Po­len, Deut­sche, und vie­le an­de­re zu uns strö­men, um zu se­hen, wie wir le­ben, war wir uns in der Zeit der Tren­nung auf­ge­baut ha­ben: Neu­gier ist ein­fach mensch­lich. Ich fin­de es gut, wenn die­se Leu­te, die ja einen un­ge­heu­ren Nach­hol­be­darf ha­ben, zu uns kom­men, bei uns se­hen und ler­nen, um das so er­wor­be­ne Wis­sen bei sich zu Hau­se en­set­zen zu kön­nen. So bin ich auch ger­ne be­reit, das Ver­hal­ten eines Ehe­paa­res, das eines Ta­ges mei­ne Bank be­trat, nach den Ko­sten je­ner Kar­te frag­te, mit der man an den Auto­ma­ten so viel Geld ho­len kann, und sich er­kun­dig­te, ob es die­se Kar­te für ehe­ma­li­ge DDR–Bür­ger viel­leicht eine zeit­lang gra­tis gä­be, post–kom­mu­ni­sti­scher Nai­vi­tät und nicht et­wa bös­wil­li­gem Schma­rot­zer­tum zu­zu­schrei­ben.

Je­nen aber, die nur des­we­gen nach Öster­reich kom­men, um durch Ge­schäf­te oder son­sti­ge Hand­lun­gen, die zum über­wie­gen­den Teil zu un­ser al­ler La­sten ge­hen, sich per­sön­li­che Vor­tei­le ver­schaf­fen, die nicht ge­recht­fer­tigt sind und ih­nen da­her in kei­ner Wei­se zu­ste­hen, soll­te in al­ler Deut­lich­keit bei­ge­bracht wer­den, daß sie un­er­wünscht sind — ganz egal, aus wel­chem Land sie kom­men. Ab­ge­se­hen vom wirt­schaft­li­chen Scha­den, den sie dem Land und sei­nen Be­woh­nern zu­fü­gen, er­zeu­gen sie durch ihr rück­sichts­lo­ses Ver­hal­ten eine Aus­län­der­feind­lich­keit, die durch die Ver­mas­sung des Pro­blems eine Vermas­sung der Ver­brei­tung er­fährt und da­mit eine ge­fähr­li­che Ziel­lo­sig­keit und Un­kon­trol­lier­bar­keit.

Es ist all­ge­mein be­kannt, daß es in Po­len — wie in den an­de­ren (ehe­ma­li­gen) kom­mu­ni­sti­schen Län­dern auch — einen außer­ge­wöhn­lich gut be­stück­ten Schwarz­markt gab und auch heu­te noch gibt. Im Ge­gen­satz zu eini­gen Wie­ner Po­li­ti­kern bin ich kei­nes­wegs der An­sicht, daß ein sol­cher Schwarz­markt aus dem Stadt­bild die­ser Stadt nicht weg­zu­den­ken wä­re. Wenn man wie ich weiß, wie scharf die Kon­trol­len nach dem Le­bens­mit­tel­recht für öster­rei­chi­sche Be­sit­zer von Im­biß­lä­den sind, hat wohl kein Ver­ständ­nis da­für, daß nicht mit al­ler Hef­tig­keit ge­gen Po­len vor­ge­gan­gen wird, die Fleisch- und Wurst­wa­ren, die sie ki­lo­wei­se aus ih­rem Land mit­ge­bracht ha­ben, in dem die­se Din­ge oh­ne­hin noch knapp sind, ein­fach of­fen auf der (noch hei­ßen) Küh­ler­hau­be ih­res Autos ver­kau­fen. Es stellt sich die Fra­ge, ob öster­rei­chi­sche Be­hör­den die Ge­sund­heit der Be­völ­ke­rung nur dann ein An­lie­gen ist, wenn es sich beim Ver­käu­fer um re­la­tiv leicht zu kon­trol­lie­ren­de In­län­der han­delt ...

In Deutsch­land und an­de­ren west- und mit­tel­eu­ro­päi­schen Län­dern ist das an­ders: Dort wer­den Po­len bei der Ein­rei­se und bei der Aus­rei­se ex­trem ge­nau kon­trol­liert, was eine ra­sche Ein­däm­mung des Le­bens­mit­tel­schwarz­mark­tes zur Fol­ge hat; das Pro­blem wur­de einer adä­qua­ten Be­hand­lung zu­ge­führt.

An­ge­sichts der Tat­sa­che, daß es auch zur Hoch­sai­son eine Rei­he ar­beits­lo­ser öster­rei­chi­scher oder dau­ernd in Öster­reich le­ben­der aus­län­di­scher Bau­ar­bei­ter gibt, ha­be ich auch kein Ver­ständ­nis für den so­ge­nann­ten Po­len­strich, auf dem Aus­län­der sich für Schwarz­ar­beit an­bie­ten. Die „Re­vie­re” die­ser Leu­te, die der öster­rei­chi­schen Wirt­schaft und der Ar­beits­mo­ral be­trächt­li­chen Scha­den zu­fü­gen, sind eben­so be­kannt wie die Treffs der Dro­gen­sze­ne von Wien — ge­re­det wird viel da­von, ge­tan wird ge­gen bei­de kaum et­was.

A pro­pos Strich: Aus­län­di­sche (Ge­heim–)Pro­sti­tu­ier­te neh­men nicht nur den öster­rei­chi­schen das Ge­schäft weg (da­rüber wird mich wohl kei­ner eine Trä­ne ver­gie­ßen se­hen), son­dern sind we­gen der in­län­di­schen Kon­kur­renz ge­zwun­gen, etwa den Kon­dom­ge­brauch um eini­ges locke­rer zu hand­ha­ben; da sie sich meist auch il­le­gal in Öster­reich auf­hal­ten, ist je­de ge­sund­heit­li­che Vor­sor­ge und Be­hand­lung aus­ge­schlos­sen. Es liegt auf der Hand, daß — ab­ge­se­hen vom mo­ra­li­schen As­pekt — die wei­te­re Aus­brei­tung di­ver­ser Ge­schlechts­krank­hei­ten oder auch von AIDS da­durch nicht ge­ra­de ein­ge­dämmt wird. Die fi­nan­ziel­le Re­la­tion ist völ­lig un­gleich: eine we­sent­lich schär­fe­re Kon­trol­le sol­cher Leu­te und ein ri­go­ro­ses Vor­ge­hen ih­nen ge­gen­über wür­de wohl um eini­ges we­ni­ger ko­sten als die lang­wie­ri­ge me­di­zi­ni­sche Be­hand­lung der Er­krank­ten (die wie­der ein­mal wir mit un­se­ren Steu­ern und Bei­trä­gen be­zah­len müs­sen).


Ein Leisten genügt nicht


Es ist na­tür­lich völ­lig falsch, das al­les zum Bei­spiel auf „die Po­len” zu schie­ben. Es ist ein eben­so gro­ßer Blöd­sinn, hin­ter je­dem Po­len (oder an­de­ren Aus­län­der) einen Dieb, Ver­bre­cher, Zu­häl­ter zu se­hen und ihn da­nach auch noch zu be­han­deln. Der­ar­ti­ge dum­me Vor­ur­tei­le schaf­fen nur al­le mög­li­chen Pro­ble­me, scha­den den­je­ni­gen, de­nen wir hel­fen soll­ten und nüt­zen al­len, die auf un­se­re Ko­sten le­ben wol­len, weil sie sich auf un­se­re Vor­ur­tei­le aus­re­den kön­nen. Nein, im Ge­gen­teil: Eine dif­fe­ren­zier­te Be­ur­tei­lung (wenn schon nicht von „Lies­chen Mül­ler”, soll­te man sie zu­min­dest von of­fi­ziel­ler Sei­te oh­ne wei­te­res er­war­ten kön­nen) ist nicht nur an­ge­bracht, son­dern für den so­zia­len Frie­den in un­se­rem Land lang­fri­stig nö­tig und loh­nend.


Ausländerkriminalität schadet den Ausländern


Die Tat­sa­che einer ra­pi­de stei­gen­den Aus­län­der­kri­mi­na­li­tät in Öster­reich soll­te uns aber zu den­ken ge­ben. Na­tür­lich ist es für das Op­fer eines Auto­dieb­stahls völ­lig egal, ob sein ge­lieb­tes Ve­hi­kel von einem In- oder Aus­län­der ge­stoh­len wor­den ist (meist wer­den Lu­xus­ka­ros­sen oh­ne­hin ins Aus­land ver­scho­ben). Eini­gen Wie­ner Po­li­ti­kern sei je­doch ge­sagt, daß dies ge­sell­schaft­lich ge­se­hen sehr wohl von Be­deu­tung ist. Nicht nur, daß wie­der ein­mal In­län­der für die Straf­ver­fol­gung von Aus­län­dern (zu­sätz­lich) in die Ta­sche grei­fen und ble­chen müs­sen, sind die Aus­sich­ten auf eine wei­ter stei­gen­de Kri­mi­na­li­tät ganz all­ge­mein nicht gera­de be­gei­sternd. Wenn man be­denkt, daß in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land pro Jahr 8.000 Autos ge­klaut und — oft in zer­leg­tem Zu­stand — al­lein nach Po­len ver­scho­ben wer­den (der Dieb­stahl für an­de­re Län­der ist hier nicht be­rück­sich­tigt!), wenn man be­denkt, was die Straf­ver­fol­gung den Steu­er­zah­ler des je­wei­li­gen Lan­des ko­stet, und wenn man in den Me­dien im­mer wie­der hört, daß in Öster­reich eben­so gut or­ga­ni­sier­te Ban­den ge­nau­so steh­len und ver­schie­ben, kann das nicht ge­ra­de Hoch­stim­mung und Aus­än­der­freund­lich­keit her­vor­ru­fen.

Auch hier wür­de ein ri­go­ro­ses Vor­ge­hen ge­gen sol­che Leu­te nicht nur uns Öster­rei­chern, son­dern auch den vie­len ehr­li­chen Aus­län­dern hel­fen, die in un­se­rem Land le­ben dür­fen und auch le­ben sol­len.

Aber auch die vie­len „Wirt­schafts­flücht­lin­ge”, die nicht grob il­le­ga­le Mit­tel an­wen­den, um hier zu le­ben, schaf­fen Pro­ble­me. Mir ist da­bei durch­aus klar, daß die­se Leu­te es nicht im­mer leicht ha­ben. Man den­ke nur bei­spiels­wei­se an die so­ge­nann­ten „Park­platz–Po­len” (hier sind es wirk­lich fast aus­schließ­lich Po­len), die in den Abend- und Nacht­stun­den je­den Auto­bahn­park­platz zwi­schen Wien und Graz be­völ­kern, daß oft kein anderer einen Rastplatz finden kann. Abgesehen davon, daß sie die Park­plät­ze nicht ih­rem Zweck ent­spre­chend zum Ra­sten, son­dern zum Cam­pen ver­wen­den; ab­ge­se­hen da­von, daß die­se Leu­te nur sehr we­nig Geld — wenn über­haupt — ha­ben, aber da­für in ho­hem Ma­ße öster­rei­chi­sche In­fra­struk­tur nut­zen, die wir be­zah­len müs­sen; ab­ge­se­hen da­von, daß es für sie in Öster­reich lang­fri­stig oh­ne­hin kei­ne Zu­kunft ge­ben kann, da sonst eine gro­ße Zahl wei­te­rer „Flücht­lin­ge” ins Land kä­me (die viel­leicht gar un­ter Hin­weis auf ih­re Vor­gän­ger An­sprü­che er­he­ben wür­den); ab­ge­se­hen von die­sen Din­gen scha­den sie auch in ge­wis­ser Wei­se dem An­se­hen Öster­reichs: Sie zei­gen nicht nur uns Öster­rei­chern, son­dern auch den zu uns kom­men­den Tou­ri­sten deut­lich, daß wir die Pro­ble­me (noch) nicht un­ter Kon­trol­le ha­ben, daß die Wor­te un­se­rer Po­li­ti­ker zu­min­dest nicht ganz ernst­zu­neh­men sind, daß un­se­re „Flücht­lings­po­li­tik” nicht das ist, wo­für sie in der Welt­öf­fent­lich­keit aus­ge­ge­ben wird.


Und die Moral von dera G'schicht?


Je ge­rin­ger die An­sprü­che sind, die an die Frem­den al­ler Art aus al­len mög­li­chen Ge­gen­den die­ser Welt ge­stellt wer­den, de­sto nie­dri­ger wird auch das Ni­veau der­sel­ben sein, de­sto grö­ßer aber die Pro­ble­me, die sie uns be­rei­ten (un­se­re eige­nen Prob­le­me sind be­acht­lich und soll­ten vor­ran­gig ge­löst wer­den).

Wird dem Tou­ri­sten al­les ab­so­lut mundl­g;e­recht ser­viert, wird von ihm kei­ne Eigen­ini­tia­ti­ve ver­langt, so­daß er sich an die Re­geln, Sit­ten und Ge­bräu­che des von ihm be­rei­sten Land an­pas­sen muß, um es ken­nen­zu­ler­nen, wird er zwar mög­li­cher­wei­se von uns pro­fi­tie­ren, wir aber si­cher nicht von ihm.

Wenn wir nicht da­für sor­gen, daß Aus­län­der re­gio­na­le Kul­tur ken­nen–, schät­zen und ak­zep­tie­ren ler­nen, wer­den sie uns eines Ta­ges voll­ends ihre eige­ne Sub­kul­tur auf­zwin­gen — die ra­pi­de Aus­brei­tung der MacDo­nald's Re­stau­rants sind nur ein harm­lo­ses An­zei­chen da­für.

Wird nicht ri­go­ros ge­gen aus­län­di­sche Kri­mi­nel­le (ge­gen in­län­di­sche natür­lich auch) vor­ge­gan­gen, wer­den da­durch nur wei­te­re Kri­mi­nel­le ange­lockt zu un­se­rem eige­nen Scha­den wie zu dem der vie­len ehr­li­chen Aus­län­der. Weh­ret den An­fän­gen — zu un­ser al­ler Schutz.


Ausländer pfui?


Ab­ge­se­hen da­von, daß ich mich wei­ge­re, al­le Aus­län­der über einen Lei­sten zu sche­ren, muß ich nach dem Ge­sag­ten zum Schluß kom­men, daß wir Öster­rei­cher zu­min­dest ein ge­rüt­telt Maß an Mit­schuld an der Mi­se­re tra­gen. Ein rech­tes Wort am rech­ten Ort un­se­rer Po­li­ti­ker (auch dann, wenn es ein­mal nicht so po­pu­lär und für eini­ge un­an­ge­nehm ist), ein ri­go­ro­ses, ge­rech­tes und ef­fi­zien­tes Durch­grei­fen un­se­rer Be­hör­den, die wir ja al­le be­zah­len, da­mit sie uns vor Pro­ble­men be­wah­ren, wä­re si­cher zum all­ge­mei­nen Vor­teil ge­we­sen. Ein (teil­wei­se durch Des­in­for­ma­tion ver­ur­sach­ter) Man­gel an Pro­blem­be­wußt­sein in der Be­völ­ke­rung und des­sen Kom­pen­sa­tion durch Vor­ur­tei­le und Nör­ge­lei wä­re durch ge­eig­ne­te Auf­klä­rung und adä­qua­tes Han­deln un­se­rer sich ih­rer Ver­ant­wor­tung of­fen­sicht­lich nicht ganz be­wuß­ten Volks­ver­tre­ter si­cher ein­zu­däm­men ge­we­sen.

Das Ge­schwätz un­se­rer Po­li­ti­ker von schein­bar not­wen­di­ger „In­ter­na­tio­na­li­sie­rung” — auch im Hin­blick auf einen ganz si­cher not­wen­di­gen EG–Bei­tritt Öster­reichs — kann hier auch nicht dien­lich sein. Viel­falt ist das an­zu­stre­ben­de Ziel — wenn wir dann da­mit um­ge­hen kön­nen.

Elias Ca­net­ti hat in sei­nen Auf­zeich­nun­gen aus dem Jah­re 1945 fest­ge­hal­ten: „Die Über­win­dung des Na­tio­na­lis­mus [und da­mit auch die ra­di­ka­le Ein­däm­mung von Aus­län­der­feind­lich­keit und den sie be­glei­ten­den Vor­ur­tei­len, Anm.] liegt nicht im In­ter­na­tio­na­lis­mus, wie vie­le ge­glaubt ha­ben, denn wir spre­chen Spra­chen. Sie liegt im Plu­ri­na­tio­na­lis­mus.”

Den­ken wir da­rüber nach. Nach­den­ken schafft In­ter­es­se, In­ter­es­se ver­langt nach In­for­ma­tion, fun­dier­te In­for­ma­tion wie­de­rum ist die Grund­la­ge für adä­qua­tes, lang­fri­stig rich­ti­ges Han­deln, mit dem die Pro­ble­me wirk­sam be­kämpft wer­den kön­nen.

Den­ken wir da­rüber nach — zu un­ser al­ler Vor­teil!



* Der Ein­fach­heit hal­ber will ich sie in der Fol­ge „po­li­ti­sche Flücht­lin­ge” nen­nen, ob­wohl ich mir na­tür­lich des­sen be­wußt bin, daß dies der Rea­li­tät kei­nes­falls ge­recht wird.


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