Ein Märchen zur „Österreichischen Nation”
Carolinas Nachrichten Nr. 4/1988 S. 9 f.
Die Republik der Alpenzwerge war nicht immer eine Republik; zu Anfang dieses Jahrhunderts standen noch würdige Monarchen an der Spitze dieses Landes, und nicht nur die Ignoranz des Pöbels war daran schuld, daß dem heute nicht mehr so ist.
Im Land der Alpenzwerge gab und gibt es mehrere Zwergenparteien: so z.B. die Partei der international marschierenden Sichel-und-Hammer–Zwerge, die mit den gemeinen internationen bekreisten Dreipfeil–Zwergen eine gewisse Ähnlichkeit haben (Proletarierzwerge aller Länder: vereiniget Euch!) und deren gemeinsamer Sammelname daher „Rotfahnen–Zwerge” ist; da gibt es die Wischi-Waschi–Volks-und-Bürgerzwerge, von denen manchmal behauptet wird, sie hätten keine Ahnung von gar niemals nichts, und die protestierenden Gesundheits– und Grünzwerge, die oft — nicht nur aus Zorn — gar rot anlaufen können, auch wenn sie zufälligerweise einmal „Blau” heißen sollten; und schließlich gibt es — als einzige in letzter Zeit aufstrebende Zwergenpartei — die Partei der kontrollieren–wollenden blaugesichtigen Freiheitszwerge, die von einem Jörgl–Zwerg angeführt wird, der in neidisch–böswilligen Kreisen auch „großmäuliger Karawankenzwerg” genannt wird. In den Sommerferien — das ist die Zeit, wo den Zeitungs–, Fernseh– und Radiozwergen besonders fad ist —, in den Sommerferien also hat doch dieser Jörgl–Zwerg — wie man sich in der Republik der Alpenzwerge oft erzählt — öffentlich (im Fernsehen natürlich!) gemeint, daß die Bewohner der Republik der Alpenzwerge sich wohl nicht als „Nation” bezeichnen könnten; vielmehr sei allein schon der Begriff der „Alpenzwerglichen Nation” eine ideologische Mißgeburt! Hernach brach ein großes Wutgeheul und Wehgeschrei in den zwergenländlichen Medien und Parteien aus! Völlig unmotiviert gedachte die Schar der Partei– und Medienzwerge — mit berechtigtem und würdevollem Schaudern — jener Zeiten, in denen derlei Zwergenworte (natürlich vor einem ganz anderen Hintergrund, aber das braucht ja wohl keinen Zwergenbürger zu berühren!) sehr in Mode waren, und besonders die Zwerge, die zu jener Zeit gar nicht gelebt hatten, riefen sich mit schuldbewußt–reuiger Zwergenmiene in Erinnerung, wohin diese Worte damals geführt hatten und schrieen hinaus, daß sie damit nie etwas zu tun hatten und nie etwas zu tun haben wollen — so lautstark, daß es wohl nicht einmal der blödeste zwergengehirngeschädigte Dummzwerg es mehr so recht glauben wollte (hätte er nur darüber nachgedacht!). Und weil besonders die bekreisten Dreipfeiligen sowie die marschierenden Sichel-und-Hammer–Zwerge gerne und gar oft die Vergangenheit mit der zwerglichen Gegenwart vermanschen (ab und zu auch einmal etwas weglassen oder auch dazuzwergeln), weil weiters die Wischi-Waschi–Zwerge ohnehin gar nicht wußten, wie oder warum oder weshalb, und weil die Gesundheits–und–Grünzwerge sowieso protestieren müssen (und weil, wie schon erwähnt, halt auch gerade Sommerpause und damit allen so grauslich fad war), nutzten sie alle die Gelegenheit, sich in zwerglicher Vergangenheitsbewältigung (was immer das auch sein mag) zu üben und zu profilieren (so glaubten sie zumindest) und fielen über den Jörgl–Zwerg allesamt her. Den mündigen alpenländischen Zwergenbürgern hingegen erklärten sie, daß sie nun wohl ganz genau wissen, in welchem Eck der Jörgl–Zwerg stehe — und die Führer der verschiedenen Zwergenparteien erhoben ihre zwergenhaften Zeigefinger gar drohend, worauf die Zwergenplebs sich gar fürchtete. Hätten sie nur alle nachgedacht, anstatt nur kleinzwergenhaft zu schimpfen und zu raunzen! Mag schon sein, daß der Jörgl–Zwerg „Zwergennation” mit „Zwergennationalität” verwechselt hat. Mag schon sein, daß er ein unbequemer Zeitgenosse ist, der Jörgl–Zwerg. Der mündige alpenländische Zwergenbürger sollte jedoch bedenken, daß das jahrelange einseitige rotfahnenzwergliche Zwergengemurmel und Zwergengegrübel ihn meist schon so weit beeinflußt hat, gleichsam automatisch (im Zwergenunterbewußtsein) jeden, der das Wort „Zwergennation” auch nur mit dem leisesten nachdenklichen Unterton ausspricht, sofort wie einen Verbrecher zu behandeln. Geht es nämlich nach den Rotfahnen–Zwergen (und nach denen geht es!), darf der mündige alpenländische Zwergenbürger alles, nur nicht nachdenken — schon gar nicht darüber, was diverseste Rotzwerge der alpenländischen Zwergenrepublik angetan hatten in jener Zeit, die die meisten mündigen alpenländischen Zwergenbürger gar nicht mehr erlebt hatten ... Hätte man nur nachgedacht! Dann hätte man feststellen können, daß es in der alpenländischen Zwergenrepublik nicht eine Nation der Alpenzwerge gibt, sondern Zwergengattungen verschiedenster Zwergennationalität: Da gibt es beispielsweise den Magyarzwerg, der Serbenzwerg, den Kroatenzwerg, den Alemannenzwerg, den Slowenenzwerg und viele andere — was den gleichmacherischen Rotfahnen–Zwergen natürlich gar nicht in den Kram paßt! Weswegen sie über den Jörgl–Zwerg herfallen: Es könnte ja vielleicht einer weiterdenken! Es könnte auch ein konservativer Bürgerzwerg auf die Idee kommen, daß man für diese zahlenmäßig kleinen, kulturell aber sicher sehr wichtigen Zwergengattungen etwas tun müßte und daß wohl die Wischi-Waschi–Partei der Volks– und Bürgerzwerge besonders dafür zuständig wäre (denn Volk und Bürger sind ja alle!) ... Weswegen sie über den Jörgl–Zwerg herfallen: Nur nicht anecken, nur keine neuen Probleme, die die großkoalitionären Pakte von Rotfahnen– und Wischi-Waschi–Zwergen belasten könnten! Daher: Lieber auf dem Begriff der Zwergennation bestehen und weiter nichts (Gutes) für diese Nation tun, als ernsthaft und seriös darüber zu reden. Lieber alles nivellieren, unter einen (roten) Hut bringen, als eine befruchtende Vielfalt von Zwergengattungen zu akzeptieren. Lieber einen von vorneherein zum Sündenbock zu machen, weil er der Jörgl–Zwerg und von der Partei der kontrollieren–wollenden blaugesichtigen Freiheitszwerge ist, anstatt seine Ideen und Äußerungen entweder mit schlagkräftigen (d.h. u.a. nicht emotionalen) Argumenten zu widerlegen oder sie weiter zum Wohle des Zwergenstaates zu entwickeln. Am allerbesten: Lieber das Volk der Bürgerzwerge schimpfen lassen und ihm einreden, daß es dadurch mündig wird, als fremde Gedanken zu tolerieren und eigene Gedanken dazu zu entwickeln. Ein mündiges Zwergenvolk kann sich die große Zwergenregierung einfach nicht leisten, da sonst ihre Unzulänglichkeit durchschaut würde. Ablenkungen aller Art sind da sehr willkommen. Weshalb sie über den Jörgl–Zwerg herfallen — anstatt nachzudenken! |
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