Über die Nationalitätenkonflikte im ehemals kommunistischen Teil Europas
Carolinas Nachrichten Nr. 2/1991, S. 1
Wie war doch der Jubel riesig, als in einigen Ländern des Ostens die Grenzen geöffnet, sozialistische Regierungen gestürzt und hoffnungsvoll junge, neue, demokratisch gewählte Regierungen eingesetzt wurden. Ausgelacht wurden jene, die meinten, daß dies noch nicht
ausreiche, um die Probleme zu lösen, die in diesen Staaten bisher gewaltsam unterdrückt wurden.
Völlig ignoriert wurden auch jene besorgten Europäer, die vor den hervorbrechenden Nationalitätenkonflikten warnten: nein, nein, jetzt ist ja alles demokratisch, schaffen wir doch gleich unser Bundesheer ab, nein, wozu denn noch Geld dafür ausgeben ... Es müssen erst in unseren südlichen Nachbarstaaten Menschen sterben, bis wir in Österreich aufwachen. Dabei handelt es sich hier beileibe nicht um einen Nationalitätenkonflikt; vielmehr wehren sich Menschen gegen ihre Unterdrücker, nach Unabhängigkeit strebende Demokraten gegen kommunistische Zentralisten (ohne das Geld aus Slowenien und Kroatien wäre wahrscheinlich das kommunistische System lange vorher zusammengebrochen!). Österreichische Unterstützung für diese anfangs friedliche Revolte gab es nur sehr, sehr spärlich; was für die Tschechoslowakei, für Ungarn und all die anderen Staaten, die den realen Sozialismus abgeschafft haben, recht und billig war, ist offensichtlich in den Augen österreichischer Politiker — bürgerliche wie Sozialisten* — für Kroatien und Slowenien nicht mehr erstrebenswert. Aber das sind natürlich nicht die einzigen Probleme, die es in Europa nach dem Fall des Eisernen Vorhanges gibt. Hört man beipielsweise die Slowaken über die Tschechen reden (oder vice versa), kann einen manchmal das Grausen packen. Dagegen sind die Vorurteile harmlos, die in unserem Wort „Tschuschen” verpackt sind. In Deutschland hingegen wollen die „Ossis” die Integration auf ihre Art verwirklicht sehen: West–Aufschwung ja, Änderung der Arbeitsmoral und Wurschtigkeitsmentalität nein. Statt die Schaufel zur Hand zu nehmen und das Land wieder aufzubauen, kauft man sich lieber ein schönes Auto und macht mal Urlaub. Nachdem aber nun bei einigen die Ernüchterung über das allgemeine „der Kohl wird schon machen (der Honecker hat ja früher auch gemacht!) ...” gekommen ist, schreit man lieber „Früher hätt's däs nicht gägäben!”, anstatt endlich einmal von den anderen zu lernen. Und geflissentlich übersehen die meisten „Ossis” auch die unzähligen Milliarden harter Deutsch–Mark, die die „dummen Wessis” fleißig in das marode Land hineinbuttern. Es ist hoch an der Zeit, daß wir alle endlich aufwachen. Sonst kann es nämlich passieren, daß wir von marschierenden Massen eines Tages recht unsanft geweckt werden!
* Pardon! Die haben sich ja in Sozialdemokraten umbenannt. Wenn die Genossen jetzt noch wirklich Sozialdemokraten werden wollen, müssen sie wohl oder übel alle Sozialisten hinauswerfen „aus da Patei”. Diese Art der Selbstauflösung brächte mit Sicherheit für Österreich einen gewaltigen Fortschritt in kultureller, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, ökologischer und auch sonst in mannigfacher Hinsicht! |
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