Gedanken zur „Waldheim–Affaire”
Carolinas Nachrichten Nr. 2/1988 S. 22 f
Verallgemeinerungen
Ich erinnere mich noch genau an jenen „Club 2” während des Präsidentschaftswahlkampfes, in dem ein gewisser Professor E. Ringel sinngemäß von sich gab, daß weite Kreise der ÖVP antisemitisch eingestellt seien, weil die ÖVP auf ihren Wahlkampfplakaten für Dr. Waldheim die Farbe gelb vorherrschen ließ — eben jene Farbe, die vor geraumer Zeit auch für das Symbol des Judensterns verwendet wurde.
Diese „Feststellung” läßt sich natürlich ausweiten: Jemand, der um den Symbolgehalt dieser Farbe weiß („schon einmal etwas davon gehört hat”), ist ein Antisemit, wenn er Reclam–Hefte liest (deren Umschlag bekanntlich gelb ist), gerne Zitronenlimonade trinkt u.v.a.m. Und wer von all dem nichts gewußt hat, der möge dies bitte schnellstens vor aller Weltöffentlichkeit beweisen. (Ob sich der Herr Professor über die Aktualität dieses „Symbolgehaltes” besagter Farbe schon einmal Gedanken gemacht hat?)
Geld
Ich gönne den Leuten das Geld. Aber ich möchte nicht in der Haut dieser Leute stecken. Der geneigte Leser stelle sich vor, ich würde ihn jetzt erschießen. Nach fünfzig Jahren zahlen dann die Leute aus dem Haus, in dem ich wohne, an seine Kinder öS 5.000,–. Toll, nicht? Vielleicht hätte man sich eher jene unter den Betroffenen heraussuchen sollen, die aufgrund der unfähigen Regierungen der letzten zwanzig Jahre derzeit keinen Arbeitsplatz haben — um ihnen mit diesem Geld akzeptable Arbeitsplätze zu schaffen? In jedem Fall wäre diese Lösung weniger peinlich gewesen!
Vergangenheitsbewältigung
Jene aber, die darauf drängen, daß andere „die Vergangenheit bewältigen”, haben oft in ihrer eigenen Vergangenheit sehr dunkle Kapitel aufzuweisen. Anhand dieser dunklen Kapitel könnten selbige Leute gleich demonstrieren, was das ist: „Vergangenheitsbewältigung”! Ich habe noch keinen gesehen, der das geschafft hätte!
Nazi
Einer Generation werden diese Kurzworte (KW's) eingeimpft, die nächste Generation (spätestens) verwendet sie bereits gedanken- und kritiklos (d.h. ohne über deren volle Bedeutung nachzudenken bzw. informiert zu sein). In Österreich herrscht derzeit keine Diktatur (hoffentlich!); daher ist die Verwendung dieser Abkürzungen nicht notwendig. So teuer kann die Sendezeit des Österreichischen Rundfunks gar nicht sein, daß es unmöglich wäre, anstelle von „NS–Regime” beziehungsweise „Nazi–Regime” zum Beispiel „Regime der Nationalsozialisten” oder anstelle von „Nazi–Partei” oder „NSDAP” „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei” zu sagen.
Hitler und Marx
Abgesehen davon ist der Sozialismus naturgemäß nicht sonderlich minderheitenfreundlich eingestellt — entscheidend ist die Masse (der Arbeiter), in der alles aufgeht; und da die Juden hier in Österreich eine Minderheit bilden, die nicht in der Masse aufgehen will ... Pssssst!!!
Schuldgefühle
Wer nicht so reagiert, ist sofort verdächtig: „Ich hab's ja immer gewußt — die Nazi–Sau!” Für solche Leute wäre ein Besuch in Israel sicher das Richtige. Auch die Teilnahme an unserer Veranstaltung vom Jänner dieses Jahres auf unserer Bude („Christentum und Judentum”) hätte hier absolut dienlich sein können. Wie würden wohl wir Christen reagieren, wenn Andersgläubige im Gespräch untereinander oder auch mit uns ununterbrochen posaunen würden: „Aber ich habe generell nichts gegen Christen!”??? Ich würde es einfach nicht glauben!
Ami — go home?
Als der Name Waldheim dann auf die Watch–List gesetzt wurde, sank das Verständnis der Österreicher für die Politik der Vereinigten Staaten auf einen Tiefpunkt. Das Problem liegt aber noch tiefer! Als ich 1982 mit amerikanischen Freunden in Milwaukee eine Party besuchte, wurde ich mit „Heil Hitler” begrüßt — man glaubte, mir eine Freude zu machen! Bei den Umfragen des ORF in den Straßenschluchten von Manhattan wurden leider nur oberflächliche Fragen („What do you know about Mr Waldheim?”) gestellt, auf die man natürlich — wenn überhaupt — nur oberflächliche Antworten erhielt („He was involved in Nazi crimes”). Hätte man die Leute gefragt, was die Wörter „Nazi”, „NSDAP”, „SA”, „SS” etc. bedeuten (eine englische Übersetzung hätte schon genügt) — die armen Reporter wären wohl wochenlang mit Mikrophon und Kamera gestanden, ohne eine einzige adäquate Antwort zu erhalten. Und trotzdem hätte sich kein einziger der Befragten das „Recht” nehmen lassen, über die Österreicher und ihren Bundespräsidenten zu urteilen. Ami — go home? Sind wir Österreicher wirklich viel besser? „Wer von euch ohne Fehl ist, der werfe den ersten Stein!”
Hello, Mr Bronfman!
Nach einer wüsten Beschimpfung seitens eines empörten Fahrgastes („Antisemit ...!”) sagt er nur: „Verzeihen Sie, mein Herr: Ich bin Jude!” Bei uns auf der Bude gibt es nach wie vor diesen Whiskey: solange er uns schmeckt! |
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